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Kirchliche Sitten in der südlichen Ober-Lausitz. 9 Kap. 5. Kirchliche Sitten in Bezug auf die besonderen kirchlichen Handlungen. 1. Taufe. Sonst wurden die Kinder sehr bald nach der Geburt ge tauft; oft schon am folgenden Tage, meist am zweiten oder dritten. Jetzt verlegt man die Taufen meist auf die Sonntage, wartet auch auf dem Lande oft 14 Tage damit; selten längere Zeit. Auch an den ersten Feier tagen wird auf Verlangen getauft, es kommt aber seltener vor. Vor der Taufe kommt das Kind nicht aus der Stube und in der ersten Zeit wenigstens brennt man Nachts Lampe, weniger aus altem Aber glauben, als des Bedürfnisses wegen. Auf dem Lande sind Haustaufen nicht üblich, vielmehr werden, mit Ausnahme erkrankter, nicht gut transportabler Kinder, alle in der Kirche getauft. Nur an kalten Wintertagen wird öfters in Pfarrhäusern, da in Sakristeien und Schulstuben kein Raum ist, getauft. Zu sogenannten Noth- taufen wird, wo es möglich ist, der Pfarrer geholt. Die Stunde der Taufe ist an Wochentagen nicht überall dieselbe, am gewöhnlichsten um 2 Uhr, am Sonntage gleich nach beendigtem Nachmittagsgottesdienste, auch nach dem - vormittägigen. Bei mehren Taufen wird das Formular für alle gelesen, , die Fragen aber werden einzeln vorgelegt. In Zittau und Herwigsdorf - werden aber die Fragen allen zugleich vorgelegt, worauf dann der Frage: > Wie soll das Kind heißen? die Taufe der einzelnen Kinder folgt. Auf den l Dörfern richtet sich, sind mehrere Taufen zu gleicher Zeit, die Reihenfolge der selben nach der Zeit der Geburt, nicht, wie in Zittau, nach dem Range der , Taufpathen. Uneheliche Kinder werden gewöhnlich zuletzt getauft. — Getauft wird nach der Agende, also ohne Exorcismus. Die Taufnamen sind der Mode unterworfen. In älterer Zeit wurde - nur ein — gewöhnlich biblischer — Taufname gegeben, dann zwei, wohl auch * drei. So ist's noch. Biblische Namen außer Maria, Anna, Rahel, Daniel, David und Johann — sind seltener; zugleich kommen Namen vor, die man z sonst nur bei Vornehmen fand. Viele Erwachsene werden fortwährend, wird , von ihnen gesprochen, nur mit dem Taufnamen bezeichnet, z. B. Christel, „ Karllob. Karljans; manchmal wird des Vaters Taufname noch mitgenannt, z. B. Christel-Karl, Adam-Jans, Karl-Jans, Gottfried. , Taufzeugen in älteren Zeiten gewöhnlich 7—9, welche fast überall der Schullehrer zu bitten hat — auswärtige schriftlich — sind jetzt meist 3, auch 4, ö oder 6 (zwei nirgends). Bei Knaben werden gewöhnlich V männ- c, licheXund 1 weiblicher Taufzeuge gebeten; bei Mädchen umgekehrt — oder l- 3 und 2. Bei 4 oder 6 Tauszeugen werden Paare gebeten. Doch kommen auch s einzelne Ausnahmen vor. An manchen Orten trägt die vornehmste Pathe l- das Kind in die Kirche; an manchen die jüngste; während der Vorlesung t- des Formulars hält es meist die jüngste; bei der Taufe selbst die Hebamme. Während der Vorlesung stehen die Pathen mit dem Kinde vor dem Altäre, die, welche das Kind hält, in der Mitte. Außer den Taufzeugen ist in ^ der Regel sonst Niemand bei der Taufe zugegen. Zu Taufzeugen gebeten zu werden, wird eigentlich als Ehre angesehen — nur nicht, wenn man sieht, in daß es aus Eigennutz geschieht. Abschlagen wird für sehr unrecht gehalten. ,e Das sogenannte Westerhemd ist nicht mehr gebräuchlich, Gevatter oder Ge vatterin zu sprechen, ist allgemein Sitte; auch die Großeltern nennen die