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1432 Nichtamtlicher Theil. ^ 111, 17. Mai. Die Ausdehnung der Reichsgesetze auf das Vereinswesen und die Presse bedeutete für jeden verständigen Menschen so viel, wie das ausdrückliche Versprechen wichtiger Reformen auf diesem Gebiete. Aber die angeregte Erwartung darf nicht vertagt werden. Wir würden cs für einen glücklichen Zug der deutschen Politik gehalten haben, wenn sie vorbereitet gewesen wäre, in der ersten Session des deutschen Reichstages ein Preßgeseh vorzulegen, welches die alten Polizeichicanen beseitigte; nichts würde dem Reiche mehr Gunst cin- gebracbt, seine lebensvolle Kraft und Jugendfrische zu besserem Ausdruck gebracht haben, und die Arbeit ist nicht schwer, da viele Polizeihindernisse und Finauzchicancn nur abgcschafft zu werden brauchen. Auch hat die Presse in den schwierigen Zeiten sich genug Verdienste erworben, um mit aller Billigkeit fordern zu können, daß die polizeiliche Maßregelung und die fiscalische Ausbeutung unge säumt von ihr-genommen werden. Die Regierungen scheinen jedoch für diesen wichtigen Gegenstand noch keine Zeit gefunden zu haben, und die massenhaften Arbeiten mögen ihnen für diese Session zur Entschuldigung dienen, da ohnehin in der Vorbereitung der parlamen tarischen Geschäfte durch den Bundesrath für dieses Mal vieles der Entschuldigung und Nachsicht bedarf. Nun aber verlangt die über wiegend große Mehrheit des Reichstages, daß zwei Uebelständen sofort abgcholfcn werde, nämlich den Zeitungscautionen und der Entziehung der Befugniß zum Gewerbebetrieb wegen Preßvergehens. Die Auswahl dieser beiden Beschwerdepunkte ist in einem gewissen Sinne durch Zufall geschehen, weil theilweise die Meinung vor herrschte, daß die beiden Polizeibcschränkungen durch die Gewerbe ordnung und das Strafgesetzbuch bereits verboten seien und das Verbot nur der gesetzlichen Declaration bedürfe, lieber diese be strittene Auffassung bereits gültiger Reichsgesetze wollen wir mit dem Gegner nicht rechten, ebensowenig über den Ursprung desReichstags- bcschlusses. Mag immerhin die Auswahl der beiden Punkte als Zufall bezeichnet werden, genug sechs Siebentel des Reichstages verlangen die Abschaffung, alle Parteien des Hauses mit Ausschluß der äußersten conservativen haben beigestimmt und diesem fast ein- müthigen Votum darf der Bundesrath sich nicht verschließen, zumal da ihm sachliche Gründe der Verneinung nicht zur Seite stehen und die beiden gerügten Beschränkungen von keinem Menschen als nütz lich oder gerechtfertigt vcrtheidigt werden. Nur die schroffe Erklärung, welche ein Mitglied des Bundesrathes bei der ersten Lesung gegen den Antrag abgegeben hat, könnte im Wege stehen, aber wenn solche zarte persönliche Rücksichten ins Gewicht fallen sollten, so bietet ja der Umstand, daß der Antrag in zweiter Lesung in Form und Inhalt völlig verändert wurde, einen hinreichenden Grund zum Rücktritt aus einer falschen Position. Der gefaßte Beschluß trifft nur zwei vereinzelte und kaum die beiden schwersten Uebelständc. Die Stempelsteuer lastet noch schwerer aus der periodischen Presse, bringt noch größere Härten und Un gleichheiten mit sich, und gar erst die Beschlagnahme der Druckschrif ten, für welche selbst im Falle des größten Leichtsinns kein Ersatz geleistet wird, darf als organisirte Polizeiwillkür und straflose Ver mögensbeschädigung bezeichnet werden. Ein kräftiges Rütteln muß diese beiden größeren Uebelständc zu Falle bringen und kein neues Preßgesetz wird sie am Leben erhalten. Ihnen gegenüber ist der Beschluß des Reichstages eine sehr bescheidene Forderung, aber um so größeren Anspruch hat er auf ein bereitwilliges Entgegenkommen der Regierung. Außer der pedantischen Regel, alles gleichzeitig abzumachen, wüßten wir keinen Vorwand des Widerstandes. Wir legen auf den kleinen Anfang doch großen Werth, weil er die Richtung bestätigt, in welcher das Reich seine neu erworbene Kompetenz in Vereins - und Preßsachen ausüben soll. Die erste Abschlagszahlung mahnt, daß die weit größere Schuld bereits fällig ist und ungesäumt abgetragen werden muß. Der jetzige Beschluß des Reichstages gilt uns als Vorläufer des ganzen Preßgesehes. (Nat.-Ztg.) Miscellen. Zu der Literarcouvention mit Frankreich. — Nach Ausbruch des Krieges mit Frankreich ist in buchhändlerischen Kreisen die Frage vielfach besprochen worden: ob durch den Krieg die mit Frankreich geschlossenen internationalen Verträge der einzelnen deutschen Staaten aufgehoben seien; ja, irren wir nicht, sind solche von Einzelnen als aufgehoben angesehen und das durch dieselben in Deutschland geschützte literarische Eigenthum einzelner französischer Verleger als nun schutzlos behandelt worden. Die Frage bildet je denfalls eine Controverse, worüber es von Interesse ist die Stim men der Presse zu erfahren. Die National-Zeitung äußert sich dar über folgendermaßen: „Man hört oft ganz allgemein sagen und behaupten, alle Verträge zwischen Staaten würden durch einen Krieg aufgehoben und entkräftet. Wenn dieser Sah indessen für einen an erkannten Grundsatz, für einen nicht weiter anzufechtenden Vernunft satz gehalten sein will, so ist er als eine veraltete und keineswegs jetzt noch allgemein zugegebene Schulmeinung zu bezeichnen. Er ist aus Ansichten entsprungen, die in der heutigen Wissenschaft nicht mehr gelten; der Krieg wird nicht mehr für eine Aufhebung jeder Rechtsordnung angesehen. Wenn es früher geschah, so war es ein Jrrthum, der schon damals hätte nachgewiesen werden können; und gegenwärtig widerspricht dieser harten Auffassung nicht nur die mil dere Richtung, in der man jetzt bestrebt ist, das Völkerrecht zu ent wickeln: es gibt auch bereits sehr viele thatsächliche Verhältnisse und Sitten, in welchen in ganz handgreiflicher Weise zur Erscheinung kommt, daß ein Krieg nicht alle und jede Rechtsordnung zwischen den kriegführenden Staaten und Völkern beseitigt oder ausschließt. Man wird wohl immer mehr dahin kommen, anzuerkennen, daß in Kriegen nur solche Verträge erlöschen, die mit Nothwendigkeit wegen des Krieges erlöschen müssen und nicht fortbestchen können. Andere aber gibt es daneben, die sehr Wohl auch während eines Krieges in Kraft bleiben können, und wieder andere können nach dem Friedens schlüsse von neuem in Kraft treten. Nach diesen Gesichtspunkten werden sich vielleicht in der Zukunft die Sitten bilden; wenn freilich heute ein Staat darauf besteht, daß ein Handelsvertrag, den er einst eingcgangen, durch einen Krieg seine Gültigkeit verloren habe, so stehen ihm bis jetzt Gewohnheit und Urtheil oder Vorurtheil mehr oder weniger schützend zur Seite." Entgegnung an Herrn k. — Sie legen in Ihrem Artikel (Nr. 97) einen gewaltigen Accent auf die sog. lange Crcdit-Dauer, ! scheinen aber vollständig zu übersehen, daß diese schon längst zur Fabel geworden ist für Dasjenige, was man gebraucht, rcsp. Schul bücher, Zeitschriften rc. Welche Ausdehnung die Baaruachnahmen erreicht haben und wie solche noch täglich mehr zunehmen, weiß jeder Commissionär, vor allem aber jeder Sortimenter. Die Baarsendungen nach Leipzig und Stuttgart sind wöchentlich nothwcndig und erfordern beimEinscndcr dieses perMonat800—lOOOfl. Das nenne ich keinen langen Credit, letzercr ist fast nur auf Nova beschränkt, welche bekanntlich von sehr vielen Verlegern erst im Octobcr und November versandt werden und daun allenfalls also mit 6 Monaten Credit be zeichnet werden können. Welcher Unfug mit denBaarpackcten getrieben wird, welche Hungcrleiderci sich bis zu den kleinsten Pöstchen dabei zeigt, wie schwer, zuweilen auch unmöglich es ist, von gewissen Zcitschriften-Vcrlegern bei verminderter Continuation die Nachnahmen zurückzuerhalten, das weiß wieder jeder Commissionär und jeder Sortimenter. Vor allem sollte man doch jedesKind beim Namen nennen und nicht immer wie die Katze um den heißen Brei hcrumgehen. 0.