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6054 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 114, 21. Mai 1910. Kleine Mitteilungen. Bekämpfung der Schundliteratur. — Die Zentralstelle für Volkswohlfahrt in Berlin läßt die Einladungen zu ihrer diesjährigen Konferenz in Braunschweig (6. bis 8. Juni d. I.) ergehen. Auf der Tagesordnung steht als erstes Thema: »Auf gaben und Organisation der Fabrikwohlfahrtspflege in der Gegen wart-. Als zweites Thema ist die Bekämpfung der Schund literatur auf die Tagesordnung gesetzt. (Referent: Or.Emil Müller, Redakteur beim Eckart). Universitätswesen. — Die neuen Austausch Professoren, die im nächsten Wintersemester an der Berliner Universität wirken werden, haben bereits das Thema ihrer Vorlesungen angekündigt. Der Roosevelt-Professor Or. C. Alfonso Smith von der Virginia universität in Charlottesville wird über amerikanische Literatur des 19. Jahrhunderts sprechen und in seinen Seminarübungen Edgar Allan Poe behandeln. Der Austauschprofessor vr. Hugo Münsterberg von der Harvarduniversität wird einen Vortrag über Psychologie halten. Universität z« Jena. — Die Besuchsziffer der Universität für das laufende Sommersemester beläuft sich nach dem vor läufigen Abschluß auf 1795 Studierende (gegen 1606 im vorigen Sommer und 1496 im letzten Winter) und 80 Hörer, also auf 1875. Von den Immatrikulierten sind 41, von den Hörern 30 Damen. Sport-Ausstellung in Barmen. — Alle Verleger von Werken und Kunstblättern, die die vielseitigen Arten des Sports und die naheliegenden Gebiete: Volkswohl und soziale Fürsorge berühren, seien auf die vom 1.—10. Juli d. I. in Barmen statt findende Große Nationale Sport-Ausstellung aufmerksam gemacht. Nach einem Inserat in der heutigen Nummer des Börsenblatts (S. 6098) hat die Baedekersche Buch-, Kunst-, Musikalien- und Lehrmittelhandlung G. m. b. H. in Elberfeld die Zusammen stellung der Gruppe »Literatur und Kunst« übernommen. Ter Dienstherr hat kein Recht, den kontraktbrüchigen Handlungsgehilfen die Tätigkeit bei einer Konkurrenz firma zu untersagen. Entscheidung des Reichsgerichts. (Nach druck verboten.) — Diesen Grundsatz stellte der 1. Zivilsenat des Reichsgerichts in einem am 12. März verkündeten Urteile (I 188/1908/15) auf. Eine Firma hatte den Beklagten als Direktor angestellt. Der Beklagte war aber vor Ablauf seines Kontrakts abgegangen und hatte eine Stellung bei einer Kon kurrenzfirma angenommen. Die Firma L. klagte nun gegen den Direktor A. auf Feststellung, daß der Anstellungsvertrag noch zu Recht bestehe, sowie auf Erfüllung des Vertrags und erzielte beim obsiegendes Erkenntnis. Dieses wurde auch vom Reichsgericht be stätigt. In einem bestimmten Punkte jedoch hob das Reichsgericht das Vorderurteil auf und erkannte dahin, daß die Firma L. mit ihrem Anträge auf Verurteilung des Beklagten, sich jeder Tätigkeit bei der Konkurrenzfirma zu enthalten, abzuweisen sei. Die Ent- scheidungsgründe, soweit sie diesen Punkt betreffen, sind von all gemeinem Interesse. Sie lauten: »Unter Berufung auf die Ent scheidung des Reichsgerichts, 3. Zivilsenats, vom 20. September 1907 hat das Oberlandesgericht ausgeführt, der Erfüllungsanspruch des Prinzipals gegen den Handlungsgehilfen beschränke sich nicht auf das Verlangen, daß dieser seinen Vertragspflichten positiv durch Leistung der versprochenen Dienste Nachkomme, sondern um fasse auch negativ das Recht auf Unterlassung jedes Verhaltens, das diesen Pflichten zuwiderläuft. Es hat hiernach auch die Verurteilung des Beklagten, sich jeder Tätigkeit bei der . . . . ausgesprochen hat, gebilligt. Der erkennende Senat hat diese Rechtsauffassung nicht für zutreffend erachtet. Die Ver einigten Zivilsenate haben durch Beschluß vom 24. Januar 1910 ausgesprochen, daß dem Prinzipal ein klagbarer Anspruch gegen den Handlungsgehilfen, der den Dienst vor Ablauf der Dienstzeit verläßt, während der Zeit, in der er sich vom Dienste fernhält, einem andern Prinzipal keine Dienste zu leisten, kraft Gesetzes nicht zusteht. Die Verpflichtung des Handlungsgehilfen ist auf ein positives Tun gerichtet. Dieses bildet den Inhalt seiner Leistung. Die Ersüllungsklage des Prinzipals erschöpft sich in dem Anspruch ans die Leistung; er hat nicht daneben noch einen besonderen Klageanspruch auf Unterlassung des mit der Leistung Unvereinbaren. — Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, daß Beklagter während der Zeit, in der er seinen Vertragspflichten gegen sie nicht nachkommt, seine Arbeitskraft brach liegen lasse- Sie kann daher auch nicht die Verurteilung des Beklagten be gehren, sich jeder Tätigkeit für die ... . (Konkurrenzfirma) zu enthalten. Mit diesem Klagebegehren war die Klägerin daher abzuweisen.« Post-Ausstellung. — Über die alte deutsche Post im letzten Zeitraum ihrer Entwicklung unterrichtet an durchweg originalen Belegstücken in authentischer Weise eine große Sonderausstellung des Fürstl. Thurn und Taxisschen Zentralarchivs in Regensburg, die, wie die Frankfurter Zeitung meldet, anläß lich der dortigen Oberpfälzischen Kreis-Säkular-Ausstellung im altehrwürdigen Fürstensaal des alten Rathauses eröffnet wird. Archivrat I)r. Rübsam, der Geschichtschreiber des verdientesten Neichsoberpostmeisters des Geschlechts, »Baptisia von Taxis« (1889 bei Herder in Freiburg erschienen), leitet die Ausstellung. Auf einer Fläche von 40 Quadratmetern in 18 Schaupulten und 18 Tafeln wird der Werdegang des vielseitigen Thurn und Taxis schen Postwestens vor Augen geführt. Dabei werden auch die 54 Markensorten der Thurn und Taxisschen Postverwaltung für den Postverband des »Deutschen Bundes« zum ersten Male in ganzen Bogen zugänglich sein. Leeil Rhodos' Bibliothek in Groote Schnur. — In den Erinnerungen an Cecil Nhodes, die soeben Sir Thomas Füller bei Longmans L Co. herausgegeben hat, werden einige interessante Angaben über die Bibliothek mitgeteilt, die in Rhodes' früherem Hause in Groote Schuur zum ständigen Gebrauch für die Premier minister des Kaplandes angelegt wurde. Einen Hauptbestandteil dieser Bibliothek bildet eine Reihe von Übersetzungen aus den alten Klassikern, die Rhodes ursprünglich selbst besorgte, später aber durch einen Gelehrten von Ruf, Mr. L. A. Humphreys, fort setzen ließ. Im Jahre 1893 ließ Rhodes, der damals in England weilte, zu diesem Zweck den genannten Gelehrten zu sich kommen, der darüber folgendermaßen berichtet: Mr. Rhodes fing sofort mit seinem Anliegen an, nämlich, daß er auf seiner letzten Über fahrt von Südafrika Gibbons .Niedergang und Fall des Römischen Reiches' gelesen habe und von dem Buche einen so starken Eindruck erhalten habe, daß er daran denke, eine Bibliothek zu begründen, die alle die von Gibbon zu seinem Werk be nutzten alten Schriftsteller umfassen ^solle. Er betonte dabei namentlich zwei Gesichtspunkte: erstens, daß alles, was ihm geschickt würde, englisch sein solle und alles, was neu übersetzt werden Mitarbeiten würden, sowie daß ferner jeder Mitarbeiter an dem Werke gut bezahlt werden solle. Dies war die erste Begegnung, die ich mit Mr. Rhodes hatte. Er nahm sogleich beim Abschied sein Scheckbuch heraus und ließ mir eine ansehnliche Summe für den Zweck zurück. Ich bekam bald einen Stab von Gelehrten zusammen und ernannte einen davon zum Oberleiter für die ganze Folge von Bänden. Die Arbeit ging gut von statten, und eine große Reihe von Bänden wurde hinüber geschickt; von Zeit zu Zeit schrieb mir Rhodes und gab mir all gemeine Hinweise über die Richtung der weiteren Arbeit und legte seine besonderen Interessen an den verschiedenen Seiten der Sache sehr klar dar. Ebenso wurden ihm die großen Klassiker-Reihen von Didot, Lemaire, Pancoucke, Teubner, Valpy und Nisard alle zugesandt, um zugleich mit den in Angriff ge nommenen Übersetzungen gebraucht werden zu können. Die über setzten Schriftsteller wurden ebenso wie die Urtexte in rotes Maroquin in Bänden bequemen Formats gebunden. Nachdem von diesen übersetzten Texten wie den anderen etwa hundert Bände hinübergeschickt worden waren, schlug ich Mr. Rhodes vor, er möge mir erlauben, das Unternehmen dadurch zu vervoll ständigen, daß ich von den besten Biographen in allen Sprachen, die Bücher über die römischen Kaiser geschrieben hätten, all