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O V w O V t. Die vorliegende Arbeit wurde unternommen, um eine klare Vorstellung über das Wesen derjenigen Witterungs vorgänge zu erlangen, welche die so häufig wiederkehrenden Ueberschwemmungen in der Lausitz bedingen. Ehe man an die Frage herantreten kann, welche Maassnahmen zu ergreifen sind, um solche Katastrophen zu verhindern, oder doch in ihren schädlichen Folgen abzuschwächen und zu erkennen, in wie weit man bei baulichen Anlagen auf sie Rücksicht zu nehmen hat, ist in erster Linie die genaue Kenntniss der Erscheinung in ihren Einzelheiten uöthig. Derartige meteorologische Untersuchungen müssen stets in zweifacher Weise vorgenommen werden. Zuerst hat man die Vorgänge auf einem möglichst grossen Terrain, in dessen Centrum die von den aussergewöhnlichen Witterungserscheinungen betroffenen Gegenden liegen, vor und nach der Katastrophe in grossen Zügen zu verfolgen. Hierzu bieten die Arbeiten der Kaiserlich deutschen Seewarte ein ganz wesentliches Hilfsmittel. Täglich zwei- resp. dreimal gehen diesem Institut Mittheilungen über die Witterungsbeobachtungen in ganz Europa telegraphisch zu und werden in den täglichen Wetterberichten sofort zur Publication gebracht. Ist auch das Netz der bei diesen Zusammen stellungen zu Grunde zu legenden meteorologischen Stationen sehr weitmaschig, so ist es doch dicht genug, um vom Morgen, Mittag und Abend eines jeden Tages sich ein Bild von den Witterungszuständen machen zu können. Dies sind die Hilfsmittel, welche sofort zu Gebote stehen. Ausführlichere Darstellungen lassen sich vornehmen, wenn die Aufzeichnungen der sämmtlichen meteoro logischen Stationen benutzt werden. Derartige Studien sind aber erst wesentlich später, meist nach Ablauf von Jahren möglich und sind, da nur von wenig Stationen die Publication der vollständigen Beobachtungen erfolgen kann, immer mit Umständlichkeiten verknüpft. Glücklicherweise werden die in Böhmen so zahlreich angestellten Regenmessungen, Dank der Energie des Herrn Prof. Studnizka in Prag sehr rasch und in grosser Vollständigkeit publicirt, so dass wir in der Lage waren, dieselben verwenden zu können. Der zweite Tlieil der Untersuchung aussergewöhnlicher Witterungsvorgänge in einem kleineren Bezirk erfordert eingehende Mittheilungen von möglichst vielen Stellen des betroffenen Gebietes und den in nächster Nähe um dasselbe gelegenen Ortschaften. Das „Wie“ der örtlichen Erscheinungen in allen Einzelheiten lassen dieselben erkennen. Durch Verbindung der speciellen örtlichen Vorgänge mit den allgemeinen Witterungsverhältnissen erhält man ein Bild, welches die örtlichen Erscheinungen erst richtig hervortreten lässt und wodurch manches klar und verständlich wird, was entweder falsch oder gar nicht erfasst werden könnte, wenn man sich auf das Studium der örtlichen Erscheinungen allein verlassen wollte. Der Nutzen solcher Untersuchungen ist ein mehrfacher. Man lernt die örtlichen Erscheinungen genau kennen, vermag aber auch dadurch, dass ein kleinerer Tlieil eines der umfassenderen Vorgänge in der Atmosphäre über Europa specioller untersucht worden ist, noch weitere Schlüsse auf das Wesen dieser grösseren Phänomene vorzunehmen und so die Wissenschaft zu fördern. Besonders erwartet man aber aus solchen Arbeiten Nutzen für das practische Leben. Ob und wie weit ein solcher herausspringt, das kann man nie sagen, man kann nur als Erfahrungssatz hinstellen, dass manche wissenschaftliche Arbeiten oft rascher und vielseitiger im practischen Leben nutzbar gemacht werden konnten, als man vermuthet hatte, dass aber wieder andere, auf die man viel Hoffnung gesetzt hatte, sich wenig fruchtbar zeigten.