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4 Die Strafen der Vorzeit in der Oberlausitz. Himmel an einer schwarzen Tafel gehalten und nach verkündetem Urtheil der Verbrecher dem Scharfrichter übergeben. Hierauf hob man das Gericht auf, warf die Stühle um und der Richter zerbrach seinen Stab. Obwohl der fürchterlichsten Willkür und Grausamkeit, welche bei den Gerichten Deutsch lands bisher geherrscht hatten, durch die Carolina gesteuert worden war, kain doch leiter die Folter durch sie gesetzlich in Aufnahme. Die Vorstellung von der Rechtmäßigkeit der Strafe erscheint daher vielfach als blind wüthende Rache, aus der Wiedervergellung hervorgegangen. Justizmorde kamen natürlich häufig vor. Kein noch so offenkundiger Beweis von falschen, durch die Tortur erpreßten Geständnissen fand Beachtung. So wurden z. B. in Stettin einst in jener Zeit 118 Menschen wegen Kirchendiebstahl hingerichtet, die alle auf der Folter ihre Schuld eingestanden hatten und die sämmtlich unschuldig waren, wie später vier eingefangene Diebe klar nachwiesen. Aber die Tortur blieb. Dies zeigt sich auch bei den Hexenprozessen, jener psychischen Manie, welche vom 15. bis 17. Jahrhundert so grauenvoll wüthete. Mit den als Hexen zum Feuertode verurtheilten Mütteru wurden mitunter zugleich die Säuglinge verbrannt. Leichtere Verbrecher saßen im Stock, das heißt aufrecht auf einer niedrigen Bank, während ihre Füße in die runden Oeffnungen zweier über einander angebrachten Balken eingeklemmt waren. Bei längerer Haft schwollen infolge des beständigen Druckes die Füße an, die Haut derselben sprang auf und es erzeugten sich Geschwüre und Knochenkrankheiten. Man kennt Beispiele, daß solchen lange im Stock sitzenden Personen die Füße abstarben, abfaulten und vom Wundarzte abgelöst werden mußten. — Unter den Folterwerk zeugen verschiedener Art, welche vor einigen Jahren auf dein Dachboden der Zittauer Frohnveste zufällig aufgefunden und dem historischen Museum in Zittau überwiesen wurden, befinden sich drei derartige Vorrichtungen, ferner zwei Holzfäulen zum Ausspannen der Arme und Beine in Kreuzesform und eine Anzahl eiserner Hand-, Fuß- und Halsfesseln (Schellen). Bisweilen wurden die Gefangenen noch dadurch gequält, daß mail sie des Nachts im Einschlafen hinderte und wenn sie ermüdet hinsanken, mit Kneipen und Peitschenhieben zum Wachsein zwang. Eine mit hölzernen Stacheln besetzte Wiege, um den Gefangenen am Einschlafen zu hindern, sah der Verfasser in der an Folterwerkzeugen sehr reichen Sammlung des ger manischen Museums in Nürnberg. Um Geständnisse zu erlangen, bediente man sich also der Tortur oder Folter, der Marter, wie man damals sagte. Marterherren, die dem Rathe angehörten, leiteten in den Städten der Oberlausitz das Verfahren. Die Richter, welche meist rechtsunkundig waren, begannen jede Untersuchung mit der Folter und endigten sie mit der Hinrichtung. Die Tortur hatte mehrere Grade der Marter. Zuerst wurde die sogenannte Territion, die Bedrohung mit der Tortur vorgenommen und dem Angeschuldigten die verschiedenen Marterwerkzeuge und ihr Gebrauch vom Henker vorgezeigt; dann schritt man zur sogenannten Realteration. Der Jnquisit wurde entkleidet, die Werkzeuge ihm wirklich angelegt, jedoch kein Schmerz damit zugefügt. Endlich begann die peinliche Befragung. Diese geschah gewöhnlich in einer unterirdischen und beleuchteten Folterkammer. In Regensburg hat man Gelegenheit noch