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1KOSO Mrs-Nilan d. DN«n. »llchh-nd-I. Nichtamtlicher Teil. 29S, 17. Dezember 1912. Unter Mitwirkung mehrerer ansässigen Buchhändler fand im Steglitzer evangelischen Gemeindehaus unter der Devise »Der Kampf gegen die schlechte Literatur«, eine Buchausstellung statt. Die Auswahl war durchaus nicht engherzig getroffen, die ausgestellten Bücher waren Eigentum der Buchhändler und wurden, sofern sie gleich mitgenommen wurden, für deren Rechnung verkauft. — D i e L i t e r a r i s ch e Bereinigung des Berliner Lehr er Vereins hat ein Verzeichnis empfehlenswerter Bücher für die Jugend zusammengestellt, das in 100 000 Exem plaren kurz vor Weihnachten in den Berliner Schulen ver teilt werden soll. Die Vereinigung ladet sämtliche Sorti menter ein, die ausgesührten Bücher — ca. 400 — komplett auf Lager zu halten, will aber der Buchhändler, daß sein Name als Bezugsquelle genannt wird, so mutz er »och lO zubezahlen. Eine Regelung des öffentlichen Reklamewesens durch eine neue Straßcnordnung, wird von seiten des Berliner Polizeipräsidiums geplant. An dieser Stelle mag davon das Fol gende interessieren: Besondere Bestimmungen betreffen die Lichtreklame. Diese »Ankündigungsmittel mit Beleuchtungs- Vorrichtungen« werden künftig behördlich geprüft werden. Was das Ausleilen von Geschäftsempfehlungen, Bekannt machungen, Aufrufen und Drucksachen anbelangt, so bestimmt schon K 125 der Straßenordnung, daß solche Ankündigungs- Mittel mit Ausnahme von Zeitungen, Periodischen Druck schriften und Extrablättern — auf einer Reihe von Straßen und Plätzen aus Verkehrsrücksichten nicht zugelassen werden dürfen. Diese Beschränkungen sollen jedoch nicht gelten: »be züglich der Verteilung von Stimmzetteln und Druckschriften zu Wahlzwecken in der Zeit von der amtlichen Bekanntmachung der Wahltages an bis zur Beendigung des Wahlaktes. Auch können diese Beschränkungen für die letzten drei Wochen vor Weihnachten (24. Dezember) durch polizeiliche Bekannt machung außer Kraft gesetzt werden«. Die Kinofrage nimmt in Berlin weiterhin viel Interesse für sich in Anspruch. Ich würde mich dennoch nicht für berech tigt halten, an dieser Stelle wiederholt davon zu sprechen, wenn nicht die ganze Kinobcwegung vielfach Parallelen mit der Schundliteraturbewegung aufwiese. Man vergleiche z. B. die Gründung des »Lichtspielvertriebes des Verbandes deut scher Bühnenschristsleller« — es soll versucht werden, die besten literarischen Werke, z. B. Hauptmanns Atlantis, für die Kinobühnen zu bearbeiten — mit dem oft wiederholten Versuch durch Preisausschreiben usw. literarisch wertvolle Hintertreppenromane zu gewinnen. Auch das sogenannte Ju gendkino, die Absicht, unter beratender Kontrolle des Lehrer standes Spezialvorstellungen belehrender Art für die- Schul kinder zu veranstalten, bietet Parallelen, die ich nicht weiter auszuführen brauche. Jedenfalls erscheint es bei dem allgemeinen Kesseltreiben gegen das Kino taktisch nicht ungeschickt, wenn die Leiter der verschiedenen Betriebsarten den Versuch machen, sich mit den maßgebenden Behörden besser zu stellen. Für den Ersten Deutschen Kinokongreß, der im Dezember hier slattfindet, hat das Reichspostamt die Zu sage gemacht, dem Schutzverband für den Kongreß einen Film anfertigen zu lassen, der in 36 Bildern die »Beförderung eines Briefes von der Ausgabe bis zur Ablieferung« im modernen weltstädtischen Postbctrieb darstellt. Der Geheime Regierungs- rat Professor vr. Miethe wird in seinem die »Zeit im Film« zum Gegenstand wählenden Referat insbesondere auch die Ent stehung der sogenannten Trickfilms demonstrieren. Professor vr. Glatze! wird ei» Referat über die Einwirkung von Ge schossen mit ballistischen, von der Militärbehörde zur Verfügung geslelllcn Films halten. Es werden serner beson dere Schul« und Lehrervorstellungen stattfinden. Daneben plant das preußische Kultusministerium dem Kinematographen direkt Eingang in den Schulen zu verschaffen. Diesem Zweck dienen die kinemalographischen Vortragsabende für die Direk toren und Oberlehrer in Berlin. Diese Vortragsabende ver folgen den Zweck, den Oberlehrern aus eigener Anschauung Kenntnis zu verschaffen, inwieweit brauchbares Filmmaterial zur Verwendung in den höheren Schulen vorhanden ist. Die Fabrikanten erhalten auf diese Weise Gelegenheit, Erzeug nisse von wissenschaftlichem Wert den Philologen vorzu stellen. Für die Berliner Gemeindeschulen begann die »Zentrale für wissenschaftliche und Schulkinematographie« (begründet von vr. jur. H. Russak und Direktor Olsrid v. Hanstcin) am 4. November mit offizieller Genehmigung der Stadtschul deputation in zwölf großen Sälen in den verschiedensten Teilen Berlins ihre Tätigkeit. Zur Ausarbeitung der Vorträge sind der Zentrale als pädagogische Beiräte die Herren Rektor Wacke und Lehrer Heinrich Albrechl zur Seite gestellt. Diese kinemalographischen Anschauungsstunden umfassen zunächst folgende Vorträge: 1. Der Rhein von der Quelle bis zur Mündung. 2. Die deutschen Mittelgebirge. 3. Die deutschen Alpen und ihr Vorland. 4. Die deutschen Küstengebiete. Die Zentrale hat sich mit den Schulbehörden aller Großstädte in Verbindung gesetzt, um überall ähnliche Organisationen zu schaffen. Vor einiger Zeit erging infolge einer Anregung des frü heren Direktors des Berliner Zeughauses Geheimen Regie rungsrat Major vr. von Ubisch ein Erlaß des preußi schen Kultusministers, der bestimmte, daß die Königliche Bibliothek in Berlin und die preußischen Universitätsbiblio theken Briefe und Tagebücher aus Kriegszeiten sammeln sollen. Zum Zwecke dieser Sammlung wurde bei der König lichen Bibliothek eine Kommission eingesetzt, die aus Geheim rat v. Ubisch, dem Historiker der Kriegskunst, dem Geheimen Regierungsrat Professor vr. Hans Delbrück und dem Abiei- lungsdirektor Geheimen Regierungsrat vr. Perlbach besieht. Im ersten Halbjahr sind 1196 Briese und Postkarten, 38 Tage bücher, 9 Notizbücher und 10 Lieder und Gedichte eingeliefert worden, von denen sich die Mehrzahl auf den Krieg 1870/71 bezieht. Ich habe schon einmal an dieser Stelle daraus hingewie sen, wie wichtig es nicht nur rein wissenschaftlich, sondern auch volkswirtschaftlich wäre, auch das wirtschaftliche Material der Kriegsjahre zu sammeln, um so mehr, als an Kriegsberichten wirklich kein Mangel herrscht, während eine eingehende Studie über die Einflüsse der letzten Kriege aus die Volkswirtschaft meines Wissens bis heute fehlt. Die Begründung der Deutschen Bücherei in Leipzig hat den Direktor der Berliner königlichen Bibliothek, Professor Adolf Harnack, zu einer Broschüre »Die Benutzung der Königlichen Bibliothek und die deutsche Nationalbibliothek« Veranlassung gegeben (Springer, Berlin), in der er unter voller Würdigung des Leipziger Projekts an seinem Plan, die König!. Bibliothek in Berlin zur Nationalbibliothek auszugestalten, festhält*). Die alte Streitfrage, welchen Einfluß das Anwachsen der Zeitschriftenliteratur auf den Büchermarkt hat, wird durch eine Umfrage im »Berl. Tagebl.« wieder aufgefrischt. Von *) Auf diese Broschüre soll in einem morgen erscheinenden Artikel näher cingegangen werden. Red.