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X- IIS, 2«, Mai 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. ü. Dtschn Buchhandel. Daraufhin wird in die Beratung der Tagesordnung sin getreten. Punkt 1 der Tagesordnung: Geschäftsbericht. Der Geschäftsbericht ist rechtzeitig im Börsenblatt vom 3. Mai 1930 veröffentlicht worden. Er wird vom Vorsitzenden abschnittweise aufgerufen. I. Wirtschaftsbericht. Zum Punkt Wissenschaftlicher Verlag und Wissenschaftliches Sortiment führt Herr Paul Nitsch- mann aus, daß die Behauptung über den Rückgang der Kaufkraft zwar zutreffe, die Gründe dafür aber im Geschäftsbericht nicht ausreichend angegeben seien. Die Ursache des Rückgangs liege vor allen Dingen in der Unmöglichkeit für weite Kreise des Sortiments, sich heute in erheblichem Maße für -wissenfchastlicheLiteratur zu verwenden. Nachdem Herr Nitschmann die Gründe im einzelnen ausführlich -dargelegt hat, spricht er die Bitte an den wissenschaftlichen Beklag aus, in Gemeinschaft mit dem Sorti ment Wege für weitere Absatzmöglichkeiten der wissenschaftlichen Literatur zu suchen und dadurch den Absatz zu fördern. Herr Paul Nitschmann wendet sich beim Abschnitt Schöngeistiger Verlag gegen den zunehmenden Brauch, die Werke lebender Autoren in sogenannten Volks- -und Lizenz-Ausgaben herauszubringen. Die Hauptversammlung der Deutschen Buchhändlergilde habe hierzu -gestern eine Entschließung folgenden Wortlauts angenommen: »Mit Bedauern und nicht ohne ernste Sorge blickt -das Sortiment auf die Bestrebungen mancher Verleger, die besten Werke viel gelesener lebender Autoren in außergewöhnlicher, jeder Normal-kalkulat-ion widersprechender Preislage entweder selbst öder durch einen arideren, die Lizenz erwerbenden -Verleger in den Handel zu -bringen. So begrüßenswert angesichts der gesunkenen Kaufkraft der Konsumenten die Herstellung preiswerter guter Bücher auch fein mag, so gefährlich muß der -Versuch erscheinen, jeweils -das beste -Buch eines lebenden Verfassers in einer Preislage auf -den Markt zu bringen, di« im stärksten Widerspruch zu den anderen, aus Normalabsatz kalku lierten Werken desselben Verfassers steht. Der Konsument wird es nicht verstehen, daß das eine Werk etwa RM. 2.85 kostet, das andere, ebenso umfangreiche und ebenso g ut ausgestattete desselben Verfassers aber RM. 8.— bis RM. 12.— oder mehr. Aber nicht nur das Augenmaß der Käufer für eine angemessene Preishöhe der Bücher wird völlig -verwirrt, die Käufer gewöhnen sich auch daran, nur noch außergewöhnlich billige Bücher der lebenden Autoren für eigenen -Be darf -oder besonders für Gefchenkzwccke zu kaufen und die mit Normalpreisen versehenen zurückzuweisen. Aus einer solchen immer stärker um sich greifenden Einstellung der Käuferkreise erwächst aber eine große Gefahr für die ganze künftige moderne Buchproduktion, -d. -h. für Schrifttum, Verlag und Sortiment in gleicher Weife und damit letzten Endes auch für die Konsumenten und die deutsche Literatur. Die Hauptversammlung der Deutschen Buchhändlergilde Ostermefse 1930 warnt deshalb vor einem Woiter- schreiten auf dem ein-gsschlagenen Weg« und fordert das Sortiment auf, eine bevorzugte Verwendung für ungewöhn lich billige Ausgaben einzelner Werke lebender Autoren als gegen die gesamte normalkalkulierte neue Buchproduk tion gerichtet abzulehnen.« Herr Nitschmann stellt "den Antrag, -daß diese Entschließung auch vom Börsenverein gefaßt wird. Der Vorsitzende stellt die Entschließung zur Besprechung und -bringt sie, -da das Wort dazu nicht gewünscht wird, zur Abstimmung. Der Antrag -wivd einstimmig -angenommen. Herr Herbert H o ffmann-Stuttgart betont, daß in den Wirischaftsberichten aller buchhändlerischen Vereinigungen auf die Verarmung unseres Volkes und andererseits auf die drohende Steigerung der Gestehungskosten und damit zusammenhängend auf -die geringen Mittel hingewiesen werde, die in den Kultur ctats der Staaten zur Verfügung stehen. Er bittet den Börsenver ein, die zuständigen Stellen durch eine mit reichlichem Tatsachenmaterial ausgestattete Eingabe darüber zu unterrichten, wie gering im Vergleich zu anderen Ländern die Mittel sind, die in Deutschland für Kulturzwecke verfügbar sind. Herr Generaldirektor vr. K i-l P P e r --Stuttgart unterstreicht auch seinerseits die Gefahren, die dem deutschen Volke daraus drohen, daß die Sparmaßnahmen an diesen kleinsten Etats durchgeführt werden sollen. Er erläutert -dies an Zahlen -des Reichs- ctats. Mit Recht muß die Forderung erhoben -werden, daß nicht gerade an den Kulturetats die Ersparnisse versucht werden. Herr vr. Döring-Leipzig lenkt namens -des Vereins der Lehrmittel-Verleger und -Fabrikanten und der Lehrmittel händler ebenfalls die Aufmerksamkeit auf diesen Abbau der Kulturausgaben, der -sich für den Lehrmi-ttelhandel besonders schwer auswirke. Es entstehe der Eindruck, daß vielfach Sparmaßnahmen am falschen Platze ergriffen werden, wie auch -die Klagen der Lshrevschaft besagen. Die geistigen Bildungsgüter des deutschen Volkes verkörpern sich in Buch, Bild und Lehrmittel und sie dürfen keine -derartige Beeinträchtigung erfahren, daß darunter die kulturelle Stellung unseres Volkes Schaden erleidet. Herr vr. Döring bittet um Annahme nachstehender Entschließung durch die Hauptversammlung: --Entschließung gegen den Abbau der Kulturausgaben. Die am Sonntag Kantate zu Leipzig tagende Hauptversammlung des Börsenvereins der Deutschen Buch händler zu Leipzig gibt einmütig ihrer Überzeugung Ausdruck, daß auch in wirtschaftlichen Notzeiten die Erfüllung notwendiger Kulturaufgaben zum Wohle des Volksganzen nicht hintangesctzt werden darf. Der Buchhandel teilt mit der übrigen Wirtschaft die Auffassung, daß die gegenwärtige Steuerbelastung uner träglich und deshalb größte Einschränkung der öffentlichen Ausgaben am Platze ist. Er muß aber aus seinem Ver antwortungsgefühl als Hüter wertvollen Kulturgutes heraus schärfste Verwahrung dagegen einlegen, -daß die not wendigen Kürzungen in -den öffentlichen Etats vorwiegend zu Lasten -der Kulturausgabcn, namentlich durch eine verhängnisvolle Einschränkung der für -die öffentliche Bild-ungsarbcit im weitesten Sinne, insbesondere für Biblio thekszwecke, sowie für die Anschaffung von Lehr- und Lernmitteln zur Verfügung stehenden Mittel erfolgen. Für die Zukunft des deutschen Volkes ist die ungestörte Erfüllung -der Kulturaufgaben vornehmlich auf dem Gebiete -der Erziehung und des Unterrichts von ausschlaggebender Bedeutung, und der Buchhandel muß daher von den Verantwortlichen Stellen -im Reich, in Ländern und Gemeinden erwarten, daß sie sich ihrer großen Verantwortung gegenüber der Volksgesamtheit und vor allem der Heranwachsenden Jugend bewußt bleiben und Sparmaßnahmen unterlassen, die um eines scheinbaren Augenblicksvorteils willen der allgemeinen Volksbildung und damit der Nation nicht -wieder gutzumachcnden Schaden zufügen.« Der Vorsitzende erwidert, daß sich der Vorstand schon feit längerer Zeit mit dieser Angelegenheit beschäftige. Er bittet Herrn vr. Döring, ihm feine Resolution für das beim Börsenverein vorhandene Material zur Verfügung zu stellen. Herr vr. Döring erklärt sich damit einverstanden. 471