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22 während der Nacht hatte. In der Zeit von 12—2 Uhr üherfluthete das Wasser einen grossen Theil der Dorfstrasse, die parallel dem Flusslaufe angelegt ist. Im Oberdorfe konnte sich das Wasser über die Wiesen verbreiten, der Lauf war von da an bis zur Mündung in die Neisse nicht mehr auf das enge Pliessnitzthal beschränkt. Die Höhe der Ueberschwemmung auf der Dorf strasse betrug etwa einen halben Meter. Grossen Schaden hat durch die Ueberfluthung das Braunkohlen werk erfahren. Der niedrig gelegene Theil des Grubenfeldes war in der Höhe von 1 m überfluthet und infolge des gewaltigen Druckes des Wassers entstand ein Bruch, durch den sich dasselbe mit grosser Vehemenz in die unterirdischen Grubenbaue ergoss, die Grube vollständig unter Wasser setzte und die Pumpen verschlemmte, so dass die Kohlenförderung bis zur Entwässerung der Werke wieder eingestellt werden musste. Schon die Hochwässer vom Jahre 1880 zwangen dieses Werk durch die verursachten Schäden zu einer längeren Ar beitseinstellung. Kurz vor ihrer Einmündung in die Neisse empfängt die Pliessnitz noch einen Zufluss aus Sachsen, die Gaule, welche von den Höhen bei Dittersbach kommend, die Orte Dittersbach und Kiesdorf durcheilt und hier am Tage der Katastrophe namhaften Schaden hervorgerufen hat. Das über Dittersbach hereingebrochene Unglück ist um so schwerer, als dort, ebenso wie in Witt gendorf, mehrere Menschenleben den entfesselten Gewässern zum Opfer fielen. Der Pastor des Ortes, Herr Pfarrer Brösel, war im Begriff sich und seine Familie aus dem etwa 100 Schritt von der Gaule entfernt stehenden Pfarr- hause zu retten, ein Kind auf dem Arme haltend, hinter sich eine Dienst person. Nach der einen Meldung habe der Pfarrer die Brücke überschreiten wollen, die in demselben Augenblicke von den Fluthen verschlungen wurde, nach einer anderen Mittheilung sei er schon auf dem Wege von dem reissen den Strome erfasst worden, in welchem er nebst seinem Kinde und dem Dienst mädchen einen unerwartet raschen Tod fand. Das Hochwasser begann 3 /il0 Uhr und dauerte bis 12 Uhr. Kurz nach 11 trat eine neue Steigung des Hochwassers ein, herrührend von einem Dammdurchbruche in dem südwestlich gelegenen Walde, der sogenannten Hölle. Der Schaden an Wegen und Brücken im Orte wird allein auf 4000 Mark ge schätzt. In Kiesdorf begann das Hochwasser gegen 10 Uhr und dauerte bis ungefähr 2 Uhr Morgens. In ganz kurzer Zeit waren die an der Gaule gelegenen Wege unter Wasser gesetzt. Die Höhe des Wasserstandes auf diesen Wegen hat durchgehends 1 Meter betragen. In Oberkiesdorf fiel das Wasser plötzlich, als die mittlere Brücke den Fluthen zum Opfer fiel, so dass also starke Stau ungen durch dieselbe verursacht worden sein mussten. Ausser dieser Brücke wurden noch zwei weitere vollständig zerstört, eine andere sehr tief unter waschen. An zwei Stellen ist die Strasse total zerrissen und an vielen Stellen bis auf das Steinlager ausgewaschen worden. Auch in den am Wasserlauf gelegenen Wohnungen hat das eingedrungene Wasser verschiedenen Schaden verursacht. Die auf der rechten Seite des Baches gelegenen Bauerngüter haben besonders durch das massenhaft herabstürzende Feldwasser zu leiden gehabt. Unzweifelhaft lag, wie wir bereits sahen, das Centrum der mächtigsten Niederschläge über dom mittleren Pliessnitzthale und doch ist hier, trotzdem die Fluth an Menge die vom Jahre 1880 sicherlich überragte, die Ka tastrophe an Furchtbarkeit hinter der des Jahres 1880 zurückgeblieben; Dank der Belehrungen, welche das Jahr 1880 den Bewohnern des Thaies gebracht hat. Jene engen und schmalen Brücken, welche der ersten Fluth zum Opfer fielen, waren ersetzt worden durch weite Brücken ohne Bogen, das Flussbett war von den eingebauten oder angeschwemmten Ufergärtchen und von wuchern dem Gestrüpp befreit worden, die in nächster Nähe des Wasserlaufes gelegenen Wohnungen befanden sich wieder in neuem baulichen Zustande. „So wälzten sich“, sagt eine Zeitungsnotiz, „in unaufhaltsamer, aber ruhiger Eile ohne irgend welche ernste Hemmung die'Wogen vorüber an den Orten, wo vor erst sieben Jahren sich eine mächtige Hochfluth unter den furchtbarsten Verheer ungen ergossen hatte.“ Wir wenden nun schliesslich unsere Blicke noch auf das letzte vom Hochwasser heimgesuchte Flussgebiet, auf die Verheerungen im Thale der schwarzen Schöps. 5. Das Hoclmasser der schwarzen Schöps. Seine Quellen hat dieser Bach in jenem Gebiete, über welchen nach den eingegangenen Nachrichten die heftigsten Niederschläge während jener Nacht herabgegangen sind, nämlich auf dem Hochplateau, von welchem der Kemnitzer Thalkessel ausläuft. Von sächsischen Orten berührt derselbe nur die Orte Obersohland, Mittelsohland, Niedersohland, die er mit starkem Gefälle durcheilt, und Oehlisch. Bei Niedersohland und kurz vor Oehlisch empfängt er aus dem Osten und Südosten kommende Zuflüsse. Bei Obersohland wird das Thal im Westen vom Kothstein begrenzt, der sich von der Bachsohle aus steil erhebt und dieselbe um 200 m überragt. Hier am Fusse des Kothsteins sind die angerichteten Verheerungen fast schlimmer als 1880. In Mittelsohland begann das Hochwasser 10h30mp. m. und dauerte bis gegen 1 Uhr Morgens. Die Wasserhöhe auf der Strasse betrug 1 m, im Niederdorfe begann die Fluth 10 h45 und hatte sich in der zweiten Morgen stunde wieder verlaufen, hier hat das Wasser, von der Bachsohle aus gerechnet, genau 2 m 20 cm Höhe gehabt. An der Brücke der Lö bau- Görlitz er Chaussee stauten sich die Wassermassen so gewaltig, dass dieselbe unter der Wucht der anstürmenden Wogen zusammenstürzte. Eine grosse Menge Klein vieh fand in den Fluthen den Tod. Mehrere Häuser wurden stark beschädigt, ein Nebengebäude wurde von den Wellen fortgespült. In Mittelsohland werden die Comnranschäden auf 5 — 6000 Mark angegeben. Infolge des bergigen Terrains haben auch die anliegenden Fluren empfindlich gelitten; die Kartoffel äcker sind vollständig neu zu bestellen. Schaudererregend muss hier das Bild der Zerstörung gewesen sein, welches sich dem Beobachter beim Gang durch das Dorf bot. Auch in Oehlisch, einem kleinen Orte mit mehreren am Flusslaufe angebauten Mühlen, sind die Schrecken des Hochwassers furchtbar gewesen. Hier währte dasselbe von 3 k 12 bis in die 7. Morgenstunde. In der sogenannten Hönischmühle reichte das Wasser bis zu den letzten vier Stufen im zweiten Stockwerk. Nur mit äusserster Mühe war es möglich, das Vieh zu retten, mehrfach kam dasselbe in den Fluthen um. Die beiden Brücken vor und hinter der Steinmühle sind weggerissen, das zu diesem Müh lengrundstücke gehörige Stall- und Eemisengebäude wurde aus dem Grunde total herausgerissen und zertrümmert Der Schaden an Wirthschaftsgeräthen ist hier gross. Bei einer dritten Mühle ist zunächst der prachtvolle Garten verschwunden, die hohen Umfassungsmauern wurden niedergelegt, die Mahl- vorräthe sind weggeschwommen. Die Verluste an Mahlvorräthen sind in allen Mühlen, abgesehen von den sonstigen grossen Schäden, schon ganz bedeutend. Prachtvolle Keihen Bäume, die ein Alter von circa 50 Jahren erreicht haben, sind herausgerissen und weggeführt worden. Auch nach dem Uebertritte auf preussisches Gebiet sind die Verheer ungen grossartig. An einem Zuflusse zur Schöps liegen die preussischen Orte Mengelsdorf und Eeichenbach. Hier wurden die Steinbrücken zweier Chausseen (die nach Görlitz und die nach Königshain) von den Fluthen verschlungen, die nach Meuselwitz wurde derartig demolirt, dass sie nicht mehr befahrbar ist. In der Malzmühle hat das Wasser ein Gebäude mit sämmtlichen Mehl- und Getreidevorräthen fortgeführt, im Niederdorf sind fünf Häuser zum Theil ganz weggerissen, zum Theil bis zum Abbruch schadhaft gewor den. In Mengolsdorf wurden die Teichdämme vom Drucke des Hochwassers durchbrochen. Aus Meuselwitz liegt uns vom 21. Mai ein Zeitungsbericht über das Hochwasser vor, dort heisst es: „Trotzdem in den jener Schreckens nacht folgenden Tagen gar mancher Schaden schon ausgebessert ist, so bietet unser im Thale der Schöps so schön gelegenes Dorf doch immer noch einen sehr traurigen Anblick dar. Die Kanäle und Brücken liegen noch eingestürzt da, die viele Centner schweren Decksteine liegen zum Theil auf den Wiesen. Nur ein ganz geringer Theil der weggeschwemmten Holzvorräthe ist mühsam aus weiter Entfernung wieder herbeigeschafft. Ein Anbau, der durch Unter waschung der Fundamente unbewohnbar geworden ist, ist bereits abgetragen. Zu bedauern ist, dass gerade der ärmere Theil der Dorfbewohner von dem Unglück betroffen ist. Auch die hiesige Brauerei und die Mühlen in Krob- nitz und Meuselwitz haben viel gelitten. In letzteren dürften für viele Hundert Mark Mehl unbrauchbar geworden sein. Wer ein solches Bild der