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H 24, 30. Januar 1917. Redaktioneller Teil. Günstige Umstände machten es möglich, das; noch am Nachmittage des l. feiertags ein Teil der von dem Kompagnieführer nnd der >io»ipagnte in reichlichem Maße gestifteten Gaben zur Verteilung kommen tonnte, sodaß die Festtage nicht verstrichen sind, ohne jedem Manne eine sichtbare Weihnachtsfreude zu bringen. Das Eintreffen einer ganzen Reihe von Büchern wnrde dankbar begrüßt, auf all gemeinen Wunsch sind die Bände der Kompagnie-Bibliothek einverleibt morden und haben seitdem schon manchen Leser gefunden, denn auch die feldgrauen greifen in erster Linie nach den «zuletzt eiugetroffeneu Gegen Ende Dezember wurden mir abgelöst nnd kamen zunächst in Ruheguartiere, wohin »ns schließlich die Wcihnachtspost aus der Heimat in Etappe» folgte. Etwa zwei Wochen laug brachte die Post täglich diesem oder jenem noch nachträgliche Weihnachtsgrüße. Die Be fürchtung, daß infolge mehrfacher Adressenänderung manche Briefe ins Rutschen^ gekommen märe», erwies sich zur Ehre der Feldpost als unbegründet. So hat denn jener Freund Recht behalten, der schrieb: Das Ehristkindle wird schon dafür sorgen, daß die Feldgrauen ihre Post erhalten«. Rach Verlauf der ersten Hälfte des Januar konnten wir an einem Kompagnie-Abend die Feier nachholen, die für den heiligen Abend geplant war. So sind wir denn nm nichts gekommen, nnr haben wir warten müssen. Warten müssen Für die meisten Feldgrauen besteht der Urieg vor allem der Stellungskrieg ans einem mehr oder weniger laugen Warten vor einein im Verhältnis dazu kurzen Handeln. Lenaus Ratschlag, daß man am besten die Heit verraucht, verschläft, vergeigt, wird wohl überall an der Front, soviel »nr möglich, befolgt werden, mit dem Unterschied allerdings, daß der deutsche Feldgraue anstatt der Fiedel der Pußtasöhne eine Mundharmonika mitftthrt. ES gibt nun Gelegenheiten, wo man diese drei Tätigkeiten, in hinreichender Weise ansgeübt, auch seinen Appetit gebührend gestillt hat nnd dennoch Zeit übrig behält. In solchen Vagen werden 70 Feldgrane von 100 »nm Buche greisen, die anderen 30 spielen Skat. Viele von uns werden gern für jene Wartezeiten Bücher mitführcn, vorausgesetzt, daß sie nicht zu umfangreich sind. Ich glaube auch mit der Behauptung stecht zu behalten, daß alle Verleger, die von bedeutenden Büchern Ausgaben für das Feld auf düuucm Papier herausbrachtcn, gute Er folge zu verzeichnen hatten. So hatte ich z. B. vor längerer Zeit den Peter Schlemihl und die .Harzreise in der Ausgabe der »Weltliteratur« auf den Boden meines Tornisters gepackt und war froh und meh rere Kameraden mit mir , diese Lektüre während einer Zeit zu haben, wo andere nicht aufzutreiben war. Geschätzte Gönner und liebe Freunde haben mich aus Anlaß des Ehristfestcs durch Übersendung einer ganzen Reihe von Büchern er freut. Vielleicht interessiert es daheimgeblicbene Buchhändler, wenn ich hier drei Werke ansührc, deren Lektüre mir bisher möglich war. Uber die Empfindungen, die der Krieg nnd seine Folge» in jungen Gemütern auslöst, geben die »Feldpostbriefe eines Fahnenjunkers« von Mi Klimsch wertvolle Aufschlüsse, das Buch atmet den Geist jener Kriegsfreiwilligen, die bei Langemarck stürmend sangen: Deutschland, Deutschland über alles. Eine auch für Buchhändler sehr lesenswerte nnd gerechte Gegenüberstellung deutschen und französischen Geistes lebens bringt Leopold Ziegler in seinem Werke: »Der deutsche Mensch«. Ein Hochgenuß für mich nnd die stets bilderhnngrigcn Augen der Kameraden war das blaue Buch Die schöne -Heimat«, das der Ver leger in erster Linie für die Verteidiger des deutschen Vaterlandes nnd dann für die Anslanddentschen zusammcngestellt hat. Wenn man, wie Schreiber dieser Zeilen, unter beide Kategorien fällt, kann man nnr desto mehr Freude an dem Bande haben. Erst kürzlich schrieb mir jemand, der einen sehr guten Einblick in die Verhältnisse des deutschen Buchhandels hat, daß manches Sorti ment aus Anlaß des vergangenen Weihnachtsscstcs größere Umsätze erzielt habe als vor dem Kriege. Dies läßt darauf schließen, daß das deutsche Buch trotz kriegerischer Verhältnisse seinen Platz behauptet. Hoffentlich wird es in gleicher nnd noch besserer Weise auch in Fric- denszeiten geschätzt. Mögen Gott nnd Hindenburg helfen, daß diese Zeiten bald kommen! Kleine Mitteilungen. Zur Schriftfragc. - Der Schriftbund Deutscher Hochschullehrer schreibt uns: Gestatten Sie zu de» in mehrfacher Hinsicht interessan ten Ausführungen des Herrn l)r. Schmidkunz in Nr. 10/11 des Bör senblattes einige kritische Bemerkungen aus der Erfahrung von Ge lehrten, die ein ausländisches Lcsepubliknm besitzen. Herr Di-. Schmidkunz will die Bücher einteilen in »Inhalts-« nnd in »Formliteratur«. Es sei dahingestellt, ob diese Unterscheidung, auf die verwickelten Verhältnisse der Wirklichkeit angewandt, nicht vielfach etwas Unpraktisches, ein wenig Metaphysisches hat. Nehmen wir einmal den Grundgedanken dieser Unterscheidung an. Dann zeigt sich aber sofort, daß die Forderung, Fvrmliteralur in Fraktur, In- haltsliteratur in Antigua zu drucken, trotz der begnemen Formulierung ei» Fehlschluß ist. Schmidkunz ist von der ästhetischen Überlegenheit der Fraktur überzeugt: gerade deshalb will er sie für Werke Vorbe halten, deren Form auch sprachlich uss. ästhetisch gewürdigt sein will. Run aber erkennt Schmidkunz an: »Die Fraktur ist eingängiger, sie wirkt mit Schriftbildern, die Antigua mit Gegeuwartszeichew. Wie dem Leserkreis des Börsenblattes bekannt ist und wie es erst vor kurzem z. B. die bisher in Antigua erscheinende Zeitschrift Die Flamme« bei ihrem Übergang zur Frakturschrift wiederum hervorge hoben hat, ist das Ergebnis der seit etwa fünf Fahren in Angriff ge nommenen physiologischen Prüfung der Schriftarten übereinstimmend mit der angedcuteten Äußerung Schmidkunz' dieses: die Fraktur prägt bessere Schriftbilder als die Antigua; sic ermöglicht deshalb ein rascheres »ud weniger ermüdendes Lesen lind Sichznrechtfiudcn im Text. IU-. Schackwitz bewertet die Überlegenheit der Fraktur- Schriftbilder mit miudesteus 25"/o. Null ist es doch klar, daß gerade solche Bücher, bei denen es nicht auf Genießen der ästhetischen Form, sondern auf möglichst beguemes Aufnchmen des nüchternen Tatsachen- inhalts ankommt, die eingängigsten« Schriftbilder erheischen. Gerade die »Inhaltsliteratur hat also zwingenden Anspruch auf die ein gängigeren -Schriftbilder« der Fraktur, während die von Schmidkunz sogenannten Gegeuwartszeichen« der Antigua die geistige Energie des Lesenden mehr auf die Bewältigung des Lesebildes ablenken, ihm die Sammlnng ans den Inhalt weniger leicht gestatten. Es bleibt also bei der längstbekannten Tatsache, daß nicht typo graphische Eigenschaften der Antigua (diese sind gerade für »Jnhalts- literatur« erheblich ungünstiger als die der Fraktur), sondern einzig nnd allein die Rücksicht auf ausländische Leser den Gebrauch der An tigua für deutsche Druckwerke rechtfertigen könnte. Ist diese Rück sicht aber wirklich begründet oder ist sie nicht vielmehr einer der zahlreichen psychologischen Irrtiimer, die wir Deutschen uns in der Be handlung des Auslandes haben zuschulden kommeil lassen? Es soll hier nicht die ganze Frage ausgerollt werden, die vor dem Krieg durch 1200 Hochschullehrer, die fast sämtlich Ausländser fahrungen mindestens mit ihren eigenen Büchern gemacht hatten, durch das Gutachten beantwortet ist: »Das Vorurteil, die deutsche Schrift hemme die Verbreitung deutscher Bücher im Ausland, ist ein be dauerlicher Irrtum, dem die Tatsachen und Zeugnisse der berufensten Beurteiler widersprechen. Es ist vielmehr für die Geschlossenheit und Stoßkraft der deutschen Literatur unerläßlich, daß sie möglichst ein heitlich in dem Gewand anstrete, das bei allen Völkern ihr ehren volles Wahrzeichen ist . Der Krieg hat viele wertvolle Bekräftigun gen für diese Auffassung gebracht. Auf der einen Seite den wütenden Kampf der Genfer und Lausanner »Intellektuellen«, des Corriere della Sera und Genossen gegen die deutsche Schrift als das »untrenn bar mit der deutschen Sprache verbundene Wahrzeichen des deutschen Übermutes«, aus der andern Seite Urteile, wie das in derselben Num mer 10 des Börsenblattes erschienene, des führenden Konstantiuopler Professors 1)r. Achmed Emin: »Ein lateinisch geschriebenes deutsches Buch kann ich nur mit Widerwille» lesen, wenn ich es überhaupt muß. Das Aufgeben der deutschen Schrift würde in der Türkei nnd wohl auch im übrigen Ausland als eine Preisgabe eines Stücks deutschen Kulturbcsitztums aufgefaßt werden und dem deutschen Kultnreinfluß schaden«. Wie man sieht, ist die Frage recht verwickelt und keines falls mit typographischen Erwägungen allein zu lösen. Aber auch diese letzteren führen gerade zu den umgekehrten Folgerungen, als -Herr l)r. Schmidkunz sie in seinen sonst so interessante» Ausführun gen zieht. Lchriftb » nd Deutscher Hochschullehrer I. A.: v. Or. Leipoldt, ord. Professor an der Universität Leipzig. Personalimchnchten. Gestorben: am 21. Januar nach langem schweren Leiden im 70. Lebensjahre Herr Verlagsbuchhändler Carl Günther, Inhaber der Verlagsbuchhandlung Heinrich Schmidt sc Carl Günther in Leipzig. Der Verstorbene trat am 1. Januar 1875 als Teilhaber in die 1872 gegründete Verlagsbuchhandlung Heinrich Schmidt ein, die von diesem Zeitpunkt an den obigen Firmennamen erhielt. Der Verlag, der neben anderen Schriften besonders solche auf den Gebieten der Jagd und Landwirtschaft verlegte (Bibliothek für Jäger- und Jagd- freunde, Prachtvolle Jagd- nnd Tierbilder fiir Jäger und Jagd- freunde), wandte in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als das Prachtivcrk seine Triumphe feierte, auch dieser Art Literatur sein Interesse zu, indem er Fr. v. .Hellwald, Amerika in Wort und Bild sowie desselben Autors Frankreich in Wort und Bild, Hübner, Ein Spaziergang nm die Welt nnd Schlagintweit, Indien ans den Markt brachte. 1887 trat -Heinrich Schmidt aus dem Geschäft ans, das nun-