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^ 114, 21, Mai 1910, Künftig erscheinende Bücher, Börsenblatt s. b. Dtschn. Buchhandel. 6075 Lauter und lauter und wieder und immer wieder ist von fachmännischer Seite die Sammlung von Speidels Arbeiten verlangt worden. Aufs Geratewohl geben wir nur einige Preßstimmen darüber hier wieder: I. I. Davids: Nur diese Kleinodien sammeln, und die deutsche Literatur wäre um ein klassisches Buch, der Wiener Journalismus um ein unvergängliches Ehrenmal reicher. Alfred Freiherr von Berger, Direktor des k. k. Hofburgtheaters: Die deutsche Sprache ist ärmer geworden durch den Tod Ludwig Speidels; denn sie hat in ihm einen Meister verloren, der sie zu gebrauchen ver stand wie keiner außer ihm. Wie man von Mozarts Musik gesagt hat, sie verkörpere das Wesen der Musik, so war Speidels Stil die sinnliche Erscheinungsform, der Genius der deutschen Sprache selbst. Mit Speidel ist ein guter Teil der deutschen Sprache verstummt und gestorben, bis wieder einmal einer aufsteht, dem sie ihre Natur, ihre Geheimnisse und Schönheiten anvertraut wie ihm. Speidel hat den Aufforderungen, eine Auslese seiner Feuilletons in einigen Bänden zu sammeln und zu veröffentlichen, immer einen zähen Widerstand entgegengesetzt. Jetzt wird das hoffentlich bald anders werden, und eine verständnisvolle Zusammenfassung seiner in den Jahrgängen der „Neuen Freien Presse" verstreuten Schöpfungen wird dem Publikum ein Bild seines Wesens und seiner Entwicklung bieten. Dadurch wird Speidel dasjenige erst ganz werden, wozu die Natur ihn bestimmt hatte: einer der klassischen Essayisten des deutschen Volkes. Hofrat Prof. I. Minor: Österreich müßte viel reicher an großen Schrift stellern sein, wenn es Ludwig Speidel in seiner Ruhmeshalle sollte entbehren können. Was sterblich war an Speidel, ist tot! Seine Schriften mögen leben! Vor seinem Tode hat Speidel die Sorge für seine Arbeiten Hugo Wittmann über tragen, seinem schwäbischen Landsmann und ausgezeichneten Mitfeuilletonisten bei der „Neuen Freien Presse", der, selber ein Siebzigjähriger, als einer der letzten großen Meister des Wiener Feuilletons gelten kann. Man wird ihm für seine Arbeit, der man die Mühe, die sie gekostet hat, nicht ansieht, Dank wissen. Die Feuilletons selber sind wortwörtlich unverändert abgedruckt worden. Der Literaturfreund Pflegt im allgemeinen solchen Essays bänden, die im günstigsten Falle einem Lerbar gepreßter Pflanzen gleichen, mit meist berechtigter Skepsis gegenüber zu stehen. Anders aber hier! Jedes einzelne Stück wirkt heute noch „herrlich wie am ersten Tag". Die Herren Kollegen mögen nur einmal, wenn der Band herauskommt, selbst die ersten Seiten über „Martin Luther" flüchtig „anlesen". In deutscher Sprache ist so noch niemals über Luther geredet oder geschrieben worden wie hier von dem Katholiken Ludwig Speidel.