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27 Die geringsten mittleren Durchschnittswerthe kommen tatsächlich den Stationen westlicher Lage, Plauen, Zwenkau, Elster, zu. Ob hier die grössere Nahe an den Zugsstrassen der ozeanischen Wirbel und vielleicht die grössere Frequenz localer Wirbel über östlichen Gebieten, von denen — was die herab geschickten Regenmengen betrifft — die letzteren den ersteren voranstehen wer den, von entscheidendem Einflüsse sind, das würde eine ausführliche Unter suchung aller Regenfälle und der sie erzeugenden Aspirationscentren über Sachsen erfordern. 3. Einen stark erhöhenden Einfluss scheint die Wald- und die Thal- oder besser Schluchtenlage einer Station auf die mittleren Maximalbeträge zu haben. Die hohen Beträge von Grüllenburg, Hinterhermsdorf, Georgengrün einer seits und von Rehefeld und Tharand andererseits dürften hinreichende Belege für diese Annahme sein. Es heben sich diese Orte innerhalb einer 24jährigen Zeitperiode in der Tabelle deutlich ab als die Schauplätze der bedeutendsten Wassergascondensationen. Auch mit den physikalischen Prinzipien dürfte diese Annahme nicht im Widerspruch stehen. Bekanntlich ist ja die Luft über Wäldern weit dampf reicher als über imbewaldetem Terrain. Ein Wirbel nun, der auf seiner Wan derung an einen Wald gelangt und hier die darüber lagernde Luft zum Auf stieg zwingt, wird hier nicht nur weit mehr Wasser zur Condensation bringen, als über Gegenden mit trockenerer Luft, er wird auch durch das dabei frei werdende, grössere Quantum von Condensationswärme in gesteigertem Maasse an auftreibender Kraft gewinnen. Ob weiter bei der Lago einer Station in einer engen Schlucht durch den hier geringeren Luftwechsel, zufolge dessen sich die Luft zuweilen mehr mit Feuchtigkeit wird sättigen können, als an Stationen mit ungehindertem Luftaustausch, sich ganz analoge Vorgänge abspielen, will ich hier nicht entscheiden. Meines Erachtens liegt der Grund der stärke ren Wasserdampf-Condensationen in einer Schlucht in jenen Stauungs- und Expansionsvorgängen der Wolkenmassen, die ich schon auf Seite 10 berührte, in denselben Vorgängen, welche am 17. Mai jene verheerenden Niederschläge im Kemnitzer Thalkessel hervorgerufen haben werden. Die sich vor dem Ein gang zu einer Schlucht stauenden Wolkenmassen werden beim Eintritt in die selbe zusammengedrängt und dadurch von der gleichzeitig mit verdichteten Luft gehoben. Es entsteht ein Aspiriren der Luft und gleichzeitig eine Expansion der Wolken nach oben. Beide Factoren sind aber der vermehrten Wasseraus scheidung günstig. In einigen Jahrzehnten wird das gegenwärtig auf 170 Stationen ange wachsene Regennetz Sachsens, in welchem grosse Verschiedenheiten in der individuellen Lage bestehen, Material genug bieten, um zu entscheiden, ob diese Annahme der Wirklichkeit entspricht. Diejenige Zahl nun, welche uns in der vorstehenden Tabelle besonders interessirt, ist der durchschnittliche Betrag der Maximalniederschläge über Zittau. Sowohl verglichen mit der Nachbarstation Bautzen, als auch mit den übrigen Stationen gleicher Höhenlage ist dieser Betrag ein hervorragend hoher, so dass also aus dieser Untersuchung, soweit 24jälirige Beobachtungen einen Schluss zulassen, das Resultat hervorgeht, dass über der südlichen Lausitz die Maximalniederschläge auffallend stark aufzutreten pflegen. Auch die mittlere Veränderlichkeit dieses klimatologischen Factors hat für Zittau einen verhältnissmässig hohen Betrag, sie kommt denen der Wald stationen und den Stationen mit Thallage sehr nahe. Die mittlere Verän derlichkeit giebt aber offenbar Zeugniss darüber, ob die fallenden Nieder schläge sich durch besondere Extreme auszuzeichnen pflogen oder nicht. Man wird also in dem grösseren Betrag der mittleren Veränderlichkeit auch eine höhere Wahrscheinlichkeit für den Eintritt etwaiger Wasserkatastrophen erblicken müssen. Auch in diesem Sinne also können sich nach den Beobachtungen von Zittau die Niederschläge für die südliche Lausitz gefahrdrohend gestalten. Wenn dem nun aber wirklich so ist, dass die mittlere Veränderlichkeit der Maximalniederschläge an einer Station ein Maasstab für die grössere oder geringere Wahrscheinlichkeit des Eintrittes einer Wasserkatastrophe über diesem Orte ist, so müssten, soweit hierüber ein wurfsfreie Zahlen entwickelt werden konnten, die Stationen Georgengrün, Rehefeld, Grüllenburg, Dresden, Huber tusburg und Tharand in gleicher Weise, sogar noch häufiger und empfind licher von verheerenden, meteorischen Vorgängen betroffen werden. Tritt man diesem Gegenstände näher, so wird man zu dem Resultat geführt, dass, soweit unsere meteorologischen Annalen dazu Anhalt geben, die beträchtlichsten Regen fälle allerdings über den vorgenannten Orten in Sachsen herabgegangen sind; mehrere derselben werden uns sogar als Wolkenbrüche bezeichnet. So fiel am 9. Mai 1867 in einer Viertelstunde (von 4 h 45—5 h 00 p. m.) über Huber tusburg ein mit Schlossen untermengter Regen, dessen Messung 31.4 mm betrug. Im Jahre 1881 ging in der Umgebung von Tharand ein Wolkenbruch nieder, der die Stadt stark beschädigte. Nachdem bereits am 25., 26. und 27. und am Vormittag des 28. von 10 h 15 m bis 11h Gewitter mit massigem Regen aufgetreten waren, entlud sich von 12 h 15 m bis nach 3h<)0 ein Gewit ter, das in den benachbarten Dörfern mehrfach zündete, im Walde zahlreiche Bäume zerschmetterte und von 121130 m bis lh3om sich in einem Wolken bruche ergoss, der 58.25 mm Regenhöhe lieferte. In dem Zuflussgebiete des Schlaitzbaches, an welchem Tharand liegt, und welches etwa 18 Quadratkilo meter beträgt, fielen in dieser Zeit sonach mindestens eine Million Kubikmeter Wasser, welche, da die Erde von den Regengüssen der drei voraufgegangenen Tage, die 20 mm Wasserhöhe lieferten, schon durchfeuchtet war, zum grössten Theile rasch zum Thal abflossen. Ein ähnlicher, nur wenig schwächerer Regen fiel in Tharand am 7. September 1879 während eines Gewitters, bei welchem von 3hoo bis 3 h 35 mp. m. 30.98 mm Regenhöhe gemessen wurde. Der stärkste Regen zufolge der vorstehenden Tabelle der 24 ständigen Regenmaxima fiel über Dresden vom 9. zum 10. Juli 1886, seine Messung betrug 102 mm. In diesem Jahre hesassen wir bereits das wesentlich erwei terte Regennetz in Sachsen, auf Grund dessen dieser exzessive Regenfall eine ausführlichere Bearbeitung und eine graphische Darstellung *) erfahren hat. Derselbe hatte sein Maximum über dem Elbthale, es fielen in Pirna 156 mm, eine Menge, welche die bis zum Jahre 1886 vorhandenen Messungen von Maximalniederschlägen nicht annähernd erreichen, und nur von denen von Kemnitz (140 und 160 mm) während der Katastrophe erreicht wurden. Jedoch ist hier mit in Erwägung zu ziehen, dass dieser mächtige Regen nicht bei Gelegenheit eines Gewitters herabstürzte, sondern ein über 20 Stun den anhaltender Landregen war, so dass also seine Dichte pro Stunde 7.8 mm betrug. Schon in dem Gewitterberichte des Jahres 1886 habe ich bei Gelegen heit der Besprechung der Gewittervorgänge im Elbthale bis herauf nach Dresden darauf hingewiesen, dass die höhere Insolationswirkung des Elbsandsteingebirges und besonders der weiten Sandflächen der Dresdner Haide befördernd auf die Auflockerung und den Auftrieb der Luft wirken und intensivere Gewitter und Regenstürze hervorzurufen im Stande sind. Das kommt von Neuem in den Zahlen der mittleren Veränderlichkeit der Maximalniederschläge zum Ausdruck. Ich will diesen Gegenstand nicht verlassen, ohne darauf hingewiesen zu haben, dass ganz ähnliche Resultate über das Verhalten der Maximalnieder schläge G. Hellmann in einer verdienstvollen Monographie**), welche sich auf ein zwar weniger dichtes, aber meist 10 Jahre mehr umfassendes Beobachtungsnetz gründet, für Norddeutschland herleiten konnte, auch Assmann ***) vermochte schon aus einem vierjährigen Beobachtungsmaterial ein ganz eigenartiges Ver halten in der Vertheilung der grössten Niederschläge in seinem Gewitternetze von Mitteldeutschland zu erkennen. Trotzdem sich nun über unserem Vaterlande eine Reihe von Gegenden nachweisen lassen, über welchen mindestens eben so dichte Regenfälle, wie am Tage der Katastrophe in der Lausitz niedergingen, so sind uns doch nicht Nachrichten überliefert, welche Kunde brächten von ähnlichen, verheerenden Folgen, wie sie in den geschichtlichen Annalen dieses Landestheiles leider nicht vereinzelt zu finden sind. Was trägt also, so fragt man sich, die Schuld, dass gerade dieser Theil unseres Vaterlandes von solch schweren Folgen heimgesucht wird? Diese Frage ist andeutungsweise im Laufe des Berichtes schon mohr- *) cf. Jahrbuch des Königl. sächs. meteorologischen Institutes, Jahrg. 1886, Anhang III und Tafel XXIV. **) II eil mann. Grösste Niederschlagsmengen in Deutschland, mit beson derer Berücksichtigung Norddeutschlands. ***) Assmann. Die Gewitter Mitteldeutschlands.