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über nahen Gebiete gesteigert und es traten nun bis zum 7. Mai andauernd die Depressionen in das Binnenland herein; immer ein Gebiet hoher Wärme, das durch die heisse Luft über der ungarischen Tiefebene gespeist wird, vor sich her treibend und kühlere dampfreiche Luft zurücklassend. Die Folgeerschein ungen mussten Gewitter sein, die in äusserst heftiger Weise sich entluden. In der Nacht zum 3. Mai tobten schwere Gewitter über ganz Süddeutschland, die in Baden vielfach mit Hagel auftraten, in Nordbayern mit Sturm und wolkenbruchartigem Regen verliefen. Auch das sächsische Vogtland wurde von diesem Unwetter berührt. Im Laufe des 3. Mai haben unter dem Einflüsse zahlreicher localer Depressionen über Mitteldeutschland wieder starke electrische Entladungen stattgehabt; in Sachsen wurde zwischen der 1. und 2. Nachmit tagsstunde die Gegend von der Vereinigungsstelle der beiden Mulden bis an die Jahnaquelle von einem heftigen Hagelschlag betroffen; zwischen der 3. und 4. Stunde war die sächsische Schweiz der Schauplatz electrischer Vorgänge, die sich gleichfalls mit Hagel einstellten; im weiteren Verlaufe des Nachmittags und zwar innerhalb der 5. Stunde entluden sich im Mandauthale ebenfalls Gewitter mit Hagel. Die Zugsrichtung aller dieser Unwetter ist von West nach Ost verlaufen. Die Wärmeaufzeichnungen unserer Stationen II. und III. Ordnung vom Mittag 2 h p. m. (Tafel I, Karte 2) geben auf das gemeinsame Niveau von 500 m reduzirt einen anschaulichen Beleg, welche Umstände der Entstehung dieser Unwetter günstig gewesen sind. In sehr geringen Entfern ungen haben zu jener Zeit in den Luftmassen sehr starke Temperaturdifferen zen bestanden, die durch den von Ost nach West fortschreitenden Wirbel in innige Berührung mit einander gebracht wurden und so zu den clectrischen Vorgängen und Hagelfällen geführt haben. Ueber den Waldcomplexen von Gohrisch bestand in 500 m Höhe eine Temperatur von 9.4 Grad, über der Station Bautzen war in gleicher Höhe die Luft 21.9 Grad warm, gleiche Wärme hatte auch die Luft über dem südlichen Elbthal (Königstein). Am Abend des 3. Mai waren auf der Druckvertheilungskarte im westlichen Europa nicht weniger als 3 Luftwirbel sichtbar, von denen der über dem Schwarz wald lagernde seinen Weg durch den nördlichen Theil Würtembergs und Bayerns genommen haben wird und in der Mitternachtsstunde die Westgrenze Sachsens erreichte. Diese Gebiete sind von schweren Gewittern, die sich mit Sturm und Hagel einstellten, berührt worden, so dass wohl bei mangelndem Material über barometrische Messungen die Annahme dieses Weges gerechtfertigt sein dürfte. Ueber Sachsen begannen die electrischen Entladungen 15 Minuten nach Mit ternacht, sie verbreiteten sich über das ganze westlich der Elbe gelegene Sachsen, östlich sind sie bis an das Ufer der Röder gemeldet worden. Von 12h 15m a . m. bewegte sich dabei von dem Thale der Schnauder, einem kleinen Nebenflüsse der weissen Elster, eine Hagelböe bis heran an den Waldbezirk von Hubertusburg, den sie kurz vor 2 Uhr Morgens erreichte. In der Folge zeigten nun die Zustände in unserer Atmosphäre fortwährend rasche Aenderungen, nur die Wärmeverhältnisse über Oesterreich-Ungarn erhalten sich bis zum 8. Mai andauernd hoch. Die Morgentemperaturen von Hermannstadt waren während dieser Tage durchschnittlich 8 — 10 Grad höher als die mitt leren Wärmebeträge unserer Küstenstationen. Rasche Wanderungen der Aspi- rationscentren sorgten dafür, dass kältere Atmosphärenschichten wärmeren Gebieten genähert wurden und so die Bedingungen zur Abspielung heftiger Gewitter sich fortwährend erhielten. Am Nachmittag des 4. Mai waren die ostdeutschen Gebiete der Schauplatz heftiger Gewitter, die sich ebenfalls mit starkem Regen und Hagel einstollten. Vom 5. zum 6. Mai wanderte eine Depression vom Canal in etwas nach Süd geneigter östlicher Bewegung quer durch Deutschland und führte so die dampfreiche, kühlere Luft herein nach östlichen Gebieten, wo die Wärme ungewöhnlich hoch ist. (Pest hatte am Morgen des 6. Mai 21 Grad Wärme.) Auch dieser Weg ist wiederum gekenn zeichnet durch heftige Gewitter, namhafte Regengüsse und vereinzelte Hagel striche. Das Königreich Sachsen wurde von diesen Vorgängen nicht direct berührt, die Meldungen von diesen Tagen sprechen nur von fernen Gewittern und leichteren Gewitterregen. Ein am Morgen des 7. Mai vor der deutschen Nordseeküste lagernder Luftwirbel verschwand wieder, ohne dass er einen Ein fluss auf die dynamischen Vorgänge der Atmosphäre über Sachsen gewann. In der Folge lagen nun mehrfach flache Depressionen über Nordost- und Südosteuropa, von denen die letzteren vorwiegend den Luftwechsel über Sachsen bestimmten. Ganz Sachsen wird überfluthet von feuchter, den nord westlichen Meeren entstammender Luft, die nun der Grund wird zu einer wesentlichen Abkühlung der Atmosphäre. Vom 5. Mai, an welchem Tage über Sachsen die mittlere Luftwärme um 4.4 Grad übernormal war , sinken die Wärme beträge beständig bis zum 13. Mai, wo sie um 6.6 Grad untemormal sich erweisen. Aber auch dieses Verdrängen der Wärme ist nicht ohne Entwicklung von electrischen Wolken vor sich gegangen. Am Vormittag des 6. Mai schon traten in unserem Erzgebirge, am Abend des 7. über der am westlichen Elb ufer gelegenen sächsischen Schweiz Gewitter auf. Trotz der kühlen Temperatur, die in der Folge fortbesteht, hörte die Gewitterneigung in der Atmosphäre ! durchaus nicht auf, ein Umstand, den man wohl der hohen Feuchtigkeit, mit j welcher die Luft beständig geschwängert erschien, zuschreiben muss. Die vernehmlichsten gewitterbildenden Factoren sind eben Temperatur und Feuch tigkeit, deren höherer Betrag jeweils auch die Tendenz zur Gewitterbildung erhöht. Die Vorgänge selbst sind jedoch sehr leichter Natur gewesen und haben sich nur local abgespielt. Vom 10. bis zum 14. Mai sind aus dem Netze Sachsens -täglich Meldungen über solche leichte, locale Gewitter einge gangen. Das Ungewöhnliche an diesen Erscheinungen waren die anhaltenden und starken Niederschläge, die dabei herabgingen. Dieselben waren über das ganze Land verbreitet und in ihren Höchstbeträgen erreichten sie durchschnitt- [ lieh 15 mm innerhalb 24 Stunden. Die Hydrometeore über Sachsen Hessen bis zu dieser Zeit schon eine ganz beträchtliche Anomalie erkennen. Es fielen J vom 28. April an täglich über Sachsen Niederschläge und zwar in meist ver breiteter und recht ergiebiger Form. Es sei bereits vorgreifend erwähnt, dass i die Regenverhältnisse des Mai auch in der Folge auffallen durch ihre Häufig- i keit und Stärke. Mit ganz geringen Ausnahmen sind an den sächsischen Stationen, wie man aus der Niederschlagsvertlieilung dieses Monats ersieht, über 100 mm gefallen, in Georgengrün sogar 199, dabei war die Regenhäu figkeit eine so hohe, dass nur an einem einzigen Mittage dieses Monats an allen Stationen keine Niederschläge gemessen werden konnten. Am Morgen des 13. Mai überraschten die Niederschläge durch ihre Form, es fiel an allen Stationen über 300 m Höhe Schnee und die herrschende Nordluft brachte der artige Kälte, dass auf den Gebirgskämmen ein nicht unbedeutender Frost ein trat (Reitzenhain — 4.8). Am 14. Mai nun kommt in eine längere Zeit über der Adria stehende Depression Bewegung, schon am Morgen des 15. Mai hat sich ihr Centrum nach dem Grossherzogthum Baden verlegt und es melden die süddeutschen Stationen namhafte Regenfälle. Auf die meteorologischen Zustände über Sachsen bewirkte dieser Vorgang zunächst nur eine Drehung der Nord strömung nach Nordost und Ost, und es hob sich dabei die Temperatur ziem lich rasch. Sie erreichte am 16. Mai ihren Normalbetrag wieder und schwankt um denselben bis zum Ende der 2. Dekade. Ein weiteres Verfolgen der Luftdruckvertheilung wird nun sehr erschwert durch die Bildung zahlreicher, neuer Depressionscentren über dem Süden Frankreichs, Deutschlands und Un garns. Ihre Bahnen lassen sich indess mit einiger Sicherheit bei mangelnden Angaben über Luftdruck verfolgen mit Hilfe der Unwetter, welche zur genann ten Zeit beobachtet wurden. Hiernach wird es wahrscheinlich, dass das am 15. Mai über Baden stehende Centrum sich fast genau nördlich hinauf nach Mitteldeutschland zu bewegt haben wird, wo es am Morgen des 16. Mai auf der Vertheilungskarte sichtbar wird. Diese Bahn ist wiederum gekennzeichnet durch stärkere Niederschläge und Gewitter, die bis heran an den Westen Sach sens sich ausdohnten. Die nun folgenden Vorgänge in den Zuständen der Atmosphäre bilden die Vorbedingungen zu der Katastrophe, deren Betrachtung uns obliegt. Schon die Vertheilungskarte vom Morgen des 16. Mai zeigt neben dem schon genann ten Wirbel drei neue cyclonale Windsysteme über dem Süden Frankreichs, Deutschlands und Oesterreich-Ungarns, Systeme, die der Wetterprognostiker sofort als solche erkennt, welche die Entstehung von Gewittern befördern. Im Laufe des Tages verlegen dieselben ihre Centren mehr nordwärts und es er scheint am Morgen des 17. Mai das ganze Gebiet zwischen Rhein und Oder als der Tummelplatz localer Depressionen (cf. Tafel II, Karte 1). Die meteorischen Erscheinungen, welche sich zufolge der Bewegung dieser Luftwirbel speciell über Sachsen ereigneten, sind ziemlich verwickelter Natur. Mit Hilfe j der beigegebenen Karten (cf. Tafel I, Karte 3—8 über die Luftdruck- und I Temperaturverhältnisse) wird man zu der folgenden Analyse geführt: