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2V, 25. Januar 1S12. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Duchn. Buchhandel. 1049 Perspektive und theoretische Durchführbarkeit betrifft, besonders bemerkenswert, daß Herr Spahn, den ein unausgesprochenes Über einkommen aller Beteiligten zum juristischen Obmann jener Ver handlungen erhoben zu haben schien, eine solche Forderung mit seiner Zustimmung deckte. Wobei es freilich den Eindruck machte, als solle die Anklagebank an den Tagungen des Ehrengerichts nur dem Verlage reserviert bleiben. In den Kreise» des Verlages hat man sich der Erörterung über die Bildung von Ehren-Gerichtshösen bis zur Stunde mit einer gewissen Scheu enthalten. In dem Vorwort, das Dr. Trübncr dem Jubiläums-Katalog seines Verlages 1897 vorausschickte, heißt es auf Seite XIV: »Ich hoffe cs noch zu erleben, daß die Gesamtheit der Verlagshandlungen sich der freiwilligen Kontrolle eines Ehren rates von Verlegern unterzieht, der auch ihre Pflichten gegen über der Gesamtheit wenigstens moralisch festlegt . . . Hat nicht der Verlogshandel ebenso das Recht und die Pflicht, wie jede andere Vereinigung, seinen Stand rein zu halten von querköpfigen, schädigenden Elementen?» vr. Trübner war dabei von der Betrachtung und der Pflege der buchhändlcrischen Kollegialität ausgegangc» und hätte damals, wenn es darauf augckommen wäre, im deutschen Verlage wohl mehr Warner als Fürsprecher für seine Idee gefunden. Und zwar nicht am wenigsten in den Reihen derer, die es mit ihrem Berufe am ernstesten und gewissenhaftesten nehmen. Weil sich gerade bei diesen die passive Borstellungsweise am leichtesten und schreckhaftesten auslösen mochte, unter Umständen selbst vor den Schranken eines solchen Ehrenrates zu stehen und von der Kurz sichtigkeit oder der Mißgunst eines Phantasiedeliktes bezichtigt und für schuldig erklärt zu werden. Täuscht mich die Beobachtung nicht, für die mir meine eigene Auffassung von ehedem und heute das anschaulichste und in seinen Motiven durchsichtigste Vergleichs- objekt bietet, so hat sich hierin, wenigstens auf dem Jnteressen- grenzgebiet der Feder und des Verlages, ein Wandel vollzogen, der die alten, der Furcht vor Fehlgriffen entsprungenen Bedenken zu schleifen bereit ist. Wir erkennen, daß die Zigeuner in unseren Reihen an Zahl und Aufdringlichkeit zunehmen und daß wir diese Schädlinge, die im Dämmerlicht unklarer Rechtsverhältnisse, schriftstellerischer Eitelkeit und lüsterner Lesesucht gedeihen, als solche kennzeichnen müssen, wenn sie nicht für unseresgleichen gehalten werden sollen. Entschließen wir uns aber mit solchem Ausblick zur Errichtung eines Ehrengerichtes, dann wird durch seine gemischte Zusammen setzung aus Autoren und Verlegern nicht nur die Bedeutung und die Resonanz und die reinigende Kraft seiner Erkenntnisse gesteigert, sondern auch für unser Vertrauen in die Unparteilichkeit der Ent scheidungen und Entscheidungsmotive ein festerer Boden gewonnen. Und eine erhöhte Gewähr dafür, jene Elemente unseres Standes, vor denen wir uns heute nur insgeheim dreimal bekreuzigen dürfen, von uns abschütteln zu können. Daß dies zur Stunde so schwer ist, mag zu einem Teile daran liegen, daß die Satzungen des Deutschen Verlegervereins, dem die Eierschalen des Kredit listenursprunges noch anhasten, in dieser Beziehung unzureichend sind, und daß er die wenigen Einflußmittel, über die er satzungs gemäß verfügt, nur seinen Mitgliedern gegenüber zur Anwendung bringen kann. Die Hauptschuld aber tragen zwei andere Umstände; daß der von, Verleger geprellte Autor, es sei aus Scheu, es sei aus der falschen, aber psychologisch begreiflichen Besorgnis, vom Teufel an Beelzebub zu appellieren, einer offenen Anklage und Zeugnisablegung vor Verlegern aus dem Wege geht; und daß der wissende Verleger die Bezichtigung eines Berufsgenoffen wie das heiße Eisen scheut, wenn ihm für den überzeugtesten Argwohn die tatsächlichen juristischen Beweise fehlen, die seine Hand vor dem Verbrennen schützen. Die Auguren sehen einander an und können doch nicht helfen. In dem gemischten Ehrengericht werden die einen den andern die Zunge lösen. Nicht als ob ich glaubte, daß es nun zu einer BöricnUatt für den Deutschen Buchhandel- 79. Jahrgang. reinigenden Razzia käme, die den Verlegerstand von seinen Para siten, ja auch nur den Deutschen Verlegerverein von den ihm zu Schimpf und Schaden gereichenden Mitgliedern ganz und gar säuberte. Aber die Bösesten unter ihnen wird er, dank einem solchen Zusammenwirken, erkennen, ausscheiden, kennzeichnen und damit wenigstens zu einem Teil unschädlich machen können; und der Deutsche Berlegerverein wird fortan vor der vorwurfsvollen Autorenfrage geschützt sein oder sie zurückgeben können, warum er solche Elemente noch unter sich dulde. Die Schwierigkeiten um die Einrichtung eines solchen pari tätisch besetzten ehrengerichtlichen Kollegiums beginnen aber, sobald die Frage erörtert wird, ob es für Verleger und Autoren oder nur für Verleger zuständig sein soll. Man tue diese zweite Forderung, wenn sie erhoben wird, von unserer Seite nicht gleich mit dem Einwande der Anmaßlichkeit oder Überhebung ab. Man vergesse nicht, daß ein außerordentlich großer Bruchteil der Männer, denen die schriftstellerische Pflege der Literatur anver traut ist, in ihrer Eigenschaft als Hochschuldozenten, Lehrer, Ver waltungsbeamte, Richter, Anwälte, Ärzte, als mittelbare oder unmittelbare Staatsbeamte usw., schon einer viel umfassenderen und einschneidenderen ehrengerichtlichen oder disziplinären Juris diktion unterstellt ist, und daß diesen eine neue derartige Bindung als überflüssig oder unerlaubt erscheinen möchte. Am Ende wäre aber eine Bestimmung, die auch die Autoren dem Gerichtszwange unterwerfen wollte, doch nur eine papierne. Denn abweichend von der einen Hälfte des Ehren- und Schiedsgerichts, die der Deutsche Verlegerverein mit Fug und Recht im Namen des Ver lages besetzen würde, gibt es für die andere Hälfte keinen und keine Wahlkörper, die die deutsche Autorenschast oder auch nur eine ihrer großen Gruppen in ihrer Gesamtheit oder in ihrer überwiegenden Mehrheit vertreten und binden könnte. Nach der andern Seite wird man freilich aber auch die Unlust der Verleger begreifen, sich in eine ehrengerichtliche Abhängigkeit eines gemischten Gerichtes zu begeben, dem sich nur die Verleger zu stellen und zu beugen haben. Ich denke mir die Lösung dieser Schwierigkeit also: Das Autoren- und Verlegcrschiedsgericht, dessen Rolle als Schlichtungs und Schiedsinstanz aus Anruf beider Parteien wir erörtert haben, habe außerdem die Aufgabe und Pflicht, in solchen auf welche Weise immer zu seiner Kenntnis gelangenden Fällen, die das Merkmal einer unehrenhaften Handlung eines Autors oder eines Verlegers zu tragen scheinen, eine Untersuchung einzuleiten, nach dem es vorher den dadurch Beschuldigten befragt hat, ob er mit einer solchen Untersuchung einverstanden sei. Gelangt das Spruchkollegium alsdann, wozu indessen eine erhöhte Majorität erforderlich ist, zu dem Schluffe, daß eine unehrenhafte Handlung vorliege, so spricht es dies, ohne irgendwelche weitere Konsequenzen daran knüpfen zu dürfen, in einem begründeten Votum aus, und die Berussgenossen des also Getadelten haben nun das Wort und die Entscheidung. Der Deutsche Verlegerverein aber sorgt durch eine Erweiterung seiner Satzungen dafür, daß: 1. seine Mitglieder verpflichtet sind, sich einer solchen Untersuchung, wenn sie darum vom Schiedsgericht um ihre Zustimmung angegangen werden, unter allen Umständen zu unterwerfen; 2. und daß der Vorstand das Recht hat, dasjenige seiner Mitglieder, das das Votum des Ehrenschiedsgerichts als einer unehrenhaften Handlung für überführt erklärt hat, auszuschließen, unbeschadet des dem so betroffenen Mitgliede zustehenden Rechtes, an die nächste ordentliche Hauptversammlung des Deutschen Verlegervereins zu appellieren. Auf diese Weise bliebe die Autonomie des Deutschen Ver legervereins unangetastet; seine Mitglieder, jeder unmittelbaren Strafbefugnis des Schiedsgerichtes entzogen, könnten nur durch die verantwortungsvolle Instanz des Vereinsvorstandes getroffen werden; sie wären aber außerdem vor der oben erörterten Gefahr, der Mißgunst eines aus Konkurrenten zusammengesetzten Spruch- I»s