Volltext Seite (XML)
^ 238, 12. Oktober 1S08. Nichtamtlicher Teil. «oljeiMatt s. d. Dllchn. Buchhandel. 11163 seiner Randleisten beweist. Auch in künstlerischer Hinsicht stellt das Gebetbuch wie alle übrigen literarischen Projekte des Kaisers mit Ausnahme des Theuerdanks und der Ehrenpforte einen Torso dar. Dessenungeachtet bleibt es ein unvergleichliches Denkmal des frommen Sinnes und hohen Gedankenfluges seines kaiserlichen Autors und nicht minder ein großartiges Zeugnis der hohen Kunstblüte seiner Zeit. Im Hinblick auf die weiten Kreise, für die das Werk bestimmt war, erscheint die traditionelle Bezeichnung »Gebet buch Kaiser Maximilians I.« zu eng; sie mag aber in dem Sinne aufrecht erhallen werden, daß Maximilian das ganze Unternehmen anregte, selbst Gebete verfaßte und jede Einzel heit der Herstellung persönlich überwachte. Außer den im Vorliegenden besprochenen großen Publi kationen hat die Firma Bruckmann eine Anzahl Reproduk tionen aus allen Zweigen der Graphik zur Ausstellung ge bracht. An den Wänden hängen Lichtdrucke, Duplex- und Triplex-Autotypien, Drei- und Vierfarbendrucke, Gravüren und Kupferdrucke usw. Hervorragende Leistungen sind das ungewöhnlich große Prinzregentenbild in Vierfarbendruck und die Wandbilder antiker Plastik — 93x60 em Bild größe —, die auf Veranlassung und mit Unterstützung des Kaiserlichen Archäologischen Instituts in Berlin in Form von Wandtafeln hergestellt wurden (Preis 10 ^). Unter der stattlichen Reihe von Büchern, die der Verlag ausstellt, sind vor allem bemerkenswert: »Die Deutsche Jahr hundertausstellung Berlin 1906«, herausgegeben anläßlich der großen Jahrhunderlschau, die vor zwei Jahren in Berlin stattfand und im Hinblick auf die Beurteilung der deutschen Kunst so viel neue Ergebnisse zeitigte; ferner »Die Mode«, eine Darstellung der Menschen und Moden im neunzehnten Jahrhundert nach Bildern und Kupfern der Zeit 1790—1817 und 1818—1r42. Endlich verdienen auch Erwähnung die klassischen Bücher Heinrich Wölfflins, Paul Mebes' »Um 1800«, ein zweibändiges Werk, das die Archi tektur und das Handwerk im letzten Jahrhundert ihrer traditionellen Entwicklung darstellt, und zum Schluß die zahlreichen Jahrgänge der »Kunst für Alle«. (Fortsetzung folgt.) Kleine Mitteilungen. Vom Reichsgericht. (Nachdruck verboten.) — Wegen versuchter Nötigung ist am 2. Mai vom Landgerichte Bautzen der Mechaniker Jacobi zu einer Geldstrafe von 5 ^ verurteilt worden. Er hatte der X-Gef^llschaft eine Maschine geliefert und schließlich für geliefertes Handwerkzeug noch 17 ^ verlangt, die die Gesellschaft nicht be zahlen wollte. Der Angeklagte, der sich in seinem Rechte glaubte, drohte damit, die Gesellschaft auf die Liste der faulen Zahler des Vereins -Kreditreform- zu bringen, die an die Mitglieder des Vereins versandt wird. Er hat dadurch mit einer Beleidigung nicht durch § 193 St.-G.-B. geschützte Beleidigung, jemand als faulen Zahler zu bezeichnen. Der Angeklagte kannte die Rechts widrigkeit seiner Drohung, da er wußte, daß nach den Statuten des Vereins die Aufnahme der Gesellschaft in die Liste der faulen Zahler ganz ungerechtfertigt war. Die Revision des Angeklagten wurde vom Reichsanwalt befürwortet, der der Ansicht war, daß bezüglich der angedrohten Beleidigung Form und Inhalt verwechselt worden sei. — Das Reichsgericht erkannte jedoch auf Verwerfung der Revision. Ohne Rechtsirrtum habe das Landgericht angenommen, daß die Eintragung der Gesellschaft in die Liste der faulen Zahler eine durch tz193 nicht gedeckte Beleidigung gewesen sein würde. Lentze. Born Reichsgericht. (Nachdruck verboten.) — Wegen unbe rechtigter Nachbildung von Ölgemälden ist seinerzeit vom Land gerichte Düsseldorf der Kunsthändler Heinrich Schlieper verurteilt worden. (Vgl. Nr. 9 d. Bl. 1908.) Bezüglich eines Bildes wurde dann auf Revision das Urteil aufgehoben, während es bezüglich zweier Ölgemälde in Rechtskraft trat. In der neuen Verhand lung vor dem Landgerichte am 19. Mai d. I. ist nun lediglich im objektiven Verfahren auf Einziehung und Ver nichtung des fraglichen Bildes erkannt worden. Es handelte sich um die von dem Maler Klemens Freitag hergestellte photographisch genaue Kopie des vom Kunstmaler Böhmer ge malten Bildes Nr. 591. Schlieper hatte von Böhmer im Wege des Tauschhandels vier Landschaften für 400 ^ erworben und Freitag hatte auf Schliepers Veranlassung drei davon kopiert und zwar für 25 ^ das Stück. Die drei Nachahmungen wurden 1907 beschlagnahmt. Bezüglich des hier noch in Frage kommenden Bildes konnte nicht festgestellt werden, daß es seilgehalten worden sei, da es im Keller Schliepers vorgefunden wurde und ihm nicht zu widerlegen war, daß er es für sich behalten wollte. Die Be strafung Schliepers erfolgte durch das erste Urteil wegen der beiden anderen Nachbildungen, die er verkauft hat. Die Nach bildung des Bildes Nr. 591 wurde Schlieper zurückgegeben, aber wieder beschlagnahmt, nachdem Böhmer die Vernichtung beantragt hatte. Der Staatsanwalt hatte dann beantragt, im objektiven Verfahren die Vernichtung anzuordnen. Diesem Anträge hatte das Gericht entsprochen. Gegen das Urteil vom 19. Mai hatte Schlieper als Ein ziehungs-Interessent Revision eingelegt. Sie wurde am 9. d. M. vom Reichsgericht als unbegründet verworfen. Lentze. Linearzeichenunterricht an den Realanstalten in Preußen. Berlin, den 14. September 1908. Aus den Berichten der Königlichen Provinzialschulkollegien über den Linearzeichenunterricht an den Realanstalten geht hervor, daß es notwendig ist, den Schülern die Teilnahme an diesem Unterricht zu erleichtern und ihnen zugleich die Wahl freizu stellen, ob sie sich mehr nach der mathematischen oder mehr nach der zeichnerischen Seite hin ausbilden wollen. Ich bestimme daher, daß der genannte Unterricht von Ostern 1909 folgender maßen geregelt wird: I. Für den Linearzeichenunterricht sind den Lehrplänen von 1901 entsprechend an den Realschulen von Klaffe lll, an den übrigen Realanstalten von 0 HI ab wöchentlich 2 Stunden an zusetzen. II. Der Unterricht hat sich zu erstrecken a) in den Klassen 0III und 17II der Vollanstalten und der Realprogymnasien und in den Klassen lll-1 der Real schulen auf: Maßstabzeichnen; geometrisches Darstellen einfacher Körper und Geräte in verschiedenen Ansichten mit Schnitten und Abwicklungen, b) in den Klassen 0 II—0 I der Vollanstalten auf: 1. spezielle darstellende Geometrie, Schattenlehre und Per spektive (1 Stunde wöchentlich), 2. die Elemente der malerischen Perspektive und Schatten konstruktion; projektives und perspektivisches Darstellen von Geräten, Gebäuden und Gebäudeteilen, von ein fachen statischen Konstruktionen, einfachen Maschinen und Maschinenteilen; Terrainaufnehmen (1 Stunde wöchentlich). Der Unterricht in der speziellen darstellenden Geometrie, Schattenlehre und Perspektive der Klassen 0 II—0 I (b, 1) ist einem mit der darstellenden Geometrie vertrauten Lehrer der Mathematik zu übertragen, der übrige Unterricht (a. und b, 2) dem Zeichenlehrer der Anstalt, der die Prüfung für höhere Schulen bestanden haben muß. III. Der gesamte Linearzeichenunterricht ist wahlfrei. Schülern der Klassen Oll—Ol, die sich zur Teilnahme melden, ist sreizustellen, ob sie den Unterricht in der speziellen darstellenden Geometrie usw. (Ild, 1) oder den in der malerischen Perspektive usw. (Ild, 2) oder den in beiden Fächern besuchen wollen. Wer sich zur Teilnahme bereit erklärt, muß mindestens 1 Semester den von ihm gewählten Unterricht besuchen. IV. Befreiung von dem allgemein verbindlichen Freihand zeichenunterricht zu gunsten der Teilnahme an dem wahlfreien Linearzeichenunterricht darf nur in dem Falle, den der Runderlaß vom 20. Juli 1904 — O II 1985 — (Zentralblatt 1904 ,S. 493) vorsieht, und auch in diesem Falle nur dann bewilligt werden, 1457*