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140, IS. Juni 1912. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. b. Dtlchn. BuÄhanbeL. 7475 als er Exemplare fiir diesen Zweck zur Verfügung hat, und da dem gewissenhaften Verleger (und von solchem spreche ich überhaupt) daran gelegen ist, daß sein Werk hauptsächlich in den wichtigsten Blättern, die für Interessenten seines Buches in Frage kommen, besprochen wird, so wird er sich bereits vor Erscheinen an die betreffenden Redaktionen brieflich mit beigefügter Bestellkarte wenden, um von vornherein über sehen zu können, wie und wo er am besten die zur Re zension bestimmten Exemplare verwenden kann. Wie bereits gesagt, werden schließlich doch oft mehr verlangt, als vorge sehen war. Daß eine Zeitung verpflichtet sei, bestimmte Bücher zu besprechen, dieser Schluß ist von mir nicht gezogen worden, sondern ich sagte nur, daß jede Zeitung aus Rücksicht auf ihre Leser die Pflicht habe, wichtige Neuerscheinungen in ihren Spalten zu besprechen. Daß dies bei allen wichtigen Büchern der Fall sein sollte, ist mir nicht eingefallen zu sagen, dafür muß der Redaktion selbstverständlich freie Wahl bleiben. Ich halte es nicht für richtig, daß der Wert der Büchereingänge mit den für Bücherbesprechungen seitens der Redaktionen aufgewendeten Honorar-Beträgen in Parallele gestellt wird, wie das H. macht. Es ist einfach selbstverständ lich, daß erstklassige Zeitungen und Fachblätter dafür mehr bezahlen, als die Bücher an sich wert sind, die oft nur einen Bruchteil der Gegenleistung für den betreffenden Rezensenten ausmachen. Das ist aber ein Teil ihrer Geschäftsunkosten, die sie haben, und die sie nicht umgehen können, wenn sie ihre Leser zufriedenstellen wollen. Ob die Zeitschrift ihre Spalten mit Bücherbesprechnngen oder anderen honorierten Artikeln füllt, das bleibt sich im Grunde genommen vollständig gleich, der Umfang wird deshalb nicht vermehrt. Wegen der schönen Augen der Buchoerleger tut sie es wahrlich nicht; wenn auch wohl ausnahmsweise einmal jemandem eine Ge fälligkeit erwiesen wird, so ist dies doch nicht die Regel, und ein bißchen Gegeninteresse ist mit Rücksicht auf den Leser immer vorhanden, denn für diesen absolut wertlose Werke wird der Redakteur doch selbst dem Freunde zuliebe nicht in sein Blatt aufnehmcn. Es kommt daher auch meist nicht darauf an, was das Buch für die »Redaktionsbücherei» für Wert hat (wenn auch z. B. Lexika, Fremdwörterbücher u. dergl., trotz dem Zitat des Herrn Jul. Bachem, zu den unentbehrlichsten Requisiten eines Redakteurs gehören, selbst wenn er noch so belesen ist), sondern ob der Leser des Blattes dafür Interesse hat, und deshalb darf der Wert des Rezensionsexemplars an sich mit den Honorar-Kosten nicht verglichen werden. Zweifellos ist aber das Rezensionsexemplar auch für den Zeitungsoerleger ein Wertobjekt, wie schon aus der veröffentlichten Statistik meiner Firma zu ersehen ist. Dem Buchverleger würde es vielleicht ebenso recht sein, wenn er statt des Rezensionsexem plars einen Betrag, ja selbst in Höhe des Honorars, für eine Bücherbesprechung zahlen könnte, wenn nicht die Unpartei lichkeit der Besprechung dadurch aus der Welt geschafft würde, auf die es doch dem gewissenhaften Verleger und vor allen Dingen dem Leser in erster Linie ankommt, und deshalb ist dieser Ausweg nicht möglich. Wenn aber H. meint, die Redaktion würde ebenso gern die Bücher kaufen, und es würden die »paar Mark» in ihrem Etat keine Rolle spielen, so muß ich auf Grund meiner Erfahrungen dem ganz entschieden widersprechen. Wenn eine Zeitung nach Herrn H. jährlich ca. 1000 Bücher bespricht, so handelt es sich bei dem oft hohen Wert einzelner Werke schon nicht um ein paar lumpige Mark, sondern um Tausende, die doch wohl den Reingewinn eines Blattes ganz erheblich schmälern würden. Es dürfte doch sehr selten Vorkommen und nur in solchen Fällen, wo der Verleger keine Rezensionsexemplare liefern will (dies ist! allerdings öfter der Fall, als der Fernstehende vielleicht an nimmt), daß die Redaktion sich ein Buch anschafft, Las sie durchaus besprechen will. Es erscheinen ja allerdings häufig Besprechungen in Blättern, an die der Verleger kein Rezensionsexemplar versandt hat, aber diese Besprechungen rühren mit wenigen Ausnahmen von Gelehrten her, die sich ein Buch gekauft haben, an ihm Interesse fanden und nun sich durch Einsenden einer Besprechung an ein Blatt, dessen gelegentliche oder regelmäßige Mitarbeiter sie sind, ein Honorar verdienen, das in der Regel nicht nur den An kauf des Buchcs deckt, sondern auch noch ihre Arbeit lohnt. Ja, es gibt viele Gelehrte, die sich in dieser Weise überhaupt ihren Unterhalt oder doch wenigstens einen hübschen Zuschuß verdienen, die Bücher extra zu diesem Zwecke anschaffen (oder beim Verleger darum bitten), und der Buchverleger kann nur erfreut darüber sein, denn erstens kaufen sie ihm ein Buch ab, und dann nutzen sie ihm auch noch durch die Veröffent lichung, wenigstens wenn die Besprechung gut ausgefallen ist. Und da komme ich denn noch auf einen Punkt, der meines Erachtens nicht unbesprochen bleiben darf. Wenn ein Verleger ein Buch zur Besprechung versendet, so wird er in den meisten Fällen selbst von dem Wert des Buches überzeugt sein, wenn nicht Gründe oder Rücksichten irgendwelcher Art ihn zur Übernahme des Verlags gegen seinen Wunsch veranlaßt haben, und er hofft daher auch, gute Besprechungen zu erhalten. Wird er nun aber in allen Fällen erzürnt sein, wenn eine ungünstige Besprechung ein läuft? Ich möchte das vom Standpunkt des gewissenhaften Verlegers entschieden in Abrede stellen. Zunächst wird ihm natürlich mit Rücksicht auf den Absatz des Werkes und den damit verbundenen Verlust dies sehr unangenehm sein, und wenn das Urteil, wie es sehr häufig vorkommt, ungerecht und tendenziös gefärbt ist, wenn kleinlicher Konkurrenzneid darin zu erblicken ist oder dergleichen, so wird er sogar sehr entrüstet sein und wird versuchen, den ungünstigen Ein druck, den eine solche Besprechung aus den nicht urteilsfähigen Leser macht, nach Möglichkeit zu beseitigen. Wenn er aber einsieht, daß das Urteil und die Begründung gerecht aus gefallen sind, so wird er im Stillen dem Kritiker dankbar sein, denn er wird ihn davor bewahren, sich mit dem be treffenden Autor seines Buches wieder in Geschäftsverbindung einzulassen, selbst wenn der äußere Erfolg des Werkes trotz der Angriffe gar nicht so schlecht, ja vielleicht ein guter ge wesen ist. Denn darüber sind wir uns wohl alle klar, daß nicht immer die wirklich guten Bücher die bestgehenden sind. Aber ich will lieber ein gutes, weniger absatzfähiges Buch verlegen, wenn es nur einen bescheidenen Nutzen gewährt, als ein Schundbuch, das mir Reichtümer bringt. Und ich glaube in dieser Be ziehung mit jedem rechten Buchhändler einer Meinung zu sein, wenn auch der smarte Geschäftsmann über diese deutschen Idealisten vielleicht hohnlachend die Nase rümpft. Er wird uns nicht ändern, und es wird immer noch genug solche Idealisten im Buchhandel geben, zum Nutzen der Wissenschaft und trotz dem Akademischen Schutzverein und anderen Gruppen von Autoren, die in dem selbst schwer um sein Brot ringen den Verleger nur den Ausbeuter ihrer Geistesschätze erblicken, deren Hauptuutzen angeblich in dessen Taschen fließe, weil sie nur auf das erfolgreiche Buch sehen, nicht aber auf die tausend und abertausend Werke, die der Verleger dem Autor angemessen honoriert, für die er selbst aber oft kaum einen Teil der aufgewendeten Unkosten rettet. Und das sind nicht immer die schlechtesten Werke und nicht immer untüchtige Verleger, die sie vertreiben! Sehr oft ist der Verleger nicht in der Lage, selbst den Wert eines Buches beurteilen und (aus bestimmten Gründen) den Rat anderer einholen zu können, sondern er muß sich auf den Autor und »74»