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189, 15. August 1896. Nichtamtlicher Teil. 4913 Nichtamtlicher Teil Das Recht des Abdrucks im Zeitungs- und Zeitschristenwesen. Die Frage, ob und inwieweit es erlaubt sei, den Inhalt von Zeitungen und Zeitschriften mit oder ohne Genehmigung des Autors oder seines Rechtsnachfolgers wiederzngeben, hat auf der letzte» diplomatischen Konferenz in Paris anläßlich der Verhandlungen über die Revision der Berner Ueber- einkunft zu langen Auseinandersetzungen und Diskussionen geführt. Schließlich einigte sich die Majorität auf folgende Fassung, die nach erfolgter Ratifikation an die Stelle des jetzigen Artikels 7 der Berner Konvention treten wird (siehe Zusatzvertrag vom 4. Mai 1896, Artikel 1, IV, Nachrichten aus dem Buchhandel 1896 Nr. 144): -Die Fcuilletonromanc mit Inbegriff der Novellen, welche in Zeitungen oder periodischen Zeitschriften eines der Verbandslander erscheinen, können weder im Original, noch in Uebersetzung in den andern Ländern ohne Genehmigung der Urheber oder ihrer Rechts nachfolger wicdcrgcgcbcn werden. -Das Gleiche gilt für die andern Zeitungs- oder Zcitschristen- artikel, falls die Urheber oder Verleger ausdrücklich in der Zeitung oder Zeitschrift, wo sic erscheinen, erklärt haben, daß sie deren Wiedergabe untersagen. Bei Zeitschriften genügt es, daß das Ver bot allgemein an der Spitze jeder Nummer ausgesprochen ist. -Fehlt das Verbot, so ist der Abdruck gegen Quellenangabe gestattet. -In keinem Falle jedoch erstreckt sich das Verbot auf Artikel zur Tagespolitik, auf die Tagesneuigkeiten und auf die -Vermischten Nachrichten-.- Indem wir eine eigentliche Besprechung dieses neuen Artikels auf denjenigen Zeitpunkt verspüren, in dem er wirklich in Kraft gesetzt werden wird und die un Schoße der Pariser Konferenz stattgefundenen Verhandlungen bekannt ge geben sein werden, können wir gleichwohl schon heute die Tragweite der auf diesem wichtigen Gebiete, das so viele Interessen berührt, vorgenommcncn Reform hervorheben. Es geschieht dies am besten auf die nämliche Weise, in der wir die Neuordnung des den Fremden in der Union einge- rüumten Schutzes beleuchtet haben (vergl. Nachr. a. d. Buch handel, Nr. 148, vom 29. Juni 1896), d. h. indem wir den zur Begründung der Notwendigkeit einer Revision dieses Punktes im Droit ck'.^utsur, dem offiziellen Verbaadsorgan der Berner Union, im Januar dieses Jahres erschienenen Aufsatz in Uebersetzung unfern Lesern mitteilen. In diesem Aufsatz bekommt man auch ein Bild der Regelung dieser Frage durch die einzelnen Landesgesetze und Litterarverträge, was der Arbeit bleibenden Wert sichert, sowie ein Bild der auf dem Gebiete der Prinzipien herrschenden Strömungen lieber das Recht der Wiedergabe von Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln. Gemäß Artikel 7 der (noch nicht abgeänderten) Berner Konvention können Zeitungs- oder Zeitschriftenartikel im Original oder in Uebersetzung wiedergegeben werden, es sei denn, der Autor oder Verleger habe deren Wiedergabe aus drücklich untersagt. Bei Zeitschriften genügt es, wenn das Verbot allgemein an der Spitze einer jeder Nummer ange bracht ist; in keinem Falle aber findet das Verbot auf Artikel politischen Inhalts und auf die Wiedergabe von Tagesneuig keiten und »Vermischten Nachrichten« Anwendung. Diese Bestimmung gehört zu denjenigen, die ein Schutz minimum aufstellen (vergl. Droit ä'^utsur, i895, 164 Nachrichten aus dem Buchhandel, 1895, Nr. 252: Das Grund prinzip der Berner Konvention). Uebrigens wurde bei der Vorberatung noch besonders darauf aufmerksam gemacht, daß diejenigen Verbandsländer, die hierin weitergehende Rechte zuerkennen wollten, dies thun könnten und namentlich von den auf ihrem Gebiet erscheinenden Zeitungen die Angabe der Quellen, woraus sie ihre Nachrichten schöpfen, verlangen dürften. Und in der That ist die Mehrzahl der Unions länder in der Lage gewesen, eine vollständige Beachtung des Autorrechts hinsichtlich der in der periodischen Presse veröffent lichten Materien zu verlangen, sei es, daß die internen Ge setzgebungen diesen Punkt für die Autoren günstiger regelten, sei es, daß die zwischen diesen Ländern bestehenden Sonder verträge in einem weniger engen Sinne abgefaßt waren. Dieser Umstand erklärt es denn auch, warum im prak tischen Verkehr die Unzuträglichkeitcn des Artikels 7 der Berner Konvention wenig zutage traten. Da aber dieser Artikel dergestalt hinter fast allen Landesgesetzen zurück geblieben ist, so ist es begreiflich, daß er von allen denjenigen, die ihn mit den erlangten Fortschritten in Uebereinstimmung bringen wollten, öfters kritisiert wurde. So haben sich denn mehrere Kongresse sehr energisch gegen den Zwang, auf die Zeitungs- und Zeitschriftenartikel ein besonderes Verbot der Wiedergabe setzen zu müssen, ausgesprochen. Namentlich aber wurde gegen die Gleichstellung der Feuilletonromane mit Zeitungsartikeln protestiert und zwar auf den Kongressen von Paris (1889), Bern (1889), London (1890), Wien (1893) und Mailand (Kongreß der Verleger, 1894). Indem wir nunmehr versuchen, die Frage nach allen Seiten zu beleuchten, wollen wir zuerst die eigentliche Trag weite der Berner Konvention ins Auge fassen, sodann die Sonderstellung der Feuilletonromane prüfen und endlich die Prinzipien klarlegen, die uns hinsichtlich der gegenseitigen Wiedergabe der von der Presse veröffentlichten Artikel maß gebend zu sein scheinen. I. Bestimmungen der Berner Konvention, der internen Gesetzgebungen und der Sonderverträge. Da weder der von der Association littsrairs st, artistigus internationale ausgearbeitete Entwurf eines Unionsvertrages, noch der Vorcntwurf des schweizerischen Bundesrates Bestimmungen über den Schutz der Zeitungs artikel in Aussicht genommen hatten, so tauchte diese Frage völlig unberührt erst auf der diplomatischen Konferenz des Jahres 1884 auf, wo sie durch das von der deutschen Delegation entworfene Frageschema in folgender Weise formuliert wurde: »Wäre es nicht nützlich, die gegenseitige Befugnis zur Wiedergabe von Zeitungs- und Zeitschriften artikeln im Original oder in Uebersetzung, aber mit Aus nahme der Feuilletonromane und der Artikel über Wissen schaft und Kunst, für die ganze Union einheitlich zu regeln?« Unter den gleichen Voraussetzungen schlug sodann die deutsche Delegation der im Schoße der Konferenz bestellten Prüfungskommission folgende Fassung des Artikels 9 des Ent wurfs vor: -9. Die in einem Verbandslande erschienenen Zeitungs- oder Zeitschristcnartikel können im Original oder in Uebersetzung in den andern Verbandsländern wtedergegeben werden.- -Diese Befugnis dehnt sich jedoch nicht aus auf die Wieder, gäbe der Feuilletonromane oder der wissenschaftlichen und Kunsl- ariikel im Original oder in andern Sprachen, ebensowenig wie aus die Wiedergabe der andern größeren aus Zeitungen oder Zeit schriften entnommenen Artikel, wenn deren Verfasser oder Verleger in der Zeitung oder in der Zeitschrift, welche sie veröffentlicht, ausdrücklich erklärt haben, daß sie deren Wiedergabe untersagen.» Trotz der Vorbehalte des Delegierten Schwedens und der Opposition des Delegierten von Haiti, die die freie Wiedergabe auch auf die wissenschaftlichen Artikel ausgedehnt wissen wollten, wurde diese Fassung mit großer Mehrheit an genommen; denn letztere Ausdehnung schien durch kein höheres praktisches Interesse geboten. Auf der Konferenz von 1885 aber brachte Herr Baetz- 668'