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IIS, 20. Mai 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d.Dtschn. Buchhandel. Kantate 1V3V. Am besten ist die diesjährige Hauptversammlung im allge meinen wohl von Herrn vr. Ruprecht gekennzeichnet worden, als er in seinem Schlußwort des Dankes an den Vorstand und ins besondere den ausscheidendcn Ersten Vorsteher, Herrn Röder, hervorhob, das sei die kürzeste und friedlichste Hauptversammlung gewesen, die er in rund SO Jahren mitgemacht habe. In der Tat lag vom Anfang bis zum Ende eine ausgesprochen auf die Betonung des Gemeinsamen und Verbindenden abgestellte Stim mung über der ganzen Versammlung und den Verhandlungen, die infolgedessen auch einen raschen und erfreulich reibungslosen Verlauf nahmen. Immer wieder äußerte sich sogar ein herz licher Humor, was nicht zum wenigsten dazu beitrug, die Er ledigung der Tagesordnung bei aller Sachlichkeit doch vor der Einseitigkeit allzu trockener und uninteressierter Geschäftlichkeit zu bewahren. Inhalt und Gang der Verhandlungent sind aus dem vorstehenden Protokoll zu ersehen. Hier kann es zur Er gänzung nur darauf ankom men, mit einigen wenigen Strichen zu versuchen, das ge samte Ergebnis zu charakteri sieren. Beherrscht wird dies na turgemäß durch den Wechsel in der Vorsteherschaft. Dem schei denden Ersten Vorsteher, Herrn Max Röder, wurden aus Anlaß der Beendigung seiner Amtszeit herzliche Ovationen dargebracht. Er selbst hatte schon in seinen Einleitungs worten einen kurzen überblick auf die 12 Jahre seiner Tätig keit im Vorstand geworfen. Als ihm dann sein Nachfolger, Herr vr. Friedrich Ol- denbourg, namens des Vorstandes herzliche Worte des Abschiedes widmete, konnte er in einem glücklichen Bilde jene Darlegungen treffend er gänzen und beleuchten. Ange regt dazu war er durch einen Rosenstrauß, den freundliche Hände auf den Vorstandstisch gestellt hatten. In den Far ben der dusligen Blüten, aber auch in den darunter verborge nen Dornen, sah er den ab wechslungsreichen Inhalt der Jahre der Geschäftstätigkeit Herrn Röders und die zahl reichen Schwierigkeiten symbolisiert, die keinem erspart bleiben, der das verantwortungsreiche und mühevolle Amt der Führung einer großen Berufsorganisation übernimmt. Zugleich konnte er aber auch unterstreichen, daß dieser »Rosenstrauß- bei Herrn Röder in der richtigen Hand gelegen habe. Auch das andere Bild, das Herr vr. Oldenbourg in seinen Ausführungen anwandte, der Vergleich nämlich mit der militärischen Dienstzeit, war nur zu treffend gewählt und könnte Anlaß dazu bieten, die darin liegen den Gedanken nach den verschiedensten Richtungen auszuspin- ncn. Mit Recht wies er auf den Wechsel in unseren militäri schen Verhältnissen draußen hin. Die frühere 1—3jährige Dienstzeit auf Grund der allgenieinen Dienstpflicht ist jetzt dort durch die 12jährige Dienstzeit im Berufsheer abgelöst. Es trifft zu, daß in sehr verwandter Weise auch die Tätigkeit im Vorstand einer Berufsorganisation heute beträchtlich anders als früher ge staltet ist, und es dürste nicht unangebracht sein, sich dieser Wandlungen durchaus bewußt zu werden. Rühmend hob dann Herr vr. Oldenbourg hervor, daß die unerschütterliche Ruhe, in der sich Herr Röder auch in schwierigsten Lagen, gestützt auf einen, in seinem ganzen Naturell wurzelnden Optimismus und den festen Glauben an die Zukunft des deutschen Buchhandels und seiner Spitzenorganisation, behausM habe, sowohl für die Ver ständigung innerhalb des Vorstandes wie unter den Mitgliedern im ganzen von größtem Wert gewesen sei. Es hat sich hier in der Tat das alte Goethe-Wort aus Hermann und Dorothea wie der bewährt, daß in schwankender Zeit beharrliche Gesinnung doppelt unentbehrlich ist. Der Beifall, den die Worte des Herrn vr. Oldenbourg in der Versammlung fanden, bewies, wie richtig er deren Stimmung und Auffassung getroffen hatte. Wenn Herr Röder sichtlich gerührt in seiner Entgegnung die Hälfte des Dankes und der Anerkennung an seine Kollegen im Vorstand und seine sonstigen Mitarbeiter auch in der Geschäftsstelle weitergab, so war das zugleich ein schöner Ausdruck seiner Auffassung der Zusammenhänge, aber auch der Anerkennung dessen, daß gerade in so schwierigen Verhältnissen wie den gegenwärtigen auch der tüchtigste Einzelne zum erfolg reichen Wirken doch nur gelan gen könne, wenn er vom Ver trauen der Gesamtheit getra gen und der Mitarbeit Aller gewiß sei. Zugleich traf er den Kern der Sache, wenn er fest stellte, daß der schönste Dank und der nachhaltigste Lohn für die mit dem Amt notwendig verbundenen Opfer und Mühen doch in der Berei cherung der Erfahrungen und der Erweiterung persönlicher Beziehungen gewonnen wer den, die jeder erlange, der durch ein Amt in den Mittelpunkt der Geschäfte und der Arbeit für das Gesamt wohl gestellt würiie. Ganz be sonders reizvoll war es dann, aus dem Munde von Herrn vr. Oldenbourg die program matischen Äußerungen zu ver nehmen, mit denen er sich zur Übernahme der auf ihn gefal lenen Wahl zum Ersten Vor steher für die nächsten drei Jahre bekannte. Er unter strich hier die Tatsache, daß die Übernahme des Amtes wirklich in mehr als einer Hinsicht Opfer bedeute. Er erinnerte an das Wort seines Großvaters, der auf ganz bestimmte Erfah rungen gestützt, hatte geglaubt feststellen zu müssen, daß allzu viel Hingabe an die Betätigung in der Organisation der eigenen geschäftlichen Tätigkeit alles andere als förderlich zu sein scheine. Er erinnerte ebenso an die Belastung, die gerade im Börsen oerein mit seiner ruhmreichen Tradition darin liege, womöglich als Jüngster in eine Reihe so bedeutender Erster Vorsteher ein zutreten, wie sie in den Namen Kröner, Brockhaus usw. reprä sentiert sei. Es konnte aber auf die Zuhörer nicht ohne tiefsten Eindruck bleiben, daß Herr vr. Oldenbourg allen diesen mög lichen Bedenken mit der Tapferkeit eines Vertreters der Kriegs generation schließlich ein entschlossenes Dennoch entgegensetzte. Wer sich mancher Erörterungen aus den vergangenen Jahren erinnert, wird es noch ganz besonders eindrucksvoll empfunden haben, als er die Tragik der Generation unterstrich, von der so viele und nicht die Schlechtesten draußen geblieben sind, und in der die übrig gebliebenen nun doppelt die Aufgabe haben, die Leistungen dieser Generation zur Geltung zu bringen und zu ver hindern, daß sie in der Geschichte einmal als übergangen erschei nen könnte, überaus treffend charakterisierte Herr vr. Oldenbourg 475 vr. Friedrich Oldenbourg, München.