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lande, auch über die Oberlausitz sich möglichst gleichmäßig erstrecken möchte. Die Provinzialstände haben anr letzten Walpurgislandtage über diese Angelegenheit definitiven Beschluß nicht gefaßt, solchen vielmehr sich bis zur Vorlage eines Gutachtens Seiten der zur Abgabe eines solchen niedergesetzten Deputation Vorbehalten und Letztere entledigt sich des ihr ertheilten Auftrags durch das landständische Directorium in Folgendem: Die evangelische Lehre hat in der Oberlausitz unter anderen Verhältnissen Eingang gefunden, als in den Erblanden, und die .Entwickelung der Verfassungsverhältnisse der evangelischen Kirche ist daher auch in verschiedener Weise in beiden Landestheilen vor sich gegangen. Während die Reformation im sechszehnten Jahrhundert in den Erblanden durch den Landesherrn gefördert wurde, fand in der zu jener Zeit der Krone Böhmen unterstehenden Ober-Lausitz das Gegentheil statt und als im siebenzehnten Jahrhundert die beiden Markgrafthümer Ober- und Nieder-Lausitz unter die Hoheit des Churfürsten von Sachsen gelangten, wurden in dem hierüber abgeschlossenen Receß vom 30. Mai 1635 Hindernisse einer gleichmäßigen kirchlichen Verfassungsgestaltung in beiden Landestheilen gefunden. In dem letzteren und insbesondere in den hierin enthaltenen Bestimmungen über die Verhältnisse der katholischen und evan gelischen Glaubensgenossen nach der früheren Auffassung der Tragweite derselben ist der Grund zu suchen, daß sich die Jnspectionsrechte über die evangelische Kirche in eigenthümlicher Weise im Laufe der Zeit gestaltet haben. In den Städten waren es die städtischen Obrigkeiten, auf dem Lande die Kirchenpatrone und Collatoren, die sich, durch die Verhältnisse hierzu genöthigt, in den Besitz der Jnspectionsrechte setzten und diese theils selbst, theils im Verein mit den Verwaltern ihrer Gerichte und durch diese ausübten und es ist deshalb von Anfang an die kirchliche Behördenverfassung in der Oberlausitz keine von Außen gemachte, sondern eine aus thatsächlichen Verhältnissen von selbst hervorgegangene gewesen. Die von dem Landesherrn in den Erblanden bestellten Consistorien, kirchliche, aus weltlichen und geistlichen Mitgliedern zusammengesetzte Behörden, erlangten in der Oberlausitz keine Wirksamkeit, insbesondere fand auch das Institut der Superintendenten, welche bei Einführung der Reformation im Churfürstenthum Sachsen als unterste kirchliche Instanz berufen wurden, die Einheit der Lehre und die Gleichförmigkeit der Ceremonien zu erhalten, sowie in der Eherechtspflege mit zu wirken, in der Ober lausitz keinen Eingang und es war bis zum Jahre 1821 das geistliche Element weder bei den unteren Behörden, noch bei der oberen Behörde der Provinz vertreten. Im Jahre 1821 wurde nach Inhalt des Mandats vom 12. März 1821 (Gesetzs. v. I. 1821, S. 17 fg.j, die neuen Verfassungs- und Verwaltungseinrichtungen in der Oberlausitz betr., die Ober- Amts-Regierung errichtet und dieser die Betreibung aller auf das Kirchenregiment bei den geistlichen Sachen der evangelischen Glaubensgenossen Bezug habenden Angelegenheiten in dem, dem Oberamte zuständig gewesenen Umfange zugewiesen. Hierbei wurde zugleich bestimmt, daß die Ober-Amts-Regierung aus einem Präsidenten, vier weltlichen Rächen und einem geistlichen Beisitzer, mit dem Prädicate eines Kirchen- und Schulraths, bestehen solle und aus dem Mittel der Ober-Amts-Regierung eine besondere Kirchen- und Schul-Commission gebildet werde. Durch diese Bestimmungen erlangte nunmehr in der oberen kirchlichen Instanz das geistliche Element Vertretung.