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^ 65, 20. Mürz 190S. Nichtamtlicher Teil. BSr!-M»tt s. d. Dtschn. Buchhandel. 3 4 4 s »Über den Umgang mit Menschen» (Hannover 1788) er schien, tauchte bald daraus eine andere Schrift auf mit dem Titel: »Des Freyherrn v. Knigge Weit- und Menschen- kenntniß». Wer nun angenommen hätte, daß letztere Schrift einen ähnlichen Stoff wie der Umgang mit Menschen behandelte, wäre arg enttäuscht worden, denn sie enthielt nur die heftigsten Angriffe und Beschuldigungen gegen Knigge, besonders wegen seiner Teilnahme am Illuminaten orden. In Chr. G. Kaysers Deutscher Bücherkunde ist die Schmähschrift unter Knigges Werken aufgeführt. Da ein großer Teil der nicht mehr vom Verleger zu beziehenden Bücher nach dem Titel gelaust werden muß und dem Käufer nicht zur Ansicht vorgelegt werden kann, so wird mancher Käufer von dem Inhalt enttäuscht sein, ob wohl die Titel vieler, besonders älterer Werke an Weit schweifigkeit und Schwülstigkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Beispiele anzufühlen, würde hier zu viel Raum wegnehmen. Dafür möchte ich aber auf das kürzlich er schienene Heft: »Mtuli librormn sie.« von Or. Chr. G. Hottinger verweisen, das eine ganze Anzahl alter und neuer Titel in chemigraphischer Reproduktion darbietet. Sebastian Franck von Wöhrd braucht für den Titel seiner »Chronick: Geschichte vnd Zeitbuch», der ersten original deutschen Welt- und Kirchengeschichte, in der Ausgabe von 1585 35 Zeilen (4".). Langgewundene, umständliche Titel mit verzwickten und eingeschachtelten Sätzen und Satzreihen kommen aber auch in neuerer Zeit noch vor. Ein wahres Ungeheuer in dieser Beziehung ist der 1794 in Brünn erschienene »wahrhafte Farbeukoch ohne Maske» von B. B. S. Der Verfasser braucht zu seinem Titel 176 Worte; Chr. G. Kayser tut diesen Titel aber in seiner Deutschen Bücherkunde von 1750—1823 mit vier Worten ab. Nicht gerade seiten sind auch Titel, aus denen man sich über den Inhalt des Buches, dem sie vorangestellt sind, schlechterdings keine Vorstellung machen kann. An Beispielen hierfür aus der neueren und neuesten Literatur fehlt es nicht. Auf ihre Anführung soll hier verzichtet werden. Der kundige Leser wird deren genug in leidiger Erinnerung haben. Merkwürdige Titel hat John Ruskin für manche seiner Werke gewählt: Loren lawxs vk nrebitecture, Lioues ok Veniee, Lratra Lenteliei, Lriaäne lkiorenkirur, tbe Llorm-elouä ok tbe liliss usw Erst aus den Untertiteln dieser Werke ist zu ersehen, welchen Inhalt das betreffende Werk hat. Der englische Ingenieur W. Allan, M. d. P., gab neben mehreren technischen Werken auch ein Werk: Itougb 0»stiogs heraus, was man etwa mit Roheisen-Gußwaren übersetzen könnte. Durch den technischen Titel verführt, haben viele Ingenieure und Eisengießer diese Lougb Lastings gekauft, die weiter nichts sind als Gedichte im schottischen Dialekt und als einziges von Allans Werken zwei oder mehr Auflagen erlebten. Ganspeckh, »Der englische Magnet- ist ein Gebetbuch mit besonderer Verehrung der Engel. »Die Nonne im Walde und ihre Schwestern» (Leipzig 1800) ist nicht etwa ein Schauer roman, sondern eine Abhandlung über den gefährlichen Forst schädling, die Nonne, luxaris monaeba D. Der englische Aquarellist Renlon gab ein Werk heraus: Oils auä vator- oolours. Gar mancher Kunstjünger mag das Buch bestellt haben in der Erwartung, eine Anleitung zum Malen zu er halten, um zu finden, daß das Buch Gedichte enthielt. Auch von Ruskin ist eine Schrift mit einem solchen irreführenden Titel erschienen: blotes on tbe eonstruetiou ok ebeepioläs. Diese Bemerkungen über die Errichtung von Schafhürden beziehen sich jedoch auf kirchliche Einrichtungen. »Weh dem Mann in unserm Zeitalter«, schreibt I. T. Hermes 1788 in dem oben erwähnten Werke (Bd. 1, S. 3), »dessen Buch nicht durch den Titel ausfällt; ich hatte Börsenblatt für den Deutschen BnchtMdel. 7S. Jahrgang. in den Buchlädea gesehen, daß Menschen den Hephaestion, Horus, Parabomios und Memnonium eben deswegen nnbe- sehend kauften, weil sie nicht wußten, was Hephaestion und was Horus, was Parabomios und Memnonium eigentlich sagen will«. Auch heute noch gibt mancher Schriftsteller, um dem Sensationsbedürfnis entgegenzukommen, seinem Werke einen auffallenden Titel, etwa wenn er Tagesfragen in einer Schrift behandelt, die aus irgend einem Grunde rasch in großer Anzahl verbreitet werden soll. Das Publikum und die Presse von heute lassen sich aber Übertreibungen auf diesem Gebiete nicht mehr gefallen. Ein wissenschaftliches und sonstiges ernstes Buch mit einem phantastischen Titel würde von vornherein starkem Mißtrauen begegnen und dem Ansehen des Verfassers schaden. Aus dem Titel kann man manchmal nicht ersehen, ob das betreffende Werk ein Roman, eine Lebensbeschreibung, eine Jugendschrift, ein Drama, ein Gedicht, eine Reise beschreibung ist. Bei Predigten oder sonstigen theologischen und erbaulichen Werken läßt der Titel manchmal im Un klaren, ob der Verfasser ein Katholik, Protestant, Israelit usw. ist. Die Fassung des Titels sollte so beschaffen sein, daß Irrungen und Verwechslungen mit andern Werken nach Möglichkeit ausgeschlossen sind. Auch der Umfang des Werkes sollte insofern auf dem Titel einigermaßen zum Ausdruck kommen, als man sagen müßte: Grundzüge, Leit faden, Lehrbuch, Handbuch usw., wenn derselbe Verfasser mehrere dergleichen herausgegeben hat. Bei botanischen Schulbüchern wäre auf dem Titel zu bemerken, ob das Werk sich nach Linus oder nach dem natürlichen System richtet, usw. Daß ein Werk, das durch irgendwelche Umstände, zu hohen Preis, minderwertigen Inhalt usw., bei Erscheinen keinen Absatz gefunden hat, später unter verändertem Titel nochmals aus den Markt gebracht wird, ist zwar unange nehm, kann aber dem Verleger, der einigermaßen wieder auf seine Kosten kommen will, nicht verdacht werden. Schließlich ist dieses Bemühen in den meisten Fällen ja doch ver geblich; es richtet aber in bibliographischer Beziehung Ver wirrung an. Eine Spielerei war es, wenn früher Bücher ohne Titel, oder vielmehr mit Titeln herausgegeben wurden, wie folgende: Das Buch ohne Titel 1746, Braunschweig >801, o. O. 1801, das Wochenblatt ohne Titel, Nürnberg 1770, Taschenbuch ohne Titel für das Jahr 1822, 1830, 1832. Der Jahrgang 1830 des letzteren Taschenbuches ent hält ein Gedicht, der Jahrgang 1832 ein »Sybillinisches Vorwort» in Prosa, in denen die den Titel bildenden Buch staben durch roten Druck hervorgehoben sind. Ähnliche Scherze wurden schon früher gemacht. So ergibt sich der Name des Verfassers des berühmten 1499 von Aldus Ma- nutius gedruckten illustrierten Werkes: Hz-pnsrotoiuLcbi» kolipüili etc. aus den Initialen der 38 Kapitel desselben: Wenn man es einem Schriftsteller auch nicht verwehren kann, irgend ein Werk anonym zu veröffentlichen, so hat diese Anonymität doch verschiedene Nachteile, Schwierigkeiten und Jrrtümer im Gefolge. Einem anonymen Buche begegnet man stets mit einem gewissen Mißtrauen; ohne einen Ver fassernamen ist es leicht mit anderen Schriften zu ver wechseln oder verschwindet unter der Masse von ähnlichen Erscheinungen und ist in den Katalogen schwerer zu finden als ein Verfassername. Wenn sich ein Verfasser durch die Anonymität von der Mühe befreien will, auf etwaige An griffe antworten zu müssen, so könnte er dies ebensogut durch ein Pseudonym erreichen, das in bibliographischer Beziehung jedenfalls bequemer ist. Immerhin geben Ano nymen und Pseudonymen Anlaß zu Irrungen; auch ist es vorgekommen, daß Verleger später nicht mehr anzugeben wußten, 449