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2026 Börsenblatt f. d, Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 41, 19. Februar 1908. oinzialbuchhändlers anführen, der sich über diesen Statutenent wurf folgendermaßen äußert: Dieses Projekt enthält nicht nur ungeeignete und zweckwidrige, sondern sogar unerfüllbare Bestimmungen; es belastet die Mit glieder des Vereins mit einer Menge von Verpflichtungen und beschränkt ihre Tätigkeit dermaßen, daß sich nur wenige zur Annahme dieser Statuten bereit erklären 'werden. Es wird zum Beispiel verlangt, daß jedes Vereinsmitglied auf allen Ver sammlungen des Vereins persönlich oder durch einen Bevoll mächtigten vertreten sein muß; das ist für die M'tglieder in der Provinz unannehmbar. Jedes Mitglied soll dem Vereinsvorstand nicht nur olle ihm zur Kenntnis gekommenen Wechselproteste und alle Veränderungen, die in der Lage einer Firma (nicht bloß seiner eigenen) vorgekommen sind, Mitteilen, es soll auch alle ihm vom Vorstand gestellten Anfragen unverzüglich und gew ssenhaft beant worten; es darf feiner nut keiner Person oder Firma in geschäftliche Verbindung treten, ohne den Vereinsvorstand davon in Kenntnis zu setzen; mit Personen, die dem Verein nicht angehören, soll es überhaupt keine Geschäfte machen. Wer sein Geschäft früher als es die Statuten vorschreiben, öffnet oder schließt, soll 50 Rubel, und wer an Sonn- und Feiertagen arbeiten läßt, 100 Rubel Strafe zahlen. Um solche Strafbestimmungen durchzusühren, müßte der Verein eine eigne Polizei organisieren. Kein Verleger oder Großsortimenter soll das Recht haben, den Verkauf eines auf seinem Lager befindlichen Buchs zum nominellen Preise zu ver weigern, auch darf er nicht die Ausrede gebrauchen, daß ihm die Anzeigen im Bereinsorgan unbekannt seien. Diese Vorschrift soll sich sogar auf solche Buchhändler erstrecken, die nicht Vereinsmtt- glteder sind. Die Buchhandlungsgehilfen — also Nichtmitgliedcr des Vereins — müssen zwei Monate vor dem Verlassen ihrer Stellen kündigen, u. a. m. Daß ein solcher Slatutenentwurf gründlich revidiert und abgeändert, namentlich aber daß er praktischer und zweckentsprechender gestaltet werden muß, ist unbestreitbar. Wir haben hier nur einige Ausstellungen heroorgehoben und werden vielleicht gelegentlich auf dieses Thema wieder zurückkommen. — Durch eine Kommission des russischen Buchhändler- und Ver- legeroereins wurde der Beschluß gefaßt, das Vereinsorgan zu reformieren. Die vollständige Ausgabe des Kntshnyj Wjestnik soll künftig nur noch an Buchhändler und Verleger geliefert werden. Nichtbuchhändler sollen für eine jährliche Zahlung von 2 Rubel nur die bibliographischen Verzeichnisse der neu erschienenen Bücher erhalten. Die ausschließlich für den Buchhandel bestimmte vollstän dige Ausgabe des Vereinsorgans wird nur prakiische, auf Buch handel und Verlag bezügliche Artikel und Berichte über die in den Vereinsoersammlungen erörterten Fragen enthalten. Ferner Stellenangebote und -Gesuche von Vereinsmitgliedern und deren Gehilfen, die gratis ausgenommen werden sollen. Andere Personen müssen für ihre Inserate 10 Kopeken pro Zeile bezahlen. Mit dem Knishnyj Wjestnik können auch Verlangzettel (ä, 1 Rubel) und Beilagen, Anzeigen und Kataloge, die nicht über 1 Lot wiegen, (s, 10 Rubel) versandt werden. Schwerere Beilagen werden zu drei Rubel per Lot und Tausend berechnet. Das Format des Vereinsorgans soll vergrößert werden. Zur Lage des russischen Buchhandels in der Provinz ver öffentlicht ein Herr O. A. Sch. im Knishnyj Wjestnik einen Artikel, dem wir das Folgende entnehmen: »Die Herren Verleger und Großsortimenter interessieren sich für ihre provinziellen Sortimenterkollegen nur sehr wenig. Würden sie in deren Haut sticken, so wüßten sie, daß sich die Pcovinzial- buchhändler gegenseitig ohnehin schon starke Konkurrenz machen und daß ihnen die Konkurrenz der Hauptstädte verhängnisvoll ist. Der Prooinzialbuchhändler muß häufig so viel Rabatt geben, daß ihm fast gar kein Nutzen übrig bleibt. Müßte er sich aus den Vertrieb von Büchern beschränken, so könnte er bei dem ge ringen Rabatt, den er in der Regel erhält, und bei den hohen Spesen gar nicht bestehen. Der neue Statuten-Entwurs unseres Ver eins enthält säst nur solche Bestimmungen, die für die Verleger und Großsortimenter günstig sind; an das projektierte Einigungs- amt wird sich ein Prooinzialbuchhändler wohl kaum wenden dürfen, wenn er nickt in den Ruf eines Querulanten kommen will. Unter allen russischen Verlegern hat sich bis fitzt öffentlich und tatsächlich nur einer der bedrängten Lage der Sortiments buchhändler in der Provinz angenommen. Herr A. F. Deorient chreibt im Vorwort seines Weihnachtskatalogs folgendes: --Den Bewohnern der Städte, wo sich Buchhandlungen mit einer guten Auswahl von Büchern befinden, empfehlen wir, sich für den Bezug unsrer Verlagsartikel an diese Buchhandlungen zu wenden; denn es liegt im Interesse des Publikums, sie zu unteistützen, weil sie nur dadurch bestehen können. Die aus den Hauptstädten bezogenen Bücher sind nicht billiger als die in der Provinz gekauften; übergeht man die Prooinzialbuch händler, so fügt man nicht nur ihnen, sondern auch der Kultur des Landes Schaden zu; denn es ist zweifellos, daß zu den Hauptmitteln der Volksausklärung ein weitverbreitetes Netz von Buchhandlungen gehört.-- -Wenn die Mehrzahl der russischen Verleger sich diese Ge sinnungen aneignen würde, so brauchte das Provinzialpublikum sich nicht mehr so häufig wie bisher an die Hauptstädte und direkt an die Verleger zu wenden; es könnte dann seine geistigen Be dürfnisse größtenteils in der Provinz bestreiten; aber um die Lage der Prooinzialbuchhändler gründlich zu verbessern, ist es auch not wendig, ihnen einen höheren Rabatt zu bewilligen und ihnen Kredit zu gewähren.- — Aus dem russischen Buchhandel ist ferner noch folgendes zu berichten: Das neueste Verzeichnis der Mitglieder des russischen Buch händler- und Verlegervereins vom 25. November (8. Dezember) vorigen Jahres enthält 249 Namen. Im Oktober vorigen Jahres wurden die neuen Handels klassen des Vereins eröffnet; es meldeten sich ca. 50 Schüler, die in vier Klassen verteilt wurden. Die Unterrichtsgegenstände sind: russische, französische und deutsche Sprache, kaufmännisches Rechnen, Buchhaltung und Bücherkunde. Der Unterricht findet Sonntags von 10 bis 11 und von 2>/, bis 3'/, Uhr, Mtitwochs von 7^/, bis 9*/, Uhr abends statt. Für den vollständigen Jahres kursus werden 1b Rubel, für einen Spezialkursus 7 Rubel 50 Kopeken berechnet. Die Leitung der Klassen hat Herr A. I. Darinskij, Direktor einer Privat-Handelsschule, übernommen. Die Buchhändler St. Petersburgs wollen ein Syndikat bilden und eine eigne Zeitung herausgeben. Unter dem Titel -Bücherchronik- hat die Oberpreßverwaltung begonnen ein wöchentliches Verzeichnis der bei dieser Behörde eingereichten Drucksachen herauszugeben. Diese Listen enthalten auch die Titel von Rechenschaftsberichten der Wohltätigkeits und andrer Anstalten, Vsreinsstututen, Sitzungsprotokollen ver schiedener Gesellschaften, Musikalien usw. Den Volksschullehrern wurde der kommissionsweise Vertrieb von Büchern aus den Lagern der Gemeindebehörden untersagt. In St. Petersburg ist eine Gesellschaft im Entstehen, die sich ausschließlich mit der Herausgabe von Lehrbüchern befassen will Unter der Firma »Die Muselmanische Jugend- ist in St. Petersburg ein neues Verlagsgeschäft entstanden, das billige, fortschrittliche Schriften, hauptsächlich in den Gouvernements Kasan, Ufa, Orenburg usw., die eine starke mohammedanische Be völkerung haben, verbreiten will. Die Studenten der St. Petersburger Universität wollen ein Bureau errichten, um für die Studenten aller Fakultäten den Ankauf sämtlicher Vorlesungen und Bücher zu vermitteln. Der Gewinn aus diesem Geschäft soll zur Unterstützung hilfsbedürftiger Studenten verwandt werden. A. F. Deorient in St. Petersburg zeigt an, daß seine zwei Söhne Alfred und Wilhelm als vollberechtigte Teilhaber seiner Firma ausgenommen wurden und daß Hugo Merseburger als Mitbeteiligter Piokura erhalten hat. Der bekannte Schriftsteller Arzybaschew will ein neues Verlags- geschäst unter der Firma -Das Leben- gründen; es sollen haupt sächlich literarische und künstlerische Wirke herausgegeben werden. Breschko-Breschkowskij teilt in der Peterburgskaja Gaseta mit, die Frau Gläfin Sophie Tolstoj habe ihm erzählt, daß eine aus ländische Verlagsfirma für das ausschließliche Verlagsrecht sämt licher Werke des Grafen L. N. Tolstoj eine Million Rubel geboten habe. Da aber das volle Eigentumsrecht dieser Werke beansprucht wurde, so konnte darauf nicht eingegangen werden. W. Henckel.