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12 derselbe uns giebt. Ein Blitz ist in die Kugel des einen Thurmes hineingefahren, auch sonst sollen die Blitze nur so herumgezuckt, und in einem Falle solche starke Feuerstrahlen in die Wohnung des Thürmers hineingeworfen haben, dass derselbe, wie er deutlich gefühlt hat, am Hinterkopfe gestreift wurde und -— durch die Aufregungen während der übrigen Nacht jedenfalls mit veranlasst — graue Haare (!) bekommen hat. Er erzählt uns ferner, dass er seit jener Zeit am Hinterkopfe Stechen fühle. Jedenfalls ist die Situation des Thürmers bei solchem Unwetter eine recht unangenehme.“ In dem Zittau benachbarten Orte Eckartsberg donnerte es heftig, ja eine halbe Stunde lang folgte sich hier un unterbrochen Schlag auf Schlag, zwischen dem dumpf rollenden Donner fielen dabei mehrfach heftige Schläge, gegen 11 Uhr Nachts schlug der Blitz in eine neben einem Bauerngute stehende Pappel, deren Binde er aufriss und Holzsplitter um herstreute; gegen x / 2 10 Uhr wüthete hier ein Sturm. Aus Oberullersdorf und Hartau, die nach dem Zittauer Gebirge zu gelegen sind, kommen eben falls Meldungen über Blitzschläge, die glücklicherweise ohne Schaden verliefen. In Mittelweigsdorf haben nach Aussage eines Waldarbeiters Blitzschläge in dem Walde stattgefunden, von hier aus wurde überdies der Aufgang eines durch Blitzschlag entstandenen Schadenfeuers in dem etwa 8 Kilometer östlich gelegenen, böhmischen Orte Friedland beobachtet. Durch die königliche Brand versicherungskammer wird uns weiter ein nicht zündender Blitzschlag auf ein Gebäude in Hirschfelde bei Zittau mitgetheilt, der um 9 1*45 m p- m. herabging. Zahlreich sind die Berichte über die ausserordentliche Heftigkeit der Gewitter über dem Eigengebiete und vor Allem über dem Pliessnitzthale. In Oberruppersdorf rückten die Gewitter aus dem Süden heran und standen gegen 10 Uhr über dem Orte, dabei schlug ein Blitz in den Kirchthurm, ein zweiter in eine 60 m von einem Gehöfte entfernte Pappel. Cunnersdorf, Bernstadt, Schönau und Berzdorf berichten in gleicher Weise über starke Gewitter; in Berzdorf zerschlug der Blitz eine zum Niederdorfe gehörige Birke. Ebenso heftig wurde das Thal der Gaule mit den Orten Dittersbach und Kiesdorf betroffen; in Kiesdorf waren die Blitze von zahlreichen, starken Don nerschlägen begleitet, deren Schall mit einem lauten Krachen und Klirren zu vergleichen war. Einzelne Blitze gingen in nächster Nähe des Ortes nieder, haben aber Gebäude oder sonstige hervorragende Punkte verschont und keinen bemerkenswerthen Schaden angerichtet. Dabei herrschte hier meist Sturm aus Südost. Wie die Niederschläge, so scheinen auch die Gewitter am heftig sten am Südabhange des Kothstein, über dem Kemnitzer Kessel niedergegan gen zu sein. In Oberkemnitz waren die senkrecht herabfahrenden, grellen Blitze von gewaltigen Donnerschlägen gefolgt, der Blitz schlug in der Nähe des Ortes auf der Sohlander Strasse in zwei Baumpfähle ein, den einen quer durehsplit- ternd, den anderen am unteren Ende (?) treffend. Die heftigsten Schläge geschahen zwischen 9 h 15 und 9h45p.n1. Aus dem Gebiete stärkster Gewitter nördlich vom Kothstein liegt noch eine Meldung vor aus Kleinradmeritz. Hier folgte sich Blitz auf Blitz bei fortwährendem Donnergrollen. Im Orte selbst gingen drei starke Schläge nieder; 10 h45 p. m. erfolgte ein Doppel schlag, der die Schäferei oder Fritzschkau entzündete, die auch bis auf die Umfassungsmauern niederbrannte. Wenn man die Orte, aus denen diese Berichte stammen, verfolgt, so genügen sie vollkommen, um die Kichtigkeit der bereits anderweit gefundenen Bahn des Gewitterheerdes von Neuem darzulegen. Zwei derselben lassen noch eine weitere, wissenschaftliche Ausbeute zu, die sich auf die Schnelligkeit der Be wegung des Gewitterzuges bezieht. Dieselbe wird theils aus den Isobrontenkarten berechnet, theils aus dem Fortschreiten der Hauptphase des Gewitters; beiden Methoden haftet meines Erachtens nach eine grosse Willkür an, so dass auch die Eesultate noch mit Vorsicht aufzunehmen sein dürften. Ein etwas weniger unsicheres Mittel für die Berechnung dieser Geschwindigkeiten würden die Zeit angaben bieten, an welchen über verschiedenen Orten Blitze herabgegangen sind, von denen man sicher ist, dass sie ein und demselben electrischen Wol kenheerde entstammen. Nimmt man an, dass die letztere Voraussetzung für das Gewitter vom Abend des 17. Mai zutrifft, so bieten sich in den Zeitan gaben der beiden Blitzschläge über Hirschfelde bei Zittau (9 h 45 m p. m.) und über der Schäferei Fritzschkau (10h45mp. m .) Mittel zur Berechnung der Ge schwindigkeit seiner Bewegung. In genau einer Stunde würde sich hiernach der electrische Wolkenheerd um eine 26 Kilometer (Luftlinie) lange Strecke fortbewegt haben. Nach den bisher über die mittlere Bewegungsschnelligkeit der Gewitter bekannten Zahlen *) ist dieses Ergebniss, falls die Bahn des Gewitterwirbels von Hirschfelde bis Kleinradmeritz nicht noch weitere Complicationen zeigt, die zu ent decken mit den gegebenen Hilfsmitteln nicht möglich wäre, ein wesentlich unternormales. Es würde diese Erscheinung aber vollkommen mit den Beobacht ungen sich decken, welche von den Bewohnern des Kemnitzer Thalkessels gemacht wurden, nach welchen der Gewitterheerd, gezwungen durch die vor lagernden Berge, lange Zeit in dem Kessel verweilte und hier zu jenen anhal tenden und verheerenden Niederschlägen führte. Es mögen hier noch vergleichsweise die Zahlen angeführt sein, die in Bayern aus Isobrontenkarten in den Jahren 1882—1887 für die mittlere stündliche Geschwindigkeit der Gewitter ermittelt wurden. Jahrgang. Mittlere stündliche Geschwindigkeit. Anzahl der Züge. 1882 39.0 km 154 1883 42.6 „ 167 1884 41.7 „ 162 1885 44.0 „ 154 1886 37.7 „ 150 1887 36.5 „ 196 Die mittlere stündliche Fortpflanzungsgeschwindigkeit würde sich hieraus zu 40.2 km ergeben, also noch 14.2 km höher, als die des durch den Kemnitzer Kessel gegangenen Gewitterwirbels. Es erübrigt nun noch an dieser Stelle einiger Mittheilungen über ganz eigenartige Erscheinungen während der Katastrophe zu gedenken, die, da sie von glaubwürdigen Personen uns übermittelt wurden, es verdienen, in diesen Bericht aufgenommen zu werden. Aus Oberseifersdorf ging uns über die Vorgänge während des Gewit ters die folgende Nachricht zu: „Es blitzte selten, die Blitze waren aber von aussergewöhnlich starkem und lang aushaltendem Donner begleitet. Die Blitze sahen hell, blau aus, hatten meist senkrechte, selten schräge Richtung. Drei Blitzschläge wurden in grosser Nähe beobachtet. Man hat den Blitz sich kugelförmig herum wälzen sehen, während im nebenliegenden Wirthshause die Wahrnehmung gemacht wurde, der Blitz habe den Kirchthurm getroffen, habe sich aber dort in zwei Ballen aufgelöst, die einzeln herabgefallen seien. Spuren sind jedoch nicht gefunden worden“. Die Erschütterung war aber so heftig, dass die Möbel des Wohnzimmers unseres Berichterstatters bewegt wurden. Wie gewaltig die electrische Vertheilung gewesen sein muss, welche die tiefgehenden Gewitterwolken über jener Gegend hervorriefen, davon zeugt der Umstand, dass mehrere Leute in Dittersbach a. d. E. das St.-Elmsfeuer während des Unwetters beobachteten. Es ging uns darüber aus Obercunnersdorf eine Karte folgenden Inhalts zu: „Eben jetzt erfahre ich, dass während des Un wetters, welches die südliche Lausitz im Mai d. J. verheerte, auch das so selten beobachtete St.-Elmsfeuer gesehen worden ist. In Dittersbach a. d. E. sah der dortige Müller während des grössten Unwetters Abends in der 10. Stunde an den drei nach oben und den nach beiden Seiten gerichteten Windmühlen flügeln hellleuchtende Lichtbüschel stehen, welche längere Zeit nicht ver schwanden, so dass dies auch seine Leute sehen konnten. Da um diese Zeit der dortige Pfarrer nebst seinem Söhnchen und Dienstmädchen ertranken, so glaubte der abergläubische Müller und diejenigen, denen er es erzählte, diese Erscheinung damit in Beziehung bringen zu müssen.“ Endlich wird uns aus Bernstadt noch geschrieben: „Der Donner während des Gewitters war anders als gewöhnlich, einzelne Leute wollen dabei an unter irdisches Bollen erinnert worden sein.“ Eine ähnliche eigentümliche Mit theilung kommt aus Kunnersdorf auf dem Eigen: „Gegen 12 Uhr Nachts, heisst es da, verspürte man ein ungewöhnliches, unterirdisches Rollen, als wenn ein Wagen schnell gefahren käme, dieselbe Erscheinung wurde etwa 10 Minuten später noch einmal wahrgenommen.“ *) cf. Deutsches meteorologisches Jahrbuch 1887. Beobachtungsäystetn Bayern. Jahrgang IX.