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Dl 343 2 Börsenblatt f. d. Dtschu. vuchhandel. Redaktioneller Teil. X? 237, 8. Oktober 1924. Wenn man sagen soll, was denn eigentlich zu Weihnachten hauptsächlich gekauft wurde, so kann man diesmal antworten: Alles. Das Publikum forderte nur in einzelnen Fällen bestimmte Werke. Meistens ließ es sich gern beraten. Dieses Moment er scheint besonders beachtenswert. Zeigt es doch, daß dem Sorti menter durchaus Gelegenheit gegeben ist, Wertbücher zu verkau fen und die Erscheinungen bevorzugter Verleger zu verbreiten. Auffällig war es, daß mehrfach Kunden kamen, die auf Pro spekte hin ein Buch direkt vom Verleger bezogen hatten, wobei ihre Erwartungen jedoch stark getäuscht worden waren. Wir haben dies nicht nur bei belletristischen oder volkstümlichen, sondern auch bei wissenschaftlichen Werken seststellen können. Es steht zu hoffen, daß solche Fälle sich gar nicht oft genug wie derholen können, damit auch die überklugen von selbst wieder zum Sortiment sich zurückfinden. An den Verlag richten wir die herzliche Bitte, sich des Sortiments als des gegebenen Vermitt lers zu bedienen. Der Anfang des neuen Jahres, des zehnten nach Ausbruch des Weltkrieges, bietet ein in jeder Beziehung trostloses Bild. Die mit der Stützung unserer Währung verbundene Knapp heit an Zahlungsmitteln hatte sich im Buchhandel be sonders bemerkbar gemacht. Ist doch das Buch das erste aller Bedürfnisse, an dem gespart wird. Zu Ostern flackerte noch ein mal der Geschäftsgang auf, um dann aber bis zum heutigen Tage völlig lustlos und schleppend zu liegen. In einer Kund gebung des Börsenvereins-Vorstandes (Bbl. 1924, Nr. 161) wird diesem Zustand Ausdruck gegeben. Auch aus unserem Verbands bereiche liegen trübe Nachrichten über die wirtschaftliche Lage des Buchhandels vor, sodaß wir an dieser Stelle die dem Ber lage und Sortiment vom Börsenverein in genannter Bekannt machung gegebenen Ermahnungen und Mittel zur Behebung dringend unterstreichen. Mit allen Kräften hat sich Ihr Vor stand gegen die unerwünschten »Büchervertriebsstellen« und »Zwergbetriebe« gewendet, was weiter unten noch gelegentlich des Berichtes über die Mitgliederbewegung zum Ausdruck kommt. Auch Ihr Vorstand ruft Ihnen zu: »Gehen Sie neue Wege, überlassen Sie nicht anderen diese Wege, damit Sie nicht eines Tages an die Wand gedrückt werden. Sorgen Sie, meine verehrten Herren Kollegen, selbst dafür, daß nicht vermeintlich Unbefugte Ihre Kreise stören, aber dann über Nacht als Be rufene sich erweisen!« Was sind denn nun solch neue Wege? Man mag über Werbung denken, wie man will. Man mag auch »Werbung- für ein zeitgemäßes Schlagwort halten. Auch heute gilt noch der Grundsatz: Wie soll die Welt wissen, daß du etwas hast, wenn du es ihr nicht mittetlst. Die Zeiten wirtschaftlicher Flaute las sen den Wettbewerb besonders hervortreten. In diesem Kampfe brauchen wir eben als Hilfsmittel die Propaganda. Daß diese natürlich im Rahmen der buchhändlerischen Ordnung zu betrei ben ist, ist Wohl selbstverständlich. Die seit Oktober 1923 in Tätigkeit getretene Werbestelle des Börsenvereins war eine der größten Notwendigkeiten des Buchhandels, und mit Stolz können wir heute bereits auf die dort geleistete Arbeit blicken. Die Hauptaufgabe dieser Einrichtung wird einmal sein, für das »Buch« allgemein zu werben, zum anderen aber die Einzel- Werbung für ein bestimmtes Literaturgebiet oder gar für ein bestimmtes Werk fördernd zu unterstützen, Mit ganz besonderer Genugtuung erfüllt es uns, daß ein Verbandsmitglied des »Sächsisch-Thüringischen Buchhändler-Verbandes«, Herr Fried rich Rein ecke, Magdeburg, der Wevbestelle angehört und mit zahlreichen Ideen und praktischen Ausführungen sich unermüd lich in den Dienst der Sache stellt. Leider mit Recht muß der Börsenverein in der bereits unge zogenen Erklärung auf moderne Geschästspraxis Hin weisen. So bedauerlich es ist, so hegen wir doch Zweifel, daß bereits überall der Vorteil einer geregelten Buchführung er kannt ist. Diese aber wiederum verbürgt allein einen geregelten Geschäftsgang und dient nicht nur dem eigenen Betriebe, son dern auch der Gesamtheit. Daneben wolle nicht verkannt wer den, daß auch im Buchhandel im Einkauf bereits der Nutzeit liegt. Zusammenlegen von Bestellungen und Ausnutzen beson derer Vorteile, die einzelne Sortimenter bei einem Verlage ge- - nießen, schaffen die Grundlage. Der Verlag steht in keiner Weise dieser Praxis entgegen, zieht er doch selbst nur Vorteile daraus. Über alledem aber steht der Sinn für Gemeinschaftsarbeit und ein Wille zu kollegialem Zusammenschluß. Dies gilt für Verleger und Sortimenter zu gleichen Teilen. Zurückkehrend zur eigentlichen Berichterstattung müssen wir seststellen, daß der Sortimentsteuerungszuschlag nicht von Verbands wegen, sondern unter dem Druck der Gesetz gebung und der wirtschaftlichen Verhältnisse wenn auch nicht seine Lösung, so doch seinen Fall erlebt hat. Der Teuerungszu schlag, seit Aufkommen vom Verlage bekämpft, fand zu Beginn des Jahres in den Reihen der Sortimenter, vorzüglich gerade in unserem Verbandsbereiche, starke Gegner. Ihrem Vorstand war es nicht möglich, die Widerstrebenden zu Len Beschlüssen zu führen oder gar Zwangsmittel zur Anwendung zu bringen, da neben der »Anreizung zum Preiswucher- vor allem die »Ver ordnung über den Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellung vom 2. November 1923 (Kartellverordnung)« entgegenstand. Zur Erkundung der Meinungen versandten wir daher im Februar ein Reversrundschreiben, mittels dessen sich unsere Mitglieder bei einer Konventionalstrafe freiwillig zu einem Spesenzuschlag verpflichten sollten. Nur 72 Mitglieder erkannten an, während oie übrigen ablehnten oder schwiegen. Wir haben daher im Zweifelsfalle unsere Ansicht dahin zusammengefaßt, daß ledig lich die einzelnen Orte oder Bezirke ein Abkommen treffen könn ten, und haben diesen Weg empfohlen, so oft wir Anfragen er- hielten. Am 22. Oktober 1923 und 26. Februar 1924 hat Ihr Vor stand zusammen mit den buchhändlerischen Spitzenorganifatio- nen in Leipzig zur Frage des Teuerungszuschlags Verhandlun gen gepflogen. Weit mehr Beachtung als dem Spesenzuschlag gebührt der Aufrechterhaltung des Ladenpreises. Dieses Bollwerk des Buchhandels wird heute ernstlich bedroht. Infolge Geldknappheit haben Verleger erhebliche Bestände ihrer Ver- lagswerkc auf den Markt geworfen, und zwar zu Preisen, die dem Einzelhändler die Nichteinhaltung des Ladenpreises durch aus erlaubten. Aber auch Sortimenter glauben durch Schleu dern ihre Kasse zu füllen. In beiden Fällen verbietet die bereits oben erwähnte Kartellverordnung und in Verbindung damit die von den Gerichten geübte Gestehungskosten-Theorie den buch händlerischen Organisationen, ihr wirksamstes Zwangsmittel, die Sperre, in Anwendung zu bringen. Der Börsenverein sah sich veranlaßt, in einer Erklärung (Bbl. 1924, Nr. 53) gegen dieses Tun unter Hinweis auf die Bestimmungen der Verkehrsordnung vorzugehen, und wie es scheint mitErfolg, da die in Rede stehenden Angebote, sowohl des Verlages als auch der Großantiquariate, Nachlassen. Bei dieser Gelegenheit bitten wir unsere Mitglieder, die Einhaltung des Ladenpreises mit allen Mitteln anzustreben und vor allem auch denRabatt-Wünschender großen Bibliotheken nicht zu entsprechen. Im Gegensatz zu frü heren Jahren war der Verband in keinem Falle gezwungen, wegen Schleuderei gegen ein Mitglied Maßnahmen zu ergreifen. War bisher das Schulbüchergeschäft von jeher ein Schmer zenskind des Sortimenters, so stehen jetzt durch die Neuord nung des höheren Schulwesens in Preußen und die damit ver bundene Herausgabe neuer Lehrbücher besondere Schäden be vor. Auch im verflossenen Jahre haben nach Städten unseres Bereiches direkte Sammelliescrungen des Verlages an die Schu len stattgefunden. Wir empfehlen unseren Sortimenter-Mitglie dern wiederholt, sich in allen Fällen, wo es sich um Neueinfüh rungen handelt, mit den Verlegern zwecks Lieferung durch den ortsansässigen Buchhandel ins Einvernehmen zu setzen. Nach dem insbesondere der Thüringer Schulbuchhandcl durch Grün dung des Staatsverlages Nachteil erfahren hatte, stand in die sem Jahre auch die Errichtung eines Sortimentsgeschäftes durch die Regierung des Landes Thüringen bevor. In dankenswerter Weise ist der Vorstand des Börsenvereins dieser Absicht eni- gegengetreten, und auch der Sächs.-Thür. Buchhändler-Verband hat bei den maßgebenden Stellen seine Ansicht zum Ausdruck gebracht.