Volltext Seite (XML)
6400 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ov 110, 2t. Mai 1912. hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, weil sie annimmt, daß 8 19 falsch ausgelegt sei; sie wird jedoch auch vom Kammergericht mit ihrer Forderung abgewiesen. Das Kammergericht weist zunächst auf die gesetzlichen Bestimmungen hin, die ich oben mitgeteilt und erläutert habe, Im wesentlichen führt das Kammergericht folgendes aus: Die Entscheidung hängt von der Frage ab, ob die Novellen als »einzelne Aufsätze von geringem Umfang» im Sinne des § 19, Ziffer 4 anzusehen sind, und ob die Sammlung des beklagten Verlages ihrer Beschaffenheit nach für den Schul oder Unterrichtsgebrauch bestimmt ist. Im Sprachgebrauch des Schulunterrichts wird allerdings das Wort »Aufsatz» vielfach in einem Sinne gebraucht, der seine Anwendung auf Novellen ausschließt. Man versteht unter »Aufsätzen« häufig nur Ausarbeitungen beschreibenden oder belehrenden Inhalts. Nach dem Grimmschen Wörter buch vom Jahre 1854 (ein Werk jüngeren Datums besitzt das Kammergericht anscheinend nicht) besitzt das Wort »Aufsatz» auch eine weitere Bedeutung. »Was niedergeschrieben, zu Papier gebracht, abgefaßt wird-, das ist ein Aufsatz. Dieses Argument würde mich nicht überzeugen, denn nicht der Sprachgebrauch des Jahres 1854 kommt in Frage, sondern der Sprachgebrauch des Jahres 1912. Und es kann nicht bestritten werden, daß heute kein vernünftiger Mensch eine Novelle als Aufsatz bezeichnet. Viel wichtiger ist aber das folgende Argument des Kammergerichts: »Daß Erzeugnisse der schönen Literatur ausgeschlossen sein sollten, ist weder aus dem Gesetz noch aus seiner Ent stehungsgeschichte ersichtlich. Die in Rede stehende gesetz liche Ausnahmebestimmung nennt vielmehr neben »Aufsätzen» und »Schriftwerken» auch eine besondere Art durch ihre Form gekennzeichneter Erzeugnisse der schönen Literatur, nämlich »Gedichte». Dagegen wird über den Inhalt der »Aufsätze» (»Ausarbeitungen») keine einschränkende Bestimmung getroffen.« - »Man wird unter »Aufsätzen- im Sinne des Z 19, Nr. 4 Lit.-Urh.-Ges. Ausarbeitungen sowohl wissenschaftlichen als auch belletristischen Inhalts zu verstehen haben, ebenso wie unter den Worten »Aufsätzen», »Abhandlungen« im 8 10 des Nachdruckgesetzes. (Vgl. Mot. des Entwurfs 1857, Seite 63 zu lO a. E.)» — »Das oben Gesagte wird besonders klar, wenn auf 8 6, Nr. b des Entwurfs zum Nachdruckgesetz von 1870 zurück gegangen wird. Hier lautet die in Frage kommende Bestimmung: »Die Aufnahme bereits veröffentlichter Schriftwerke von ge ringerem Umfang, wie kleinere Aufsätze, Gedichte usw. —- »Demnach können auch Novellen als .Aufsätze' im Sinne des Z 19 Nr. 4 angesehen werden».*) »> Das Kammergsricht hätte u. E. noch ein anderes Moment zu gunsten seiner Auffassung ansühren können. Vor Abschluß des deutsch-französischen Literar < Vertrags vom !S. April I88Z ist wiederholt seitens deutscher Verleger der Wunsch ausgesprochen worden, im Interesse des Schulunterrichts eine Bestimmung in den Vertrag auszunehmen, durch dis es für erlaubt erklärt würde, auch ganze Dramen, Novellen usw. als Separat ausgaben zum Unterrichtsgebrauch in Schulen abzudrucken. Begründet wurde dieser Wunsch mit dem Hinweis, daß die sogenannten Chrestomathien teils unzweckmäßig, teils zu teuer seien. Dieser Versuch stieß jedoch, wie Dambach in seinem Kommentar zu dem Sondcrvertrag (1883) aussührt, aus den entschiedensten Widerspruch der französischen Regierung, da es unmöglich sei, zu kontrollieren, ob ein solcher Abdruck wirklich nur zum Schulunterricht gebraucht werde oder nicht auch ander weitig Verwendung finde. Es ist also bei den dem Vertrags abschlüsse vorausgegangenen Erörterungen — wie auch später — nie die Rede davon gewesen, Novellen, dramatische Szenen usw. geringeren Umsangs aus Sammlungen für Schul- und Unterrichts zwecke auszuschließen, sondern nur einen Mißbrauch durch Veran staltung von Separatausgaben und damit eine Schädigung der sranzösischen Verleger zu verhindern. Red. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes vom Jahre 1870 halte ich allerdings nicht für maßgeblich, denn das neue Ur heberrechtsgesetz enthält ja zahlreiche Bestimmungen, die sehr wesentlich von dem alten Gesetz abweichen, das sich in der Praxis als unklar und unzulänglich erwiesen hat. Aber die Tatsache, daß im ß 19, Ziffer 4 des neuen Gesetzes aus drücklich auch die Gedichte Erwähnung finden, ist für den vor liegenden Fall allerdings von entscheidender Bedeutung. Denn Gedichte find auch Ausarbeitungen unterhaltenden, bzw. er zählenden Inhalts, und es ist nicht einzusehen, warum der Gesetzgeber hinsichtlich des Schul- und Unterrichtsgebrauchs die Gedichte freigeben und den Novellen ein Sonderrecht einräumen sollte. Der Wortlaut des Gesetzes läßt aller- dings viel zu wünschen übrig, aber es kommt nicht auf Las Wort, sondern auf den vom Gesetzgeber beabsichtigten Sinn und Zweck der Bestimmung an; und darüber kann ja hier ein Zweifel nicht bestehen. Mithin wird man daran fest- halten müssen, daß auch kurze Novellen zu Unterrichtszwecken abgedruckt werden dürfen. Das Kammergericht stellt im übrigen fest, daß die vor liegenden »Aufsätze-, bzw. Novellen, von geringem Umfange sind, und daß die vorliegende Sammlung Werke einer größeren Zahl von Schriftstellern vereinigt und ihrer Be schaffenheit nach für den Schul- oder Unterrichtsgebrauch be stimmt sind. Wenn auch auf dem Titel der Vermerk »Für Schule und Haus» steht, also auch der Prioatgebrauch auf dem Titel als Zweckbestimmung des Buches angegeben ist, so könne dies nicht ins Gewicht fallen, denn die gesetzliche Bestimmung verlange nur, daß der Schul- oder Unterrichts gebrauch den Hauptzweck bilde. Die äußere Ausstattung, der Inhalt der Sammlung, die belehrende Bearbeitung, die biographischen Notizen — die offenbar nicht nur das Ver ständnis des Textes erleichtern und Sprachkenntnisse vermitteln sollen, sondern darüber hinaus auch über alle sprachlich oder sachlich mit dem Text in Zusammenhang stehenden Dinge belehren sollen — zeigten ohne weiteres, daß die Sammlung der Novellen für Personen bestimmt seien, die durch die Lek türe ihr Wissen bereichern wollen, also insbesondere Lernende und Schüler. Lstsloxue xenLrsI üe >a librsirie krsnssise, con- tillustioo äe I'ouvraxe ä'Otto l.orsor. D. 22 (pörioäe äe l-06 ä I90-), röäixö par v. äorckell. 1—2. karis, o. lloräsll. 1911. 626 88. 6r. 8°. 1. 21. 22. 60 kr. Leider kann dieser Band sehr verspätet angezeigt werden-^ Er hält sich in den gewohnten Umfangsgrenzen, Bd. 21, U umfassend, war 615 Seiten stark, Bd. 22 ist nur 11 Seiten stärker. Beide zusammen dürften Werke von etwa 16 000 Verfassern auf zählen, ihnen stehen gegen 37 000 Titel ohne die Verweisungen gegenüber, aber einschließlich der Anonyma. Verschwindend klein ist die Zahl der nicht in französischer Sprache in Frankreich erschienenen hier verzeichneten Drucke; es sei aber daran erinnert, daß der Katalog nicht nur die in Frankreich, sondern auch die anderswo in französischer Sprache erschienenen aufführt. Nicht uninteressant dürfte es sein, zu erfahren, daß das als Weltsprache natürlich auch in Frankreich zu findende Esperanto u. a. auch für zwei Schillersche Stücke: Der Neffe als Onkel oder Ua. Novo Liol Onlrlo, Lomockis. on triaktos und Die Räuber oder Iss. ks.bi8toj, ckramo on yuin airtos verwendet worden ist. Auch ein Esperantisten-Jahrbuch, l'ut- wonäs. ^s-rlibro ogporantiota, findet man verzeichnet; aber ob es nicht richtiger im Alphabet unter ^arlidro statt unter lutmonäs. aufzunehmen gewesen wäre? P. E. Richter.