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.V 23l, I. Oktober 1912. Nichtamtlicher Teil. Mr1-n«I»tt r L Dllch». Buchend- 11749 Nichtamtlicher Teil. Bericht iiber die 33. Hauptversammlung des Kreisvereins Mecklenburgischer Buchhändler am 14. Juli 1912 in Ncubrandenburg, Goldene Kugel. Nach der Eröffnung der Sitzung um 11 Uhr und der Begrüßung der Anwesenden durch den Herrn Vorsitzenden wurde zunächst die Präsenzliste festgeslellt. Sie lautet: Beholtz-Stavcnhagen, Bohnhosf-Schwerin, Brückner- Neubrandenburg, Duncker-Friedland, H. und E. Grundgeyer-Rostock, Heidmüller-Wismar, Hempel- Schönberg, Opitz-Güstrow, Strenge-Schwerin, Warken- tien-Rostock. Der Herr Vorsitzende trägt sodann den (nachstehend ab- gcdruckten) Jahresbericht vor, der Herr Schriftführer den Bericht über die Ostermeß-Versammlungen. Der Be stand der Kasse ist 234,29 Die Herren Strenge und Bahn hofs prüfen die Kassafllhrung und beantragen auf Grund dessen die Entlastung des Schatzmeisters, die auch von der Versammlung erteilt wird. Kollege Heidmüller bringt den Dank der Versammlung für die Berichte des Vorsitzenden und des Schriftführers zum Ausdruck und betont noch einmal die Notwendigkeit, die AK II und 12 der Berka ussordnung so zu ändern, daß das Sortiment wieder lei st ungs- und ertragsfähig wird. Die rücksichts lose Ausnutzung der dem Verlag in diesen 88 gestatteten Freiheit in der Normierung von Ausnahme- und Vorzugs preisen hat zu einem tiefgehenden Mißtrauen des bücher-' kaufenden Publikums gegen alle Bücherpreise geführt und hat Zustände geschaffen, die ganz schwere Schädigungen des An sehens des Buchhandels in sich bergen. Was nutzt der soge nannte Ladenpreis, wenn seine Jnnehaltung zwar dem Sor timent aufgezwungen wird, vom Verlag aber fortwährend umgangen und verleugnet wird! Es gibt keinen anderen kaufmännischen Erwerbszweig, in welchem es möglich sein könnte, daß der Fabrikant über die dem Wiederverkäufer vorgeschriebenen Verkaufspreise bei direkter Lieferung an den Konsumenten sich persönlich ohne weiteres hinwegsetzt und sich nicht daran bindet. Im kauf männischen Betriebe würde eine derartige doppelte oder drei fache Preisnormierung seitens des Fabrikanten als unreell bezeichnet werden, und das mit Recht! Herr H. Grundgeher berichtet noch über eine Reihe von solchen verlegerischen Preisunterbietungen, die er zur weiteren Bearbeitung dem Vorstande überweist. Die Erhöhung des Beitrags zum Verband um 50 H Pro Mitglied wird, nach eingehender Befürwortung durch den Herrn Vorsitzenden, bewilligt. Die verlegerische Praxis beim Zurückverlangen von Novitäten wurde lebhaft erörtert, zumal wird es als aller Vernunft Hohn sprechend bezeichnet, wenn in besonders arbeitsreicher Zeit wie vor Weihnachten usw. das Zurück verlangen so umfangreich und planlos betrieben wird, wie es seitens einer großen Verlagshandlung vor etwa zwei Jahren geschah, indem ungefähr 300 diverse Bücher durch Börsen- blaltinserat aus einmal zurückgeforderl wurden. Es ist eben völlig unmöglich, dem Verleger solch' Verlangen zu erfüllen, und nur völlige Unkenntnis des Sortimentsbetriebes ver bunden mit Geltendmachung der Macht des Stärkeren kann solche Maßregel erklären. Ladenhüter, langjährige Dif ferenzen und Verstimmungen, in jedem Fall Benachteiligung des Sortimenters sind die Folgen so unzweckmäßigen Ver- Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. fahrens. Wie viele gute Kunden werden verschnupft und ver bitten sich jegliche Belästigung durch Ansichtssendungen, wenn die Zurückforderungen im Laufe des Jahres sich immer wie derholen. Wieviel Zeit wird unnötig versäumt durch das Warten der Boten in den Wartezimmern der Ärzte und An wälte! »Traf zu spät hier ein«, kann der Verleger Wohl leicht schreiben, aber das »zu spät« zu vermeiden, — das ist oft eine Unmöglichkeit, zumal bei massenhaftem Nllckfordern! — Wohl ist zuzugeben, daß der Verleger eben falls in Verlegenheit kommen kann durch schnelleren Absatz, als erwartet werden konnte, — Las sind aber doch immerhin Ausnahmen. Wie oft kommt es aber vor, daß Zurückver- langung geschieht, bevor das betr. Buch überhaupt beim Sor timenter eingetroffen ist! Unter solcher Praxis, der meist ge schäftliche Unerfahrenheit oder Unkenntnis zugrunde liegt, leidet aber der Sortimenter sehr. — Ob bei Änderung der Verkehrsordnung hierüber andere Bestimmungen getrosten werden können, ist zunächst nicht zu übersehen, denn die Ethik der Kulanz läßt sich schlecht in Formeln fassen, und die kapi talistische Überlegenheit des Verlages wird stets zu Aus wüchsen verleiten. Die von den I u g e n d s ch r i s t e n - A u s s ch ü ss e n veröffentlichte» Kataloge und Bücherverzeichnisse sind meist so einseitig und unvollständig, daß sic kaum ihren Zweck erfüllen. Es ist außerdem die Außer achtlassung der Buchhändler bei Aufstellung dieser den Eltern als unantastbar zuverlässig empfohlenen Verzeichnisse ein Zeichen, wie wenig die Verfasser solcher Listen, die ausschließ lich seminaristisch gebildete Lehrer sind, es verstehen, die rich tigen Quellen zu benutzen. Nur ihr Urteil lassen sie gelten, — eine durch nichts gerechtfertigte Anmaßung, — und ihr Anspruch auf das Vertrauen der Eltern ist meist nicht in der Sorgfalt und Gründlichkeit ihrer Arbeit begründet; siehe auch Jahresbericht. Ganz besonders zu verurteilen ist es aber, wenn, wie es vorgekommen ist, die Empfehlung von Jugend- und Volksschristen von Extrazuwendungcn an allerhand Kas sen abhängig gemacht wird. Die Anwesenden wollen in ihren Wohnorten versuchen, ihren Einfluß auf Absatz wirklich guter Jugendschriften usw. auch bei den bestehenden Ausschüssen geltend zu machen. ReclamS Bücherautomat, dessen Brauchbarkeit allseitig anerkannt wurde, fand auch in unseren Kreisen un geteilten Beifall. Man bedauert nur, daß in diesem Sommer uns und den Ostseebädern noch keine Apparate überlassen werden konnten. Es ist in allen Bade- und Kurorten die Auf stellung einer nicht unbeträchtlichen Anzahl in Aussicht ge nommen, ebenso in allen größeren Städten, und man erhofft davon einen wesentlich vergrößerten Absatz der Universal- bibliothek, wie entsprechenden Nutzen für die beteiligten Sor timente. Die Rostocker Kollegen wollen sich zwecks Ausnutzung der Automaten zusammenschließen, einem gegen Vergütung die Füllung und Besorgung überlassen, das Kapital zum An kauf der Hefte usw. aber zu gleichen Teilen zusammenschieben. Ob eine gleiche genossenschaftliche Ausnutzung auch an an deren Orten wird eingerichtet werden können, steht dahin; wünschenswert wäre es! — Man hofft, daß nicht auch viele andere Verleger ähnliche Verkaufsautomaten aufstellen wer den. Es ist die Gefahr solcher Automalen-Seuche unzweisel- haft vorhanden, wie die Serien-Seuche leider auch von Jahr zu Jahr mehr um sich greift. Auch wird der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß die billigen Kollektionen das Publikum verwöhnen und von dem Kauf teurer Bücher abhalten wer den. Eine durchaus nicht von der Hand zu weisende Be fürchtung. 1240