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4 1 11IIM Nr. 84 (R. 5«). Leipzig, Sonnabend den 8. April l922. 8« Jahrgang. Redaktioneller Teil. Geschäftsbericht des Vorstandes des Vörsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig über das Vereinsjahr 1921j 1922. Zu erstatten in der Lauptversammlung des Börsenveretns der Deutschen Buchhändler zu Leipzig am Sonntag Kantate, dem 14. Mai 1922. Das Mißverhältnis zwischen der unserem Voile auferiegten »Reparationsschuid- und seiner Leistungsfähigkeit findet in der Kursbewegung der deutschen Mark seinen erschreckenden Ausdruck. Während die Mark im Anfang des Jahres 1921 in New Jork noch mit etwa '/„ ihres früheren Goldwertes bezahlt wurde, erreichte sie am 8. November ihren tiefsten Jahresstaud, auf dem sie nur noch ihres Goldwertes galt. Diese Erscheinung, unheilvolle Streiks, Parteihader, ein Übermaß an kostspieliger Verwaltungs arbeit, unzulängliche Produktion landwirtschaftlicher Güter einer seits und Überfüllung der Weltmärkte mit industriellen Erzeug nissen andererseits, bis auf Null gesunkene Konsumtivkraft ganzer Ländergruppen, die auch Mitteleuropa mit Chaos bedrohen: solche Stichwörter genügen zur Kennzeichnung der ernsten Sorgen, die, wie jeden Zweig deutscher Wirtschaft, so auch ihren feinstverästel- ten und empfindsamsten, den Buchhandel, aufs schwerste belasteten und jeden Rück- und Ausblick beschatten. Das Sinken des Kursstandes der Mark, verbunden mit er heblichen Schwankungen nach oben und unten, gab unserer Wirtschaft im großen und im kleinen das Gepräge. Es erschüt terte alle Kalkulationsgrundlagen des Verlags, durchkreuzte die auf Beseitigung des Sortimenter-Teuerungszuschlages abzielen den Bestrebungen und offenbarte im Ausfuhrgeschäft die Schwä chen eines Systems, das in erster Linie einen starren, von der Kursentwicklung unabhängigen Aufschlag auf den deutschen Jn- landpreis vorsah. Auch im vergangenen Jahr war die Preisbildung im deutschen Buchhandel ungleich mehr durch die zaghafte-Rücksicht auf die Kaufkraft der Abnehmer als durch gesunde kaufmännische Grundsätze beeinflußt. Die hiermit verbundene Gefahr einer Kapitalsaustrocknung der Betriebe nimmt im Buchhandel insofern einen besonders bedrohlichen Umfang an, als hier die Ware viel fach nicht sofort den Weg vom Produzenten zum Konsumenten findet und zwischen Herstellung und Wiederherstellung regel mäßig ein längerer Zeitraum liegt. Der Gegenwert fällt Viel mehr zu einem großen Teil erst allmählich und häufig erst nach geraumer Frist dem Buchhandel zu. Er stellt dann insofern bei ab wärts gleitendem Geldkurs keinen wirklichen Ausgleich für die auf gewandten Leistungen mehr dar, als er den Produzenten nicht in- standsetzt, die verkauften Waren neu herzustellen. Eine solche Preisbildung, der nur die tatsächlich aufgewandten Kosten unin nicht diejenigen des Neuerwerbs zugrundeliegen und der auch! eine erhebliche Risikoprämie für das angedeutete Mißverhältnis fehlt, scheint auf den ersten Blick für den Konsumenten günstig zu sein, und Rücksichten dieser Art sind Wohl auch die tiefere Ursache, daß Warnungen vor solchen Kalkulationssehlern, aus die bereits unser vorletzter Geschäftsbericht hinwies, erst ziemlich spät laut wurden. In Wahrheit muß aber eine derartige Preis bildung in ihr Gegenteil Umschlagen: die Notwendigkeit, die unerläßlichen wirtschaftlichen Grundlagen des Betriebes zu er halten, zwingt zu einer plötzlichen und um so fühlbareren Preis steigerung, je ängstlicher man bislang der Geldentwertung folgte. Die sich ergebende sprunghafte Erhöhung, die dann den Eindruck der Willkür erwecken und den treuesten Abnehmer des Buches am empfindlichsten treffen muß, droht den Buchhandel einer unerträg- lichen Belastungsprobe auszusetzen, wenn sie gar zeitlich mit einer allgemeinen Absatzstockung zusammenfällt. Denn die Ex treme von Käuferstreik und Angstkäufen, in denen sich die Wirt schaft bewegte, waren auch im Buchhandel fühlbar. Offenbar hat die im Sommer einsetzende Absatzstockung die Zaghaftigkeit, mit der die Verleger ohnehin der Geldentwertung zu folgen Pflegen, wesentlich erhöht. Die bisherigen verhältnismäßig befriedigenden Absatz- zifsern dürfen nicht den Blick dafür trüben, daß in der Haupt sache nur eine unerhörte Wirtschaftskrists eine Scheinkonjunkiur erzeugte, wie sie die »Flucht vor der Mark» mit sich brachte. Die Tatsache, daß vielfach Waren jeder Art nur zu dem Zweck begehrt wurden, um die höchst relativen und sich täglich verflüchtigenden Geldwerte schleunigst in wirkliche Sachgüter einzutauschen, kam ohne Zweifel auch dem Absatz des deutschen Buches, insonderheit dem Weihnachtsgeschäft, zustatten. Einen wirklichen Erfolg kann aber nur derjenige Kaufmann buchen, den der erzielte Erlös in standsetzte, die schwindenden Bestände neu aufzufllllen. Andern falls ist eine Vermögenseinbuße trotz des trügerischen Geschäfts ganges augenscheinlich. In dieser beängstigenden Lage — Kapital schwund infolge anhaltenden Zurückbleibens des Verkaufspreises hinter dem Wiederbeschaffungspreis — befindet sich der gesamte Buchhandel, und zwar der Verlagsbuchhandel in erhöhtem Maße. Werden aber wirtschaftliche Notwendigkeiten außer acht ge lassen, wird übersehen, daß eine Preisbildung, die lediglich die Gestehungskosten zugrunde legt, nur in einer Zeit stabiler Geld verhältnisse gesund und durchführbar ist, und unterbleibt die An is?