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dass ich die ersten Entladungen des Gewitters als von Süd herkommend hielt. Die Farbe der starken und häufigen Blitze, sowie deren Richtung und Form ist bei einem solchen Aufruhr der Elemente wohl von Niemandem beobachtet worden. Schreiber dieses kann nur angeben, dass die häufigen Blitze uns mit dem Wasser Kämpfenden als willkommene Leuchte dienten, um sich in der stockfinsteren Nacht einigermassen orientiren zu können.“ Innerhalb der 9. Abendstunde beginnt nun (Tafel III, Karte 5) ein ent schiedenes Fortrücken deff Regengebietes auch auf östliche Theile der südlichen Lausitz. Auf der genannten Karte sehen wir neben dem noch fortbestohenden, südwestlich vom Kottmar lagernden Regengebiete ein weiteres um den Südlauf der Neisse entstehen, welches besonders die Thäler des Eckartsbaches, des Wittgens baches und die aus dem Süden kommenden Dorfgewässer von Sommerau und Reibersdorf betrifft; weiter tritt nun aber gleichzeitig über dem östlichsten Grenz streifen Regen ein, der die Orte Trattlau, Wanscha und Weigsdorl' in sich begreift, und wahrscheinlich auch nach Böhmen hinübergriff, wo er besonders schwer das Thal der Wittig heimgesucht hat. In dem weiteren zeitlichen Verlaufe des Regens zeigt sich die deutliche Tendenz der drei auf Karte 5 sichtbaren Gebiete sich zu vereinigen; innerhalb der 10. Abendstunde wird die ganze südliche Lausitz mit Ausnahme der Quellgebiote der Spree und des vom Mandauthale und dem Zittauer Gebirgsstocke begrenzten südlichsten Grenzstreifens von strömendem Regen überschüttet. Während dieser Zeit begannen auch die electrischen Ent ladungen, welche das genannte Gebiet betrafen, an Heftigkeit zu gewinnen. Die folgende Stunde machte nun die noch immer gehegte Hoffnung der Bewohner unserer Lausitz, es möchte ihnen eine gleich furchtbare Katastrophe wie die des Jahres 1880 erspart bleiben, vollkommen zu nichte. Unablässig ergossen sich die Wolken fast über der ganzen Lausitz in der 11. Abend stunde in dichtem Regen, nur ein ganz schmaler Streifen des Ostens um den Quellgebieten der nach der Wittig abfliessenden Gewässer und das Thal der Gaule blieben während dieser verhängnissvollen Stunde regenfrei. Das nach 11 Uhr erfolgende Nachlassen in der Ergiebigkeit des Regens, sowie das all mählich gänzliche Auf hören desselben besonders im Mandau- und Neissethal konnten die bereits eingetretene Wasserkatastrophe nicht mehr verhindern. Wie aus Karte 8 folgt, dauert zwar nach 11 U. 00 der Regen noch über den dem Zittauer Gebirge entströmenden Zuflüssen der Mandau und ebenso über dem Flussgebiete des Oderwitzer Dorf baches fort, die Ueberschwemmungen des Mandau- thales waren aber durch die Ereignisse der vergangenen Stunden bereits zu einer Furchtbarkeit angewachsen, dass der bis gegen Mitternacht über diesen Gebieten andauernde schwächere Regen sie zwar verlängern, aber nicht mehr erhöhen konnte. Das Hauptregengebiet zeigt nun im weiteren Verlaufe eine raschere Bewegung nach Norden; nach 11 Uhr umfasst es in breitem Streifen das Gebiet des Löbauer Wassers. Die Zuflüsse der Hauptwasseradern der südlichen Lausitz, Mandau, Neisse und Pliessnitz, ragen nicht mehr in dieses Gebiet, so dass es zur Charakterisirung der Katastrophe einer weiteren eingehenden Verfolgung nicht bedarf. Die Mehrzahl der eingegangenen Berichte über diesen Regen um die Mitternachtszeit gehen mehr oder weniger auseinander. Derselbe hatte durch aus keine auffallende Ergiebigkeit mehr, es rief auch der Stand des Löbauer Wassers eine wesentliche Sorge um die Bergung von Besitzthum nicht hervor, so dass dem ganzen Ereignisse hier infolge der späten Nachtzeit überhaupt j wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Eine grössere Zahl von Bericht- [ erstattem aus dem Thale des Löbauer Wassers geben an, dass sich hier leichtere Regenfälle bis in die 3. Morgenstunde hinein fortsetzten. In raschem und ungehemmtem Laufe verpflanzt sich nun die Depression j und das sie begleitende Regengebiet durch Schlesien, Posen und Pommern und ! lagert am Morgen des 18. Mai 8hoo a. m. bereits über der Ostsee zwischen Kopenhagen und Swinemünde, wo die Witterung trüb und regnerisch sich ge- j staltete. Auf der Südseite des Wirbels klarte die Witterung wieder auf, speciell ! auch über unsere Lausitz schickte die Maisonne wieder ihre Strahlen; hier aber | spendete sie ihr Licht einer Stätte unsäglichen Unglückes. Die Arbeit vieler i Tausend fleissiger Menschen, die sich auf den Erntesegen freuten, sie lag durch j die Ereignisse der vergangenen Nacht vernichtet da; Saaten und Wiesen waren, ! wo nicht ganz von den zu Thal stürzenden Wassermengen mit fortgerissen, durch- | aus verschlemmt, und die schwerste Seite der Katastrophe war die, dass sie auch Opfer an Menschenleben gefordert hatte, vor denen die Angehörigen hände ringend stehen und das Geschick anklagen, das ihnen mit rauher Hand in wenig Stunden das Liebste auf der Welt erbarmungslos entrissen hat. Der Anblick unserer Lausitz am Morgen nach dem Unglückstage muss für den schöpferischen Geist des Menschen ein Sporn werden, Mittel und Wege zu ersinnen, durch welche derartigen elementaren Ereignissen die schweren Folgen genommen werden können; die unsere Mitmenschen in den Stand setzen, durch ihrer Hände Werk sich und ihr Eigenthum zu schützen. — Vergegenwärtigen wir uns nun noch einmal übersichtlich den Gang, den das verheerende Unwetter genommen hat. Die Wolkenmassen, mit denen der ankommende Wirbel gekrönt war, haben zunächst ihren Weg, vom Erzgebirgsstocke herankommend, herüber bis an die Gegend des Kottmar genommen, hier sind dieselben an ihrem weiteren östli chen Vordringen gehindert worden, und haben eine Bewegung nach Süden ein geschlagen, wo ihnen ein neues Hinderniss an dem Gebirgsstocke der Zittauer Berge erwuchs. Von hier aus trat nun der Wolkenheerd eine Bewegung nach Nord an, wobei zunächst in dem weiten Kessel zwischen Mandau und Neisse eine rasche Erweiterung des Wolkenheerdes vor sich ging, der alsdann aber wieder beim weiteren nördlichen Fortgänge jedenfalls sehr erhebliche Beein flussungen durch den Bergrücken über dem Eigengebiete erfahren hat, über welchen sich, weithin sichtbar, die Spitzen des Kottmar, Löbauer Berges, des Wolfsberges und des Rothsteins erheben. Wie wir hier aus der Wanderung des Regengebietes die Bahn des Wirbels zu construiren vermochten, so besitzen wir weiter in der Regenvertheilung am Tage der Katastrophe ein weiteres Mittel zur Verfolgung dieser Bahn. Wir werden sogleich sehen, wie beide Wege zu demselben Resultate führen. Suchen wir uns also zunächst ein Bild zu verschaffen von der Mächtig keit der während der betrachteten Stunden über den einzelnen Gebieten der Lausitz herabgestürzten Regenmengen. Die ersten Nachrichten, welche uns hierüber zugingen, sprechen durch- gehends von dem Niedergange von Wolkenbrüchen über einzelnen Theilen der Lausitz. Besonders waren es die Localblätter der sächsischen und der preussi- schen Oberlausitz, welche diese Nachrichten verbreiteten. So ging dem „Neuen Görlitzer Anzeiger“ eine Correspondenz aus Zittau zu, die derselbe in seiner Nr. 115 zur Veröffentlichung brachte. Sie lautete: Zittau, 18. Mai. „Gestern Abend nach 8 Uhr traf ein Gewitter hier ein, das von solchen furchtbaren, anhaltenden Wassermassen begleitet war, dass das Niveau der Mandau und der Neisse gehoben wurde. In Folge eines in Seif hennersdorf gefallenen Wolkenbruches trat die Mandau in den frühesten Morgen stunden aus den Ufern und überschwemmte die umliegenden Wiesen und Aecker, die am Flusse gelegenen Vorstädte und die Strassen der niedrig gelegenen Stadttheile. Das Wasser läuft in die Häuser und steht in tief gelegenen Wohnungen bis im Parterre. Die Fluthen führen weggespülte Balken, ja selbst Hausgeräthschaften mit sich. Bis jetzt verlautet von stattgefundenen Verlusten an Menschenleben noch nichts, doch ist dies sehr zu befürchten, da der Höhe stand der Wassermassen heute den vom 14. Juni 1880 noch übertrifft.“ Demselben Blatte wurde weiter geschrieben: Löbau, 18. Mai. „Heute Morgen sind in Oberoderwitz und Ebersbach Wolkenbrüche niedergegangen, so dass dadurch der Bahnverkehr unterbrochen wurde.“ In der 5. Morgenstunde ging aus Bernstadt bei der Redaction des Neuen Görlitzer Anzeigers das folgende Telegramm ein: „In der verflossenen Nacht ging ein grosser Wolkenbruch nieder. Sohland, Kemnitz, das Pliess nitzthal und die daran liegenden Ortschaften sind ähnlich, wie im Jahre 1880 überfluthet. Menschen und Vieh sind ertrunken, Wege und Brücken fort- geschwemmt.“ Schon die nächste Ausgabe desselben Blattes spricht mehr von einem wolkenbruchartigen Regen als von einem eigentlichen Wolkenbruche. Aus Grossschönau schrieb man: „Bereits Nachmittag gegen 5 Uhr zog ein Gewitter über unseren Ort, welches von einem heftigen, noch nie dagewesenen Regen begleitet war, es goss wie mit Kannen ununterbrochen bis in die Nacht.“