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19 dem wüthenden Elemente zum Opfer gefallen. Ein zweites in sehr gutem baulichen Zustande sich befindendes Haus ist von den Wogen in einen Trüm merhaufen um gewandelt worden, und eine ganze Zahl weiterer Gebäude haben starke Beschädigungen erlitten. Die Dorfstrasse ist zum weitaus grössten Theile so zerwühlt, dass ein Fährverkehr ganz unmöglich ist. Sechs Brücken und alle Stege sind gänzlich zerstört; kurz — überall bot sich hier dem Auge ein entsetzliches, trostloses Bild der Zerstörung. Gleich ungünstig lauten die Nachrichten aus Hirschfelde. Dort stand das Wasser theilweise sogar höher als im Jahre 1880. Die Strassenbriicke ist von dem Hochwasser der Neisse arg mitgenommen worden, so dass sie einzustürzen droht. In der grossen, an der Neisse erbauten Mühle und Flachs spinnerei stand das Wasser über einen Meter hoch in den Fabriksälen und Mühlräumen, es bedurfte hier einer sechstägigen, umfassenden Arbeit unter militärischer Beihilfe, um überhaupt den Betrieb der Fabrik wieder aufnehmen zu können. Dem Besitzer soll ein enormer Schaden — man schätzt denselben auf 100000 Mark ■— erwachsen sein. An der oben genannten Spinnerei beginnt das Neissethal sich rasch zu verengern. Die Abhänge dieses engen Thaies sind dicht bewaldet und die Ufer haben wenig Eaum für Ansiedelung von Menschen, so kommt es, dass wir hier auf einer nahezu 5 Kilometer langen Strecke auf keine von Menschen bewohnte Gegend stossen. Kurz vor dem Eintritt in dieses Thal empfängt aber die Neisse vorerst noch einige Wasserarme aus östlichen Gebieten, den Kipper mit dem Schladebach, und aus westlichen, den Kemlitzbach. An den beiden erstgenannten Bächen liegen die Orte Lichtenberg, Oppelsdorf, Markersdorf Reichenau und Türchau, am Kemlitzbach, Burkersdorf und Schlegel. Wie schon die Vertheilungs karte des wolkenbruchartigen Regens zeigt, werden die östlichen Zuflüsse weni ger Verheerungen gebracht haben als die westlichen. In Lichtenberg, eine ausserordentlich quellenreiche Gegend, ist der noch kleine, im Niederdorfe gehende Bach durch das von den Höhen herabfliessende Wasser zwar stark angeschwollen, ausser einer unwesentlichen Beschädigung einer Ufermauer hat er aber keine Schäden verursacht. Auch in Oppelsdorf, wo von 1 / i ll Uhr Abends bis 3 Uhr Morgens die Wege überfluthet waren, ist ein nennenswerther Schaden nicht entstanden. In Markersbach, wie auch in den noch weiter östlich liegenden Hermsdorf und Dittersbach ist der Dorfbach, der von 10—12 Uhr zwar viel Wasser führte, nicht aus seinen Ufern getreten. Schäden sind nur auf den Fluren durch Abschwemmen der Ackerkrume infolge des starken Regens entstanden. Auch in Reichenau und Türchau ist das Wasser nur an niederen Stellen über die Ufer getreten, in Niederreichenau hat es von 10h3()m p. m. bis 4 h oo a. m. bis zu 20 cm über den tiefsten Wegstellen gestanden und einige anliegenden Gärten versandet. Viel ernsterer Natur sind die Zerstörungen im Gebiete des Kemlitzbaches. In Dittelsdorf, Schlegel und Burkers dorf wurden zahlreiche Gebäude demolirt, die Brücken wurden weggerissen j so dass der Verkehr mit den umliegenden Orten vollständig unterbrochen war. In Schlegel, wo das Wasser von 10—12 Uhr Abends etwa 1 m hoch über die Wege stieg, betrug bei einer Seelenzahl von 780, nach dem Urtheile Sachver ständiger, der angerichtete Schaden allein 20000 Mark. Am empfindlichsten war derselbe von der Mitte bis zum Ende des Dorfes. Die Ursache dieser hervorragenden Beschädigungen will man hier in dem Umstande sehen, dass im Laufe der Zeit das Wasserbett mehr und mehr verengert worden ist, und die massiven Mauerkronen der Brücken und starke, hohe Bäume am Ufer zu gefahrdrohenden Stauungen Veranlassung gehen. Der Dorfbach vermochte die grossen Wassermassen nicht mehr zu fassen und sehr bald nahm hier der Strom seinen Weg auf der Strasse weiter, ging durch Fluren und Gärten und trat in die anliegenden Häuser ein. Der fruchtbare Boden von den Gärten wurde weggeschwemmt, Zäune zerrissen, und das Stangen-, sowie Holz- und Balken werk und leichtere Baulichkeiten bei den Häusern von dem Strome mit fort geführt. Namentlich sind die Wohnungen, da das Gewässer von der Kirche bis zum untersten Theile des Dorfes ein Gefälle bis zu 15 Metern gewinnt, sehr mitgenommen worden. Nach Verlauf des Wassers sah man am andern Morgen allerwärts dicke Schlammmassen in den Stuben, Gewölben und Haus fluren. Die drei nach der letzten Wasserflut!! neuerbauten Dorfbrücken in den beiden Ortschaften haben zwar tapferen Widerstand geleistet, immerhin sind aber die neuen Opfer für die Gemeinde wieder bedeutend. Die durch so zahlreiche Zuflüsse verstärkte Neisse läuft nun durch das obenerwähnte, enge Thal des Klosterwaldes, aus welchem sie beim Kloster Marienthal und den sich daran anschliessenden Gebäuden von Kloster Frei heit und Altstadt wieder heraustritt. Das Hochwasser kam hier in der 4. Morgenstunde an und erreichte etwa um 11 Uhr Vormittags seinen höchsten Stand. Bis zum Nachmittag 3 Uhr des 18. Mai überfluthete es die Wege jener Orte und überstieg dieselben zeitweise bis zu einer Elle. Von hier an konnten die Bewohner der Neisseufer deutlich zwei Anstiege des Wassers unter scheiden, von welchen der erstere den näher gelegenen Zuflüssen entstammte, die früher ihr Wasser in die Neisse ergossen, als das durch die Mandau und ihre Zuflüsse bedingte Hochwasser ankam. Es haben sich also die den wolken bruchartigen Regen herabschickenden Wolken wesentlich rascher bewegt, als die Hochwässer in diesen Flussgebieten der Lausitz. Auf der genannten Thalstrecke empfängt nun die Neisse aus dem quellenreichen Klosterwalde zahlreiche kleine Wasseradern, die meist aus engen Schluchten zur Neisse herabstürzen; die bedeutendste derselben ist der durch Königshain führende, in dem idyllischen Kapellengrunde hinfliessende Königs- hainer Dorfbach. Die Verheerungen, welche diese Bäche und das Hochwasser der Neisse in dem engen Thale verursachten, waren noch lange Zeit ersichtlich an den Verwüstungen, welche der sich im Flussthale hinziehende Weg er fahren hatte. In Königshain standen von '/all bis 11 Uhr die Wege unter dem Hochwasser des Dorfbaches; dabei wurden mehrere Stege weg gerissen, die Ufermauern an vielen Stellen stark beschädigt, Wege aufge rissen; namentlich ist ausserhalb des Ortes viel Schaden an den Fluren durch Wegschwemmung guten Bodens und Versandung der Wiesen entstanden. Die Teichabflüsse von Blumberg haben sogar so viel Wasser gefasst, dass sie ’/a Elle hoch die anliegenden Dorfwege unter Wasser gesetzt und mehrfachen Schaden an Bachufern erzeugten. Von Ostritz an bis zur Landesgrenze durchfliesst die Neisse ein weites Wiesenthal; die hier durch das Hochwasser stattgehabte Ueberschwemmung hat, da die menschlichen Ansiedelungen jedenfalls schon infolge des häufigen Austretens des Wassers sich vorwiegend auf den anliegenden Höhen erheben, das bewegliche Eigentlium nicht gefährdet. Die Schäden betreffen hier vor zugsweise nur das Ackerland. Nach den eingegangenen Berichten sind diesel ben aber auf den Fluren von Ostritz, Grunau und Leuba ziemlich bedeu tend gewesen. Aus Grunau wird uns berichtet, dass die Fluth eine derartige Grösse angenommen, dass man sich dort nicht erinnern konnte, ein Hochwasser von derselben Höhe erlebt zu haben. Zwischen Grunau und Oberleuba empfängt die Neisse einen namhaften Zufluss, den Steinbach, an dessen Ufern sich aber kein Ort erhebt, so dass uns über die Vorgänge in diesem Thale verlässliche Angaben fehlen, jedenfalls aber ist die Wassermenge, welche dieser Bach der Neisse zugeführt hat, sehr bedeutend; er entquillt dem Klosterwald, nicht weit von Dittersbach a. d. E., er kam also ebenfalls aus einem Gebiete starken Regens. In Niederleuba gelangt das Flussbett der Neisse wieder dicht an die Gebäude heran, das Hochwasser trat bis zu 75 cm über die Dorfwege, drang ln viele Wohnungen ein, rief indess weniger Schaden an sonstigem beweg lichen Eigenthum hervor, da bereits der Tag wieder angebrochen war (Morgens 8 Uhr) als die Hochwässer ankamen; Nachmittags 3 Uhr waren die Wohnungen und die Strassen wieder frei vom Wasser. Am Stift Joachim stein ver lässt die Neisse das sächsische Gebiet und vereinigt sich zugleich mit der Wittig, die, vom Isergebirge kommend, theils böhmisches, theils preussisches und theils sächsisches Gebiet durchfliesst. Auch dieser Fluss hat der Neisse bedeutende Wassermengen zugeführt. Am Zusammenfluss beider stand das Wasser an der Neissebrücke 2 1 , , 2 m über dem normalen Stande. Hier hatte die Hochfluth in einer Breite von l 1 /* km (Strasse nach Radmeritz und Zittauer Chaussee) das ganze Terrain unter Wasser gesetzt. An den Ufern der Wittig sind sächsische Orte nicht angebaut, es fehlen uns daher auch verbürgte Nachrichten über die dortigen Vorgänge; die Wittig