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5860 Nichtamtlicher Teil. 145, 26. Juni 1905. ausgenützt worden. Man suchte den Schatten und den Über gängen eine größere Weichheit zu geben, indem man sie nicht oder nicht allein aus Linien, sondern aus mehr oder weniger stark und dicht nebeneinander mit einem kleinen spitzen Eisen, der Punze, in die Platte eingeschlagenen Punkten zusammensetzte. Später hat man Punzen mit mehreren Spitzen und die Roulette, ein mit scharfen Zähnen besetztes, ziemlich dickes Rädchen, das in einer Handhabe drehbar über die Platte geführt werden kann, verwendet, um die Arbeit zu beschleunigen und regelmäßiger erscheinen zu lassen. Erst in Verbindung mit der Atzung gewinnt die Punktier- und Roulettenarbeit eine praktische Bedeutung. Eine andere, besondere Abart des Bilddrucks durch direkte Bearbeitung der Kupferplatte ohne Hilfe der Ätzung ist die Schab kunst (Schwarzkunst, Llessotinto, Nkniäro noirs). Die Platte wird mit dem Granierstahl, der -Wiege«, einem in einer bogenförmigen, sehr fein und scharf gezahnten Schneide endigenden Eisen, ganz gleichmäßig rauh gemacht (graniert). Die so bearbeitete Platte würde eingeschwärzt im Abdruck auf Papier eine gleichmäßige, sammetartig schwarze Fläche Hervorbringen. Mit dem Schabeisen werden nun alle Stellen der Zeichnung, die im Abdruck hell er scheinen sollen, glatt geschabt — so daß beim Einschwärzen die Farbe an diesen Stellen nicht mehr haften kann — und die Über gänge vom höchsten Licht an den ganz glatt geschabten Stellen zu den tiefsten Schatten an den ganz rauh gelassenen durch mehr oder weniger starke Glättung hergestellt. Wie beim Weißschnitt hat also der Künstler hier die Lichter auf der präparierten Platte zu erarbeiten, im Gegensatz zum Kupferstecher, der die Schatten in die ganz glatte Platte hineinarbeitet. Das Schabverfahren erzeugt also keine Linien, sondern nur zart ineinander übergehende Flächen. An einzelnen Stellen pflegte man allerdings oft zur Her vorhebung von Details auch mit dem Stichel, mit der Nadel oder mit Ätzung nachzuhelfen. Alle übrigen bekannten Verfahren in der Behandlung der Kupferplatte beruhen auf der Atzung. Die Aquatinta- oder Lavis-Manier sucht die Schattentöne der getuschten (lavierten) Federzeichnung wiederzugeben. Zuerst wird die Umrißzeichnung auf dem gewöhnlichen Weg in die Platte einradiert; dann wird wieder ein Ätzgrund aufgelegt und mit Puder überstreut. Von den Stellen, die im Abdruck dunkle Färbung zeigen sollen, wird dannderAtzgrunddurch lösendeStoffe, die mit demPinselaufgetragen werden, entfernt. Diese vom Ätzgrunde befreiten und gereinigten Stellen der Platte werden nun wieder gepudert und mit feinstem Asphaltpulver gleichmäßig eingestäubt. Durch Erwärmung der Platte wird diese feine Asphaltschicht gerade zum Schmelzen ge bracht, doch so, daß die einzelnen Körnchen nicht ineinanderlaufen, sondern nur am Grunde haften bleiben. Das aufgegossene Ätz wasser dringt nun in die feinen Poren zwischen den Asphalt teilchen auf die Platte ein und vertieft die Zwischenräume, so daß dadurch an diesen Stellen eine feine Rauhigkeit erzeugt wird, die im Abdruck wie ein Tuschton wirkt. Durch wiederholtes Atzen lassen sich Abstufungen der Töne und tiefere Schatten erzielen, wobei natürlich die Hellen Stellen immer durch Firnis gegen die Einwirkung des Ätzwassers geschützt werden müssen. Diese Technik kann mit gewöhnlicher Linienradierung, mit Grabstichelarbeit usw. verbunden werden. Die Kreidemanier (Crayonmanier), die den Charakter der Kreidezeichnung nachzuahmen sucht, ist eine Kombination der Punktiermanier mit der Ätztechnik. In den Ätzgrund, mit dem die Platte überzogen ist, werden mit Punzen, Rouletten und mit dem Mattoir, einem Instrument, dessen knöpf- oder kolbenförmiges Ende wie eine Feile gerauht ist, die Linien, die dann also aus einzelnen Punkten bestehen, eingerissen. Das Ätzwasser höhlt die durch diese Instrumente auf der Platte bloßgelegten Pünktchen aus, so daß im Abdruck die Linien von vielen kleinen Punkten gebildet werden und den Kreidestrichen außerordentlich ähnlich sehen. Breite, feste Striche werden dadurch hervorgebracht, daß starken, runden Radiernadel, entfernt. Die Punktiermanier in Ver bindung mit der Ätzung wurde besonders in England, wo man sie »8t6px>l6^ork« nannte, viel zur Reproduktion von Zeichnungen und Gemälden verwendet. Linien werden hierbei fast ganz ver mieden oder möglichst verborgen und alle Formen nur durch mehr oder weniger starke und dicht gestellte Punkte modelliert und abgetönt. Von allen auf diese verschiedenen Arten bearbeiteten Platten ließen sich bei einem gleichmäßigen, mechanischen Druckverfahren nur Abdrücke in einem Farbenton, der allerdings beliebig ge wählt werden konnte, Herstellen. Im XVIII. Jahrhundert hat man aber auch mehrfarbige Drucke von einer einzigen Platte zu erzielen gewußt, indem man sie nicht gleichmäßig in einem Zuge ein schwärzte, sondern verschiedene Farben auf die einzelnen Teile auftrug, die dann im Abdruck ein buntes Bild ergaben. Be sonders in Punktiermanier ausgeführte Platten wurden häufig für bunte Abdrücke dieser Art benutzt. Natürlich muß für jeden neuen Abdruck die Platte wieder neu gefärbt, sozusagen bemalt werden, so daß man diese Technik streng genommen nicht zu den mechanisch vervielfältigenden rechnen dürfte. Die einzelnen Töne standen hier unvermittelt nebeneinander und konnten nicht zu Mischtönen verbunden werden. Um eigentliche Farbendrucke, das heißt Bilder, die wie ein herzustellen und zwar so, daß, im Prinzip wenigstens, jeder Ab druck dem andern gleich werde, muß man mehrere Platten, deren jede eine bestimmte Farbe auf die mit ihr zu färbenden Teile der Zeichnung aufträgt, nacheinander auf das Blatt abdrucken. Mit dem 6Iairob86ur-Holzschnitt hatte man im XVI. Jahrhundert die ersten künstlerischen Erfolge im Farbendruck erzielt, später auch durch Aufdruck von Holz-Tonplatten auf radierte Um rißzeichnungen farbige Bilder hervorzubringen gesucht. Im XVIII. Jahrhundert gelang es Jakob Christoph Le Blon mit Hilfe der Schabkunst Farbendrucke herzustellen, die sich der Wirkung von Gemälden näherten. Er benutzte 3—5 Platten, die meist in Schabkunst, manchmal aber auch zum Teil in Radierung oder Stich ausgeführt waren, und deren jede für die Aufnahme einer Farbe bestimmt und demgemäß nur an den Stellen bearbeitet war, an denen im Bilde die betreffende Farbe zur Wirkung kommen sollte. Durch Übereinanderdrucken der genau aufeinanderpassenden Platten wurden nun auf dem Papier die Mischungen der verschiedenen Töne hervorgebracht. Auf der ersten Platte waren also nur die Teile bearbeitet, die im Abdrucke gelbe Farbe oder gelb enthaltende Mischtöne zeigen sollten, auf der zweiten alle Teile, in denen Blau, auf der dritten alle Teile, in denen Rot erscheinen sollte. Grün wurde durch Übereinanderdrucken von Blau und Gelb erzeugt usw. Im Töne erzielen. Daneben verwandte man oft noch eine Platte mit schwarzer oder sattbrauner Farbe für die tiefsten Schatten, der Wirkung des Papiertones konnte manches überlassen werden, und schließlich wurden einzelne Farbeneffekte durch geschickte Retouche mit dem Pinsel auf den Abdrücken ergänzt. In der Praxis war aber die Herstellung der Bilder durch Schabkunst platten mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden, so daß das Verfahren nur verhältnismäßig wenig angewendet worden ist. Eine größere praktische Bedeutung gewann der Kupferfarben druck erst durch die Verwendung der Aquatintamanier für diesen Zweck. Durch Übereinanderdrucken einer Reihe von in dieser Technik bearbeiteten, je für die Aufnahme einer Farbe bestimmten Platten gelang es im XVIII. Jahrhundert einigen geschickten Künstlern, ganz vorzügliche, auch heute noch bewunderte mehr farbige Bilddrucke zu schaffen. Durch das Wischen beim Einfärben und durch den Druckprozeß wird die Oberfläche der Kupferplatte sozusagen abgeschliffen, so- daß die Vertiefungen seichter werden und dann gar keine oder nur zu wenig Farbe mehr aufnehmen können, also zu matte Abdrücke geben, in denen die fcinern Linien ganz verschwunden sind. Be sonders zarter gearbeitete, radierte oder mit der Schneidenadel aus- geführte Platten nutzen sich sehr schnell ab. Für die künstlerische Wirkung des Bildes ist aber die Qualität des Abdrucks entscheidend. Die ausgenützte Platte gibt schlechte Abzüge, die durch das Ver schwinden der feinen Linien der Zeichnung und der zarten Über gänge vom Licht zum Schatten die feinen Details der Zeichnung und die Harmonie des Tones verloren haben. Nur die guten, frühen Abzüge von der noch vollständig intakten Platte können von dem künstlerischen Werte der Arbeit einen richtigen Begriff geben und das gebildete Auge erfreuen. Der Liebhaber unter scheidet deshalb sehr sorgfältig und genau die verschiedenartigen und verschiedenwertigen Abdrücke einer Platte von einander, zu mal auch der Marktpreis der Blätter, außer durch ihre Beliebt-