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15 das Thal flankiren, die in dem 480 m hohen Kälberstein und in dem 427 m hohen Hohberg gipfeln. In diesem engen Thale brachten die sich anwälzenden Ruthen für die Bewohner neue Gefahren. Um 1 Uhr Nachts kam hier das Hochwasser an und stieg in gleichem Tempo bis 2h3oma. m., von da an trat langsame Abnahme ein. Das Wasser stieg 3 m über das gewöhnliche Niveau, und an den nördlicheren Stellen, wo das Ufer durch Mauern eingeengt wird, betrugen die Pegelmessungen sogar 4 m über Normalstand. Durch den Anprall starker Holzstämme, die vom Wasser mitgeführt wurden, wurde eine hölzerne Spreebrücke total zerstört; besonders gross aber ist hier der Schaden an Ufermauern. Einzelne Häuser waren ganz vom Wasser umspült, bis zu 1 m hoch erfüllte es Ställe und Wohnräume. Die Wiesen an den Ufern sind total verschlemmt. Das nahe gelegene Kirschau hat ebenfalls empfindlich gelitten; hier erreichte das Hochwasser seinen Höhepunkt zwischen 2 und 3 Uhr Morgens. An den Uferwegen stand das Wasser 1.5 m hoeh. Hölzerne Brücken wurden demolirt und in den Wohnungen, worein das Wasser drang, sind vielfach die Pussböden gehoben worden. Hinter Kirschau erweitert sich das Spreethal von Neuem. In dem nächstgelegenen Orte Baderwitz ist zwar das Hochwasser, das hier in der 4. Morgenstunde seinen höchsten Stand erreicht haben soll, bemerkt worden; nennenswerthe Schäden hat dasselbe hier aber nicht mehr hervorge rufen. Die Strasse nach Rodewitz, die durch eine Brücke die Spree kreuzt, hat zu starken Stauungen Anlass gegeben. Ganz ebenso schadlos verlief das Hochwasser in dem Wiesengrunde von Rodewitz. Hier begann gegen 2 Uhr Morgens das Wasser enorm zu steigen, (bis zu 1 m über den Normalstand) um die Mittagszeit des 18. Mai war das alte Niveau wieder erreicht. Nach dem Berichte des nun von dem Spreelaufe berührten Ortes Eulowitz ist durch die Beschädigung einer Brücke ein Schaden von 200 Mark entstanden, ernstere Schäden werden aber auch hier nicht mehr genannt. Vor den nun folgenden Dörfern Post witz und Haynitz verengert sich das Spreethal wieder, so dass hier wesentlich höhere Wasserstände zur Beobachtung gekommen sind. Nach genauen Zeitangaben trat hier das Hochwasser 3 h 30 m a. m. ein und erreichte um 6 Uhr Morgens den höchsten Stand, darnach ging es nur allmählich zurück. Der Wasserstand der Spree ist hier genau gemessen worden, er erreichte mit seinem Höchstbetrage 3.48 m, während bei normalen Verhältnissen der Wasser spiegel zwischen 30 und 45 cm schwankt. Seit der Katastrophe vom 4. Juni 1804 ist dies der höchste hier zur Beobachtung gekommene Wasserstand der Spree gewesen. In manchen Häusern stand das Wasser 40 — GO cm hoch, über die Uferwege hat es sich bis zu 52 cm Höhe erhoben. Die Schäden betrafen auch hier nur die Gebäude der Uferbewohner, sie hielten sich in bescheidenen Grenzen. Hinter Haynitz tritt die Spree in eine weite Ebene ein; die in ihr liegenden Ort schaften DÖb schütz und Oberg urig haben ihre Gehöfte etwas abseits der Spree, ufer aufgeführt, so dass die ankommenden Gewässer wenig mehr Schaden ver ursachten, als dass sie die anliegenden Wiesen überschwemmten und theilweise ver- schlemmten. Das den Ufern näher gelegene Singwitz meldete nur die Ankunft des Hochwassers gegen 5 Uhr Morgens, das sich auch hier ohne jeden Schaden bis zum Mittag wieder verlaufen hatte. Schlungwitz, Doberschau, Gröb- schütz und das nun folgende Bautzen durcheilt das Hochwasser ohne Schaden zu verursachen, immerhin hat ek den Einwohnern durch seine auffallende Höhe die erste Kunde davon gebracht, dass im Oberlande ausserordentliche meteorische Vorgänge sich ereignet haben mussten. Hydrologisch ist vielleicht nur noch die Angabe unseres Verwalters der meteorologischen Station zweiter Ordnung zu Bautzen von Interesse, dass das Hochwasser hier um 7 Uhr Morgens beginnt, wo es 3 Zoll gestiegen war; bis 8 h 30 m stieg es sodann andauernd stark und dürfte um 9 h 30 m seinen höch sten Stand erreicht haben. Auf diese Zeitangabe könnte man eine näherungs weise Berechnung der Bewegungsschnelligkeit der Wassermassen beim Hochwasser der Spree gründen. Von allen Hochwasser führenden Flüssen der Lausitz vom 17. zum 18. Mai dürfte die Spree am geeignetsten zu einer derartigen Berech nung sein, da ihr Lauf nur durch die gewaltigen um den Spreequellen nieder gegangenen Regenmengen gespeist wurde; die Anstiege an allen betroffenen Orten nur einmalige waren, weil Nebenflüsse aus niederschlagsreicheren Gebie ten diesem Flusse nicht zugeführt wurden. Von den kleinen Teichen, welche am Ostende des Dorfes Ebersbach von den dem Kottmar entquellenden ersten Wasseräderchen der Spree gespeist werden und die an den Westausgang von Walddorf angrenzen, bis zur Spreebrücke, welche von Bautzen nach Seidau führt, habe ich die Länge des Flussbettes der Spree mit Hilfe der topographi schen Karte 1 : 25000 auf 46.9 Kilometer berechnet. Zwei Berichte aus Ebersbach geben ferner übereinstimmend den Beginn des Wasseranstieges des Dorfbaches im Oberdorfe auf 8 h 30 m p. m. an, so dass bis zur Zeit 7 h 00 Morgens, wo die Ankunft des Hochwassers in Bautzen sich anzeigte, 10 Stun den 30 Minuten verflossen waren. Daraus folgt für die Ruthen eine durch schnittliche Bewegungsschnelligkeit von 4.47 Kilometer pro Stunde oder 1.24 m pro Secunde. Nach den Höhenmanualen liegt nun die Flussbettsohle der Spree am Ostausgange von Ebersbach bei 381.8 m, die an der Chausseebrücke über die Spree zwischen Bautzen und Seidau bei 175.4 m, so dass ein Gefälle von 206.4 m. auf diese Entfernung besteht. Diese auf die vorstehende Weise berechnete Schnelligkeit, die offenbar nur annähernde Resultate liefern kann, ist, verglichen mit einigen auf streng wissenschaftlichem Wege an anderen Flussläufen mit Hilfe von Schwimmer - und Flügelmessungen ausgeführten Berechnungen, eine verhältnissmässig geringe. Vergleichsweise sei hier nur erwähnt, dass die sorgfältigen Arbeiten des Vorstandes der hydrometrischen Seetion von der hydrographischen Commission des Königreichs Böhmen, Pro fessor Harlacher, in der Elbe bei Tetschen bei den verschiedenen Pegelstän den zu folgenden Resultaten *) geführt haben: Pegelstand: j +5.38 +4.33 +3.14 +2.47 +1.97 +1.32 Mittlere Geschwindigkeit des : 2 43 2 40 2 .16 L96 L84 L63 Elbwassers in m pro Secunde: j Pegelstand: Mittlere Geschwindigkeit des j Elbwassers in m pro Secunde: j + 1.05 +0.50 +0.35 —0.006 -0.30 —0.35 1.43 1.24 1.17 1.01 0.80 0.78 Die Geschwindigkeit des Spreewassers während der Hochfiuth (1.24 m) würde also genau dieselbe gewesen sein, die das Elbwasser bei Tetschen bereits bei einem Wasserstande von 0.50 m besitzt. Die zahlreichen Windungen, die mit Verengerungen und Erweiterungen des Flussthaies abwechseln, ferner die Stauungen des Wassers an Brücken durch die mitgeführten Hölzer, Bretter und dergleichen haben offenbar die Bewegung des Hochwassers ausserordent lich modifizirt. Von unberechenbarem Vortheil für die Bewohner des Spreethaies ist der Umstand gewesen, dass die Zuflüsse zur Spree an jenem Tage aus regen armen Gebieten herabkamen; die Spreequellen allein also die Zufuhr für das Hochwasser lieferten, mehrfache Anstiege und raschere Erhöhung des Wassers bei Einmündung von Nebenflüssen blieben also hier ausgeschlossen. Bei weitem ungünstiger lagen die Verhältnisse für die Thalbewohner der Mandau und der Neisse, zu deren Schilderung ich mich jetzt wende. 2. Das Hochwasser der Mandau und ihrer Nebenflüsse. Der Mandau wurde am Tage der Katastrophe zunächst direct durch den Oderwitzer und den Leutersdorfer Dorfbach das über Walddorf in so beträcht lichem Maasse gefallene Regenwasser zugeführt; diese Nebenflüsse liegen nun aber selbst mit ihren Tliälern in ihrer ganzen Länge innerhalb des Gebietes sehr starken Regens, sie wurden also fortwährend gespeist durch die von den angrenzenden Höhen zu Thal stürzenden Wassermengen. Die durchschnitt liche Höhe der über diesen Thälern gefallenen Regenmengen wird man auf 80 mm annehmen können; daraus würde sich ergeben, dass auf einen Quadrat meter dieses Gebietes 80 Liter Wasser fielen, ein Quadratkilometer Landes wäre überschüttet worden von 80 Millionen Liter oder 80000 Kubikmeter Wasser, deren grössere Hälfte jedenfalls in die Thäler gelangt und den Was serarm genährt haben wird. Nun hat das Thal des Oderwitzer Dorfbaches eine ungefähre Bodenfläche von 30 Quadratkilometern, während das des Leu tersdorfer Dorfbaches etwa zu 10 Quadratkilometern angenommen werden kann. Ueber der ersteren Fläche sind daher während der verhängnisvollen Nacht *) Die hydrometisehen Arbeiten in der Elbe bei Tetschen von Professor Harlacher, (Publication ,VIl der hydrometrischen Seetion der hydrographischen Commission des Königreichs Böhmen.) Prag 1883.