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4944 Nichtamtlicher Teil. — Sprechsaal. 190, 17. August 1896. Lombroso, der geniale Verfasser des -Homo äslingusuts", des -Durno cli Osnio", der «Donna äslrngusvts - und so vieler anderer bahnbrechender Bücher, bei Ulrico Hoepli in Mailand ein Bändchen »Oral'ologia-- erscheinen lassen, das keinerlei Ansprüche erhebt und sich nur die Aufgabe stellt, die sichergestellten That- sachcn der Handschriftendeutung kurz und volkstümlich vorzu- iragen. Die Eingeweihten wissen, daß das Büchlein gar nicht vom Türmer Professor selbst geschrieben worden ist, sondern von seiner Tochter, und daß der Vater die Arbeit nur durchgcschen hat. In der -Oralologia- sind viele thatsächliche Angaben aus dem Buche von Crvpicn.Jamin angeführt und Handschristprobcn übernommen. Natürlich ist die Quelle, aus der dieser Stoff ge schöpft ist, sorgsam angegeben, nicht einmal, sondern häufig, wenigstens ein halbes Dutzend Mal. Crepien-Jamin, der das ganze, nicht besonders umfangreiche Schrifttum der Graphologie im Auge behält, bekam Kenntnis von der bei Hoepli erschienenen -6rs.t'o- logia-, er verschrieb sich das Büchlein, begann es zu lesen und entrüstete sich, daß sei» Buch benutzt morden war. An die Bräuche des wissenschaftlichen oder sage» wir des von Thatsachen handelnden Schriftstückes als Liebhaber und Autodidakt wenig gewöhnt, fand er, daß ihm bitteres Unrecht geschehen und schwerer Schaden zu- gesügt worden sei. Er zeterte, er sei bestohlen und beraubt, Lom- brosv sei ein gewöhnlicher Abschreiber und habe sein Buch geplündert, und er erhob thatsächlich beim Roucner Gericht gegen den Turiner Gelehrten Klage wegen Nachdrucks und schriftstellerischen Diebstahls. Professor Louibroso fand die Anzapfung so unberechtigt, daß er sie nicht beachtete und keinen Verteidiger bestellte. Das wurde vom Rouener Gerichtshof offenbar übel vermerkt, er verurteilte ihn im Versüumnisocrfahren wegen Plagiats und Nachdrucks zu 2500 Francs Schadenersatz an den graphologischen Zahnarzt. Auf Anürängen seiner Freunde ließ sich Professor Lombroso herbei, gegen das Urteil Berufung cinzulcgen. lieber diese hatte das Nouencr Obergcricht am ö. d. M. za befinden. Lombroso machte mit Recht geltend, daß Rouen nicht sein Gerichtsstand sei und eine Klage gegen ihn in Turin angestrengt werden müsse; zur Sache wies er nach, daß er Cröpien-Jamin mindestens sechs mal angeführt habe und daß es einfach unmöglich sei, über einen Gegenstand wie Graphologie ein Handbuch zu schreiben, ohne die Arbeiten der Vorgänger zu benutzen. 'Das Obergericht erklärte indes, daß cs zuständig sei; eö hielt daran fest, daß Lombroso zu reichlich aus Crspicn-Jamins Buche, namentlich auch aus den Schriftproben, geschöpft habe, und erklärte das Vergehen des Nach drucks für vorliegend. Doch setzte cs den Betrag des Schadenersatzes, den Lombroso leisten soll, auf 500 Frcs. herab. Die Bibliothek H. v. Treitschkcs. — Zu unserer gestrigen Mitteilung über die nachgelassene Bibliothek H. v. Treitschkcs können wir nach dem Leipziger Tageblatt heute folgendes Nach trägen: Die Bibliothek Heinrich von Treitschkcs ist infolge einer An regung, die Herr Oberbürgermeister Dr. Georgi von seiner Ur laubsreife aus gegeben hatte, von der -Stiftung für die Stadt Leipzig- (Rhodestiflung) für die Leipziger Stadtbibliothek an- gekaust worden. Da die Hnuptstärke der Leipziger Stadtbibliothek in der Geschichte, namentlich der neueren Geschichte, liegt, so erhält sic durch diesen Ankauf eine höchst willkommene Ergänzung und zugleich eine glänzende Bereicherung, insofern als die Bibliothek Treitschkes namentlich von kleineren Schriften und politischen Bro schüren zur neueren Geschichte, dergleichen öffentliche Bibliotheken nur selten anschaffen, eine in ihrer Art wohl einzig dastehende Sammlung enthält. Für Leipzig ist die Erwerbung um so erfreu licher, als Treitschke seine einfluß- und ruhmreiche Laufbahn als Lehrer der deutschen akademischen Jugend und als Geschichtschreiber des deutschen Volkes in unserer Stadt begonnen hat. Es ist das übrigens binnen kurzem das zweite Mal, daß eine wertvolle wissen schaftliche Sammlung durch rechtzeitiges Eingrciscn der »Stiftung für die Stadt Leipzig- vor dem Schicksale so vieler Sammlungen bewahrt worden ist, wieder zersplittert oder ins Ausland verkauf! zu werden: 1893 erwarb sie Zarnckes Goethesammlung, ebenfalls für die Stadtbibliothek. Lohnbewegung bei den Buchbindern. — Einem Berliner Blatte entnehmen wir folgende Mitteilung: Ueber zweitausend in der Buchbinderei und den verwandten Betrieben beschäftigte Arbeiter und Arbeiterinnen waren am 11. August in Kellers Festsälen in der Koppenstraße versammelt, um zu der bevorstehenden allge meinen Lohnbewegung in der Branche Stellung zu nehmen. Als Hauptforderungen wurden die neunstündige Arbeitszeit und ein Mindestlohn von 21 für männliche, von 13 ^ 50 -Z für weib liche Arbeitskräfte aufgestellt. Ein russischer Handlungsgehilfen verein. — Ueber einen eigenartigen und vielleicht nachahmenswerten Handlungsgehilfen verein wird dem Leipziger Tageblatt folgendes aus Moskau be richtet: In Moskau hat sich ein eigenartiger Verein von Handlungs gehilfen gebildet, dessen Statuten kürzlich von der Regierung be stätigt worden sind. Er übernimmt nämlich die pekuniäre Verant wortung für die Thätigkeit seiner Mitglieder. Diese können in ganz Rußland Stellen als Kontoristen, Kassierer, Buchhalter, Ge hilfen rc. in Handelsgeschäften, Banken und anderen industriellen und kaufmännischen Unternehmungen einnehmen oder bei Staats, und Privateisenbahnen und bei Privatpersonen Arbeiten in Bezug aus Laden, Abladen, Verpacken, Transportieren und Ausbewahrcn 'von Waren und Gepäck, sowie Kassengeschäfte und überhaupt Aufträge aller Art übernehmen. Mitglieder des Vereins können nur Personen christlichen Bekenntnisses, nach Erlangung des 2l. Lebensjahres und nicht älter als 65 Jahre, werden. Jedes wirkliche Mitglied hat beim Eintritt eine Einlage von 1300 Rubel an den Verein zu zahlen, davon kommen 1000 Rubel auf die Versicherung der Person rücksichtlich der von ihr übernom menen Verpflichtungen, sowie auf die Versicherung der Thätigkeit des ganzen Vereins. Der Engagementsvertrag wird von der Ver waltung des Vereins abgeschlossen. Diese behält auch von dem vereinbarten Gehalt zehn Prozem für das Betriebskapital des Ver eins zurück. Vergeht sich ein Mitglied irgendwie in Bezug auf die von ihm übernommenen Pflichten, so wird es von der Verwaltung sofort seiner Stellung enthoben und bis zur Entscheidung der Sache durch ein anderes Mitglied des Vereins ersetzt. Die Hand lung eines Mitgliedes, das sich nicht bewährt hat, wird in der nächsten General-Versammlung des Vereins einer Erörterung unter zogen, und die betreffende Person kann, je nach Größe der Schuld, zu einer Geldstrafe bis zu 100 Rubel (nicht mehr) verurteilt oder aus dem Verein ausgeschlossen werden. Sprechsaal. Wie erspare ich meinen Mitmenschen Zeit? Antwort auf den Artikel in Nr. 182 d. Bl. Am besten durch die in allen Staaten von den bedeutendsten Firmen schon benutzten patentierten Briefumschläge mit Fadcn- öffner, durch welche Schere oder Messer überflüssig werden. Leipzig. Gustav Nickau, Papier-Großhandlung. Eine starke Zumutung stellt Herr Otto Schauenburg, Lahr, (Verlag des Velo-Sport), an die Sortimenter. Vor längerer Zeit ging uns eine Sammelmappe mit Probe- nummcr des --Velosport- zu mit dem Ersuchen um thätigc Ver wendung für das Blatt. Die Nr. 43 des 2. Jahrganges, die der Mappe beigcfügt ist, enthält nun in sehr auffälliger Schrift folgendes Inserat: Radfahrer I Am 1. Januar neuer Quartalbeginn. Abonniert nur bei der Post auf unsere Zeitschrift I Also: der Sortimenter bemüht sich, die Zeitschrift bekannt zu machen, Abonnenten zu sammeln, der Verleger fordert dagegen auf, nur bei der Post zu abonnieren. Kommentar überflüssig. W. ».