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8 Kirchliche Sitten in der südlichen Ober-Lausitz. Die Predigt wird mit einem Exordium begonnen, darauf folgt der Kanzelvers und ein stilles Gebet, wozu am Schluffe des Exord. gewöhnlich aufgefordert wird, meist mit den Worten: zur weiteren Betrachtung erbitten wir Gottes Beistand im stillen Gebet, wenn wir gesungen haben aus. — Nach der Predigt, der allgemeinen Beichte und dem Kirchengebete (statt dessen wohl auch Lieder gebraucht werden) kommen die Abkündigungen, um zu thun Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung. In Zittau geschahen die Abkündigungen vor dem Gesänge des Hauptliedes seit 1838; von Neu jahr 1869 an sind sie wieder nach der Predigt, nach dem Gesänge eines Verses vor der Kanzel —; in Großschönau beim Schlüsse des Gottesdienstes, vor dem Altar. Den Gememdegliedern auf dem Lande sind die Abkündigungen wichtig und die Reihenfolge ist gewöhnlich folgende: 1. Fürbitte für die Communicanten (auf dem Dorfe meist mit Angabe der Zahl.) 2. Fürbitte für Schwangere im Allgemeinen (nur an manchen Orten). 3. Besondere Fürbitte für Einzelne, z. B. Kranke (nur selten). 4. Fürbitte für die Feld früchte (vom Sonntage Rogate bis zum Erndtefeste). 5. Danksagungen für Entbindungen (mit Angabe der Namen der Eltern, auch der Taufnamen der Kinder). 6. Danksagungen für Kirchgängerinnen. 7. Abkündigungen Be- grabenener und Verstorbener. 8. Aufgebotene. 9. Andere kirchliche Bekannt machungen. Nicht-Kirchliches wird, mit seltener Ausnahme, nicht abgekündigt, soll auch nicht geschehen. Bekanntmachungen verlorener oder gefundener Sachen, welche sonst stattfanden, werden in die Schulen verwiesen. Die Floskel beim Aufgebote: hätte Jemand etwas die Ehe hinderndes rc. ist meist, seit Einsprüche keine Giltigkeit mehr haben, in Wegfall gekommen. — In Zittau findet ein Aufgebot nicht mehr Statt, sondern eine Verkündigung, durch Anschlag iu der Kirche. Die Fürbitte ist beibehalten. Abkündigungen, nicht aber Aufgebote, finden auch an den ersten Feier tagen Statt. Nachmittags werden auf den Dörfern nur Kirchgänge ab gekündigt. An den gewöhnlichen Sonntagen wird auf den Dörfern Nachmittags nicht eigentliche Predigt gehalten, sondern Betstunde, meist Katechismus- Examen. Dabei ist das früher übliche sogenannte Beten, d. h. das Hersagen eines Hauptstückes durch zwei Schulkinder, am Altarplatze, meist in Wegfall gekommen. In Betstunden wurden einst zum Theil nur Gebete vorgelesen, jetzt aber bestehen sie auch in Bibelerklärung. Wochenbetstunden sind, in den meisten Dörfern, Freitags früh 7 Uhr, in den Sommermonaten. (In Herwigsdorf waren sonst wöchentlich 2, Mitt wochs und Freitags.) In manchen Dörfern fallen sie aus, wenn Freitags Nachmittags Begräbnisse sind, in manchen dann, wenn in der Woche ein Kirchen fest zu halten ist. Die Dauer derselben ist meist eine Stunde. In der Bet woche sind an manchen Orten an den ersten 3 Tagen Betstunden. Eigentliche lBibelstunden sind nicht gewöhnlich, es kann aber jede Betstunde als Bibelstunde angesehen werden. Missionsstunden werden nur in Zittau gehalten, monatlich eine, in den Sommermonaten. Auch in Großschönau hält man monatlich eine Bihslstunde, in der Schulstube der Kirchschule.