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völlig überrascht wurden und den jetzigen Zeitpunkt für durchaus un geeignet dasür halten. Kür das Verhalten des Verlegervereins-Vor- standeS, das jedem kollegialen Gefühl ins Gesicht schlägt, fehlt dem Sortiment der parlamentarische Ausdruck. Es wird ausserordentlich bedauert, daß der Vorstand des BörsenvereinS nicht in schärfster Weise gegen die Verletzung seiner Satzungen vorgegangen ist. J,n Interesse unserer Organisation will sich die Versammlung trotzdem einmütig hinter den Vorstand stellen, verlangt aber von ihm, daß er weiteren Schädigungen des Sortiments und damit des gesamten Buch handels energisch entgegentritt. Aus einen Abbau der Notstandsord nung durch einen seitens des Verlags zu gewährenden Mindeftrabalt von ungeschmälert 85°/» kann das Sortiment nur dann eingehen, wenn gleichzeitig eine Auchbuchhandels- und Wieöerverkäuscr-Ordnung be schlossen und die rücksichtslose Durchführung vom Vorstande garan tiert wird. Ferner soll der Ladenpreis mit einem Tenerungszuschlag vom Verleger in allen Ankündigungen zusammen als einheitliche Zahl angegeben und der Verleger-Leuerungszuschlag nicht in Prozenten «usgedrückt werben.» Ein ausjührlicher Bericht über diese Versammlung und der ihr vorgclegte Jahresbericht des Vorstandes werben in einer der nächsten Nummern des Börsenblattes verössentlicht werden. Keine Auslieseriing der Bestände der Dcntschcn Bücherei. — Die in den letzten Tage» in der Tagespreise veröffentlichten Nachrichten über französisch-belgische Konipensationssordcrnngen an die deutschen Bibliotheken sind, wie die Tageszeitungen seht anscheinend offiziös melde», unzutreffend, insbesondere ist ein Antrag der fran zösischen Negierung, ihr die Bestände der Deutschen Bücherei in Leipzig, datierend vom 8t. August 1SI4 an, zu überlassen, n i e gestellt worden. Es liegt lediglich ein Antrag vor, auf Rcpara- tionskonto die während des Krieges ln Deutschland erschienene Zeit- schriflenliteratur an Frankreich z» liefern. Da es in deut schem Interesse liegt, daß die in de» französischen Bibliotheken schien den deutschen Zeitschriften dorthin gelangen, finden über diese Forde rung zurzeit Verhandlungen mit der französischen Regierung statt. Die betreffenden Zeitschriften würden im freien Handel er worben werden. Die Verpflichtung zur Wiederherstellung der Nns- vcrsitätsbibliothek Löwen ist im Kriedensvertrag von Versailles von Deutschland übernommen worden. Die Bcschasfung der Druckschristcn ist bereits ln vollem Gange. Ein Übereinkommen mit der belgische» Negierung macht eS möglich, die Lieserung der Druckschriften in einer Weise vorzunehmcn, daß jede Schädigung des deutschen Bibliothckbesitzcs vermieden wird. Wisscnschastllche ErSrterungstagc in Frankfurt a. M. — Im Zu sammenhang mit der ln Verblödung mit der dritten Framsurter Internationalen Messe veranstalteten Schau »Das deutsche Buch» im Viktoria-Haus sind für den Ansang Oktober mehrere wissenschaftliche und bibliophile Tagungen geplant, an denen die bedeutendsten biblio phile» Gesellschaften, so die »Maximilian-Gesellschaft«, die »Gesell schaft der Bibliophilen» und die »Gesellschaft Hessischer Bücherfreunde» teilnehmen werden (siehe Bbl. Nr. 187). Eine besonders zeitgemäße Bedeutung tragen auch die »Erörierungstag« über die Lage der wissen schaftlichen Forschung», die sich unter dem Vorsitz von Gchclmrat Kautzsch, dem Rektor der Universität Frankfurt, mit der Notlage der bentschen Gelchrtenwelt bei der Beschaffung in- und ausländischer Fachliteratur und mit der Möglichkeit einer Abhilfe befassen sollen. Als Redner ans dieser Tagung werden u. a. Professor vr. Minde- Pouet, der Direktor der Deutschen Bücherei in Leipzig, und Prof. I)r. B e r g h ö f s c r, der Direktor der Frhr. v. Rothschilbschcn Biblio thek in Frankfurt, austreten. Während der Bibllophilen-Tag« werden Professor Witkowski (Leipzig), Professor Loubier (Berlin), Rudolf G. Binding und andere über Fragen der modernen Biblio philie sprechen. Dem Ehrenausschuß gehören außer Gehcimrat Kautzsch noch Geheimrat Ziehen, Geheimrat Ebrard, Professor Peterscn, Pro fessor Swarzenski, Professor Berghöffer in Frankfurt und verschiedene bekannte Bücherfreund« und Büchersammler an. PerslHialNllchrilhteK. Goldene Hochzeit. — Am 3. September mar es Herrn Hofrat Ro bert v. Zahn, dem Seniorchef der bekannten Dresdner Buchhand lung v. Zahn L Jaensch, und seiner Gemahlin, Frau .Hofrat v. Zahn, vergönnt, den Tag ihrer goldenen Hochzeit in aller Mistigkeit und geistiger Frische zn begehen, wozu ihnen and Dresden und allen Gauen des deutschen Vaterlandes die herzlichsten Glück- und Segens wünsche in reicher Menge zugcgangen sind. Auch wir verbinden mit dieser Mitteilung unsere herzlichsten Wünsche zu dieser schönen, selte nen Feier. Möge beiden noch «in recht langer und ungetrübter Lebens abend beschieden fein! Jeannot Emil Freiherr v. Grotthuß f. — Ter bekannte Heraus geber der Zeitschrift »Ter Türmer«, Herr I. E. Freiherr von Grott- huß, ist Anfang dieser Woche, wie die -Tägliche Rundschau« meldet, im Lichterfclder Kreiskrankenhaus im Alter von 55 Fahren gestorben. Geboren am 5. April 1865 zu Riga, Cprößling eines ursprünglich niedersächsischen Uradelsgeschlechts, verlebte er seine Kindheit ans dem baltischen C'rbgnte seines Vaters, studierte in Berlin Philosophie und Literatur, redigierte das »Deutsche Adelsblatt« und die »Deutsche Post«, bis er 1898 den »Türmer« gründete und ihn unter Mitarbeit gleich gesinnter Freunde zu einer Zeitschrift christlichen und nationalen Ge präges ausgestaltete. Unter seinen dichterischen Werken sind nament lich »Gottsuchers Wanderlieder«, unter seinen übrigen Veröffentlichun gen das »Türmer-Jahrbuch« und die »Bücher der Weisheit und Schön heit« bekannt geworden. Martin Hennig ch. — In Bad Tölz, wo er Heilung von schwerer Erkrankung gesucht hatte, ist am 27. August im Alter von 56 Jahren Martin Hennig, Leiter des Rauhen Hauses in Hamburg ^und zweiter Nachfolger von Johann Hinrich Wichern in diesem Amt, einer der bekanntesten Führer der inneren Mission in Deutschland, ge storben. Heinrich Wolgast 4 — Der bekannte Führer der Hamburger Volksschullehrer Heinrich Wolgast ist, wie die »Vossische Zeitung« mel det, in Hamburg gestorben. Seine Name war weit über Hamburg hinaus bekannt. Wolgast stand in der ersten Reihe der Bewegung für gute Jngendschriften und künstlerische Erziehung. Namentlich sein Buch »Das Elend der Jugendliteratur« war bahnbrechend gewesen. Weiter hat er mit allen Kräften für die Selbstverwaltung der Schule gekämpft. Die Hamburger Lehrerschaft hatte ihn an die Spitze des ersten Lehrerrates gestellt, der nach Ausbruch der Revolution eingesetzt wurde. David von Hansemann — Nach langem, schwerem Leiden starb in Berlin im 62. Lebensjahre der Geh. Medizinalrat I)r. v. Hansemann, Professor der Anatomie an der medizinischen Fakultät der Berliner Universität und gleichzeitig Prosektvr am Virchow-Krankenhaus. Ein Schüler Virchows, nahm er unter den deutschen Pathologen eine her vorragende Stellung ein. In einer großen Zahl bekannter Werke be arbeitete er das Gebiet der pathologischen Anatomie, und vor allem die Krebsforschung verdankt ihm wertvolle Beiträge. Sein bekannte stes Werk ist »Studien über die Spezifität, die Anaplasie und den Altruismus der Zellen«, das viele Anregungen zu weiteren Forschun gen der Zelle gegeben hat. Wilhelm Wundt s. — Wirklicher Geheimer Rat Professor vr. Wil helm Wundt, der berühmte Philosoph und Psychologe an der Univer sität Leipzig und Ehrenbürger der Stadt Leipzig, ist am 3l. August im 89. Lebensjahre in Großbothcn bei Grimma in der Villa seiner Tochter sanft entschlafen. Der große Leipziger Gelehrte war am 16. August 1832 in Neckarau (Baden) als Sohn eines Pfar rers geboren. 1851 machte er das Abiturium und studierte dann an den Universitäten Heidelberg, Tübingen und Berlin Medizin. Er promovierte 1856 zum vr. meä. et pliil. und habilitierte sich im fol genden Jahr als Privatdozent für Physiologie an der Universität Hei delberg, wo er 1865 eine außerordentliche Professur erhielt. Im Jahre 1874 wurde er als Ordinarius an die Universität Zürich be- i rufen, vertauschte aber diesen Lehrstuhl schon im folgenden Jahre mit dem Ordinariat für Philosophie in Leipzig. Von 1883—1902 gab Wundt die »Philosophischen Studien« heraus, in denen er viele Ar beiten ans seiner und seiner Schüler Feder zur experimentellen Psy- ! ckologic und Erkcnntnislehre veröffentlichte. Die »Psychologischen ! Studien«, die er seit 1905 herausgab, waren der experimentellen Ps ychologie in rein theoretischem Interesse gewidmet. Die Lehrtätigkeit i Wundts hat ihm einen großen, über alle zivilisierten Länder ans- ' gebreiteten Schiilerkreis erworben. Die »Festschrift zum 70. Geburts tage Wundts« (Band 19 und 22 der »Philosophischen Studien«, Leip zig 1902), die eine große Zahl von Arbeiten im Sinne der Wnnöt- schen Anschauungen von Schülern des Gelehrten enthält, gibt einen Merblick, wie stark Wundts Lehre sich dnrchgesetzt hat. Das Institut für experimentelle Psychologie, das der Gelehrte in Leipzig gründete und leitete, hat seitdem das Muster für viele Anstalten, die dem gleichen Zweck dienen, im In- und Ausland abgegeben. 1889—90 war Wundt Rektor der Universität Leipzig. Zu seinem 70. Geburtstag (1902) er hielt er die Lhrenbürgerrechte der Stadt Leipzig, 1907. an seinem 75. Geburtstag, die der Stadt Mannheim. Im 1. Oktober 1917 ist er in den Ruhestand getreten. Eine Liste seiner Hanptschriften, die auf Vollständigkeit jedoch keinen Anspruch macht, mag hier folgen: »Beiträge zur Theorie der Sinneswahrnehmung« (Leipzig 1862); »Lehrbuch der Physiologie des Menschen« (Erlangen 1864, 4. Anfl. 1878): »Vorlesungen über öle Menschen- und Tierseele« (LeiMkg 1863,