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219, 20. September 1899. Nichtamtlicher Teil. — Sprechsaal. 6731 die in fünf Teile geteilte Summe an fünf Studenten für eine Reise um die Welt verliehen werde. Der Universitätsrat sollte die Stipendiaten bestimmen. Und so traten denn vor etwa einem Jahr die Studenten Hovelacque, Maitre, Mstrie, Müller und Venlerne ihre Weltreise an, von der man sie um das nächste Weihnachtsfest wieder zurück erwartet. In diesem Jahre nun hat der unbekannte Geber die nämliche Summe gestiftet und noch obendrein für jeden der reisenden Studierenden 1500 Frcs. zur Anschaffung von Büchern, Karten, Reiseerinnerungen u. s. w. bei gefügt. — Die Pläne des Pariser Architekten Bernard für die zu erbauende Universität California in San Francisco sind angenommen worden. Das Gebäude wird sieben bis acht Millionen Dollar kosten. Die ganze Summe wird von einer Dame, Miß Phoebe Hearst, hergegeben. Bekanntlich war im vorigen Jahre eine Konkurrenz für alle Architekten der Erde für die Gebäude dieser Universität ausgeschrieben. Erhaltung alter Handschriften. — Im Sitzungssaals der Ersten Kammer im Landhaus-Gebäude in Dresden fand am 18. September eine vom königlich sächsischen Kriegsministerium einberufcne Konferenz deutscher Archivare statt. Auf dieser hielt der Ober-Regierungsrat vr. Posse als Referent des Kriegs ministeriums einen Vortrag über die Erhaltung schadhaft ge wordener Akten und Handschriften, worin ein ganz neues, im sächsischen Kriegsministerium entdecktes und seit längerer Zeit mit großem Erfolg gehandhabtes Verfahren zur Imprägnierung schadhaft gewordener Akten und Handschriften besprochen wurde. Stiftung der deutschen Industrie. — Die Sammlungen für die Stiftung der deutschen Industrie aus Anlaß der hundert jährigen Jubelfeier der Königlichen Technischen Hochschule zu Berlin haben nach der neuesten Bcitragsliste, wie der Arbeitsausschuß mitteilt, sehr erfreuliche Fortschritte gemacht und ergeben heute bereits eine Summe von rund l'ft Million Mark. Ein Verzeichnis der Stifter und ihrer Beiträge wird seiner Zeit der Stiftungs urkunde beigegeben. Aus der Stiftung sollen u. a. angeregt und gefördert werden: Studienreisen von hervorragenden Gelehrten und Praktikern, Berichterstattung hierüber an Behörden und industrielle Kreise, wichtige Forschungsarbeiten und Unter suchungen, die Begründung und Entwickelung technisch-wissenschaft licher Anstalten aller Art, Herausgabe technisch-wissen schaftlicher Werke und dergleichen mehr. Das Stiftungs kapital wird von einem Kuratorium verwaltet werden, in dem jede technische Hochschule und jede Berg-Akademie des ganzen Deutschen Reichs einen Vertreter haben wird. Außerdem aber gehören diesem Kuratorium ebensoviele hervorragende Industrielle an. Hierdurch ist die volle Gewähr dafür geboten, daß die Mittel der Stiftung in freigebigster und erfolgreicher Weise wirklich für alle Zweige der technischen Wissenschaft verwendet und für die gesamte Industrie des deutschen Vaterlandes in allen Gebieten nutzbar gemacht werden. Das Kuratorium wird über seine Thätigkeit alljährlich einen Bericht erstatten, der nicht nur den zuständigen Behörden und Körperschaften, sondern auch den Stiftern regelmäßig direkt übersandt werden soll. Es wird auf diese Weise in lebendiger Wechselwirkung ein Zusammenarbeiten von Wissenschaft und Praxis erzielt werden, das einen nach haltigen und segensreichen Einfluß auf die fernere Entwickelung der Industrie ausüben dürfte. Aus dem Antiquariat. — Die mehrere tausend Bände umfassende Bibliothek des verstorbenen früheren Seeamtspräsidenten Or. Prien, Verfassers des Werkes: Der Zusammenstoß von Schiffen re., ist durch Kauf in den Besitz des Antiquariats von Paul Lehmann in Berlin übergegangen. Personalnachrichten. Gestorben: am 8. September der bekannte französische Luftschiffer und Schriftsteller Gaston Tissandier im Alter von 56 Jahren. Von frühester Jugend an fühlte sich Tissandier zu den Natur wissenschaften hingezogen und widmete sich nach Absolvierung des Gymnasiums dem Studium der Chemie. Daneben beschäftigte er sich mit dem Problem der Luftschiffahrt, das schon frühzeitig eine große Anziehungskraft auf ihn ausübte. Im Jahre 1868 unter nahm er in Begleitung von Durnof von Calais aus seinen ersten Auf stieg, bei dem es ihm gelang, den Ballon, nachdem er eine ganze Strecke über den Hafen hinausgekommen war, mit Hilfe höherer Luft strömungen auf den Ausgangspunkt zurückzuführen. Seitdem hörte er nicht mehr auf, sich mit der Lustschiffahrt zu beschäftigen und die Lösung des Problems des lenkbaren Luftballons zu suchen. Cr und sein Bruder, der Zeichner Albert Tissandier, sind diejenigen, die die größte Anzahl von Aufstiegen ausgeführt haben. Im Kriege 1870/71 stiegen sie zusammen aus dem belagerten Paris auf und leisteten damit der Regierung und der Armee einen großen Dienst. Im Jahre 1875 nahm Gaston Tissandier zu sammen mit de Sivel und Croce-Spinelli an dem zu so trauriger Berühmtheit gelangten Aufstieg des Ballons -Zenith» teil, bei dem die Luftschiffer eine Höhe von 8600 Metern erreichten, die beiden Gefährten Tissandiers aber das Leben verloren. — Auch als wissenfchaftlicher Schriftsteller hat der Verstorbene sich einen Namen gemacht. Im Jahre 1873 gründete er die Zeitschrift -La Nature», deren Redaktion er aber nach zwei Jahren aus Gesundheitsrücksichten niederlegen mußte. Er hat zahlreiche wissenschaftliche und populäre Arbeiten verfaßt, von denen be sonders mehrere gute Jugcndschriftcn auch in andere Sprachen übersetzt sind. Sprechsaal Warnung. Vor einem elegant gekleideten, sicher auftretenden Herrn, der sich Königlicher Rcgierungsbauführer Martin Denker nennt, wird hiermit gewarnt. Derselbe ist etwa 28 Jahre alt, dunkel, bartlos und von schlanker Gestalt. Er giebt an, aus den: Braudenburgischen zu stammen, und will in Königsberg angestellt gewesen sein. Es war ihm gelungen, bei mir Bücher auf Kredit zu erhalten. Als ihm der Boden zu heiß wurde, machte er sich schleunigst auf und davon. Lüneburg, 14. September 1899. F. Delbanco. Die -Lüneburg'schen Anzeigen» berichten in Nr. 219 vom 17. September über diesen Fall: (Ein feiner Herr!) -Ein netter, ein sehr feiner Herr», wie eine Frau sich ausdrückte, hatte sich vor einigen Tagen unsere Stadt als Operationsfeld einer, glücklicherweise jetzt unterbrochenen Thätigkeit ausersehen. Diese hätte leicht für viele verhängnisvoll werden können. Der -feine» Herr mietete sich bei einer Witwe an der Schlachthausstraße ein, gab aber gleich zu erkennen, daß er alles äußerst nobel zu haben wünschte. Er gab sich als Regierungs bauführer bei der Irrenanstalt aus, renommierte mächtig mit den hohen Renten, die ihm allmonatlich zuflössen, machte seiner Wirtin kostbare Geschenke, erwies auch anderen höchst respektable Aufmerksamkeiten und war mit allen, die mit ihm in Berührung kamen, äußerst nett, kein Wunder, daß der Herr Bauführer, der stets wie aus dem Ei gepellt aussah und zur Erhöhung des Eindrucks Schmucksachen und silberne Armbänder trug, bald großes Zutrauen gefunden hatte. Nur ein hiesiger Geschäftsmann, bei dem der angebliche Beamte auffallend viel gekauft und nicht bezahlt hatte, war argwöhnisch. Cr rückte dem jungen Herrn von etwa fünfundzwanzig Jahren auf den -Salon- und forderte kurzerhand Geld oder das — Gekaufte. Nach einigem Hin- und Herreden kapitulierte der junge Mann und gab unter Ver wünschungen die Waren heraus. Anscheinend ist ihm aber der Boden Lüneburgs zu heiß geworden — denn er verduftete zur selbigen Stunde. Preisunterbietung durch den Verleger. (Vergl. Börsenblatt Nr. 201, 207 u. 211.) Auf die Ausführungen von Herrn Emil Stock's Verlag in Zwenkau (Nr. 211) nur ganz kurz — als letztes Wort — diese wenigen Zeilen. Herrn Emil Stock's Verlag hat ausdrücklich, ohne irgendwelche Motivierung, dem Konstanzer Herrn das Buch statt zu 4 20 zu 3 ^ angeboten. Warum wollte Herrn Stock's Verlag dabei einen Vorzugspreis im Auge haben? Nur, weil der Betreffende 17. 17. heißt, der alles andere, nur kein »Verwaltungsbeamter» ist? Warum bietet der Verleger dem Sortimenter das Buch nicht zum Vorzugspreis an? Vielleicht, weil der Privatbesteller dem Ver leger eine vollkommen fernstehende Person ist, während der Sorti menter mit dem Verleger in regem Verkehr steht! Alle anderen Ausführungen von Herrn Emil Stock's Verlag haben gar keinen Zweck. Der Fall liegt klar vor: Dem Sortimenter wird vom Verleger die Einhaltung des Ladenpreises aufs strengste vorgeschrieben, der Verleger bietet einer beliebigen Person das gleiche Buch zu gleicher Zeit bedeutend billiger an. Alle abschwächenoen Redensarten ändern an dem Fall keinen Deut, und es ist nun Sache der Sortimenter, sich der artige Vorkommnisse für später wohl zu merken. Konstanz. Ernst Ackermann. 896*