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10. Schienen die Wolkenmassen auf der Erde zu liegen? Wann Hessen sich besonders auffallende Wolkenbildungen schon wahmehmen? Von woher kamen sie und wie war ihr Aussehen? 11. Wann begann das Hochwasser und wie lange dauerte es? (Es soll hier bei namentlich angegeben werden, wann das Wasser die meist an den Elussläufen sich hinziehenden Wege überfluthete und von wann an die selben wieder frei waren.) Sind diese Zeitangaben zuverlässig, oder beruhen sie nur auf nachträglicher Schätzung? 12. Wie hoch stieg das Wasser, namentlich über die in 11 genannten Wege? War diese Wasserhöhe an allen Stellen des Ortes dieselbe? Ist in der Wasserhöhe der Einfluss von Stauungen an Brücken, Dämmen etc. zu erkennen gewesen? Wo lagen diese Stellen vom Beobachtungsort aus? Beruhen die Höhenangaben auf Schätzungen oder auf Messungen und welchen ? 13. Waren mehrere Anstiege des Wassers wahrnehmbar und woher können diese hergerührt haben? 14. Welche Schäden hat das Wasser an Leben von Menschen und Thieren, an Wegen, Brücken und Gebäuden bewirkt, wo waren dieselben am grössten? Konnten auch derartige Schäden am Wasserlauf ausserhalb des Wohnortes wahrgenommen werden? Befanden sich dann an solchen Stellen Brücken oder sonstige Hindernisse des Wasserlaufes? Wo befin den sich diese Stellen vom Beobachtungsort aus? 15. Konnten auf den höher liegenden Eluren Schäden durch fallende oder abfliessende Eegenwasser wahrgenommen werden und waren dieselben von Bedeutung? Nach welcher Richtung zu waren sie am meisten zu erkennen? 16. Wie war die Witterung vor und nach dem besonders starken Regenfall? Hat es am Tage vorher geregnet oder fanden Gewitter statt mit oder ohne Regen oder Schlossen? Wann waren diese Erscheinungen? 17. Falls ein besonders starker Regen nicht stattfand, wie war der Witter ungsverlauf in der Zeit der Katastrophe, welche von 6 Ehr Abends am 17. Mai bis zum Morgen des 18. Mai gerechnet werden kann? 18. Ist der Einfluss irgend welcher Gebirgszüge, sogenannter Wetter scheiden u. s. w. erkennbar gewesen und wie hat sich ein solcher geäussert? 19. Sind noch andere Beobachtungen und Thatsachen anzuführen, welche in den vorstehenden Fragen nicht berührt sind, welche aber von Wichtig keit erscheinen? Ehe ich nun in die Behandlung des Stoffes eintrete, will ich noch kurz scizziren, welchen Weg ich bei der Aufarbeitung desselben gegangen bin. Zunächst galt es, möglichst scharf die bedingenden Ursachen dos Un wetters kennen zu lernen. Diese wird man zu suchen haben in den dynami schen Vorgängen unserer Atmosphäre während der in Betracht kommenden Tage. Diese wiederum werden bedingt durch die Wärme- und Feuchtigkeits- Verhältnisse der Luft an jenen Tagen. Somit wird die Erforschung der eigent lichen Ursache der Katastrophe basiren auf der Verfolgung der Bahnen der Depressionscentren, auf der Art der Vertheilung der Wärme und der FeuqJjr..^ = tigkeit in der Atmosphäre. Die Folgeerscheinungen dieser Bewegungsvorgänge und dieser* Zustände unserer Atmosphäre werden nun auf das Genaueste auf Grund 4er eingegangenen Berichte studirt werden können. - Dabei habe ich mich befleissigt, \um das Material 1 mögtyjhst vollständig aufzubrauchen, diese Erscheinungen an der Hand 'der Antworten auf die 'einzelnen'•gestcfitep Fragen zu erörtern. Diesem Zwecke dienten vor Allem die Fragen 1 bis 10. Die hauptsächliche Ursache der eigentlichen Verheerung ist aber in der durch den fallenden Regen erzeugten Ueberfluthung der einzelnen Gebiete zu sehen, so dass, nachdem die eigentlichen Naturereignisse des Unglückstages fixirt waren, die Arbeit eine mehr kritische werden und vor allen Dingen die Frage beantworten musste, haben die gefallenen Regenmengen eine solche Mächtigkeit gehabt, dass sie auf alle Fälle in jedem Terrain von jenen verheerenden Folgen begleitet sein mussten, wie sie uns aus der Lausitz berichtet wurden, oder trägt vielleicht die Eigenart der topographischen Verhältnisse der betroffenen Gegend die Schuld an den empfindlichen Folgen des Regensturzes? In dieser Weise, glaube ich, den Leser am leichtesten zu oiner Nutzanwendung dieser auf so weiter Basis unternommenen Arbeit führen zu können, zu der Einsicht nämlich, dass der menschliche Fleiss hier vor Allem sich auf Schöpfung geeigneter Culturarbeiten lenken muss, die den verheerenden Folgen solcher Katastrophen Einhalt thun können, dass bei der Regulirung von Flussläufen, der Anlegung von Brücken man darauf Bedacht nimmt, dass die Flüsse und Bäche, ja die unbedeutendsten Wasseradern der Lausitz früher oder später ganz ähnliche Wassermassen zu Thal zu führen haben, wie in den jüngst vergangenen Jahren 1880 und 1887. Nicht immer wird es dem Meteorologen leicht, seinen Un tersuchungen eine praktische Seite abzugewinnen, oft genug vermag er wohl in das Wesen einer Erscheinung einzudringen, er kennt ihre Ursachen und kann wohl mit einem gewissen Grade von Wahrscheinlichkeit die Folgen ab messen; so lange er aber nicht die Kräfte eindeutig definiren kann, die in den einzelnen Zeitmomenten die Bewegung unseres Luftozeans und damit unsere Witterung bestimmen, so lange wird auch die praktische Witterungskunde nicht den Nutzen haben können, den man so ungestüm von ihr verlangt. Möchte man doch einsehen, dass, um diese Wissenschaft auf jenen vollkom menen Standpunkt zu erheben, gewiss noch Jahre über rein wissenschaftlichen Untersuchungen vergehen werden, denen man eine praktische Nutzanwendung nicht ohne Weiteres absehen kann, die aber — und da sollte man sich auf die Männer verlassen, von denen sie unternommen werden — dem Zwecke dienen, früher oder später der Menschheit Nutzen zu bringen. Dasselbe Ziel hat mir auch bei der vorliegenden Arbeit vorgeschwebt. Möge sie dem Leser und besonders den Bewohnern der Oberlausitz vor Augen führen, dass nicht ein „unerklärliches Verhängniss“ über einem der gesegnetsten Theile unseres Vaterlandes waltet, sondern dass die Gebirgs-, Wald- und Fluss verhältnisse jener Gegend die Schuld an den so häufig dort aufgetretenen Verheer ungen tragen, gegen die sich zu schützen aber glücklicherweise noch in der Macht der Menschheit liegen dürfte. I. Die allgemeinen Witterungszustände im Nordwesten Europas während der ersten beiden Dekaden des Mai 1887. Mehr wie jeder andere Monat liebt es der Mai in die Witterungs Ver hältnisse Abwechslungen der sonderbarsten Art zu bringen. Bekannt genug sind ja die eigenthümlichen Kälterückfälle, die mehr oder weniger stark, wenn auch nicht regelmässig an den kritischen Tagen, Pancratius und Servatius, so doch mit grosser Wahrscheinlichkeit innerhalb der ersten oder zweiten Mai dekade zu erwarten sind, und die wegen ihres schädigenden Einflusses auf die entwickelte Vegetation gefürchtet genug sind. In dem Grunde ihrer Ent stehung scheint mir auch die Erklärung dafür zu liegen, dass der Mai bereits eine relativ hohe Gewitterhäufigkeit besitzt und, soweit die Hagelstatistik Sach sens gegenwärtig einen Schluss zulässt, auch Hagelwetter verhältnissmässig häufig sich im Mai ereignen. Wenn man beispielsweise annehmen wollte, dass die Wärme allein bestimmend auf die Gewitterperiode wirkt, so müsste nach 20jährigen Durch- schnittswerthen der Wärme über Sachsen vom Mai bis September die Gewitter- vertheilung die folgende sein: Mai Juni Juli August September 15.3 20.5 23.7 22.2 18.3 Prozent. Die Vierteltagsmeldungen über Gewitter während der 3 Jahre 1884 —1886 ergeben aber wesentlich andere Häufigkeitszahlen. Ausgedrückt in Prozenten der gesammten Vierteltagsmeldungen während dieser Monate entfallen auf Mai Juni Juli August September 23.1 25.5 27.7 16.4 7.3 Prozente. Es zeigt sich also, dass gegenüber der berechneten Gewitterfrequenz die beobachtete im Mai Juni Juli August September eine um + 7.8 + 5.0 -f- 4.0 — 5.8 — ll.o