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Die Strafen der Borzeit in der Oberlausitz. 2 sein mußte. Glockengeläut versammelte die Gemeinde, der Richter saß unbewaffnet mit übereinander geschlagenen Beinen auf einem Stuhle, mit bedecktem Haupte und umgehangenem Mantel, vor ihm auf einein Tische lag ein Stab mit abgeschälter Rinde. Zur Rechten und Linken vor ihn« saßen die Schöppen oder Dingleute auf der Schöppenbank ohne Waffen und Barett, aber mit Mänteln versehen, ihre Zahl war entweder sieben oder zwölf. Der Eingang in diese Dingstatt war östlich, der Sitz des Richters westlich, sodaß sein Gesicht gegen Osten gerichtet war. Nur zwischen dem Aufgange und dem Untergange der Sonne durfte Gericht gehalten werden, nicht früher, nicht später hinaus, die Eröffnung durfte nur bei steigender Sonne, d. h. Vorinittags, stattfinden, und sie geschah, indem der Richter mit seinem Stabe auf den Tisch schlug und hierauf einen der Schöppen fragte: Ob es so hoch Tages sei, daß er das Ding eröffnen könne. Der befragte Schöppe antwortete im Namen der übrigen, welche zuvor ihre Bejahung abgegeben hatten: daß es so hoch Tages sei, und daß er, wenn er von Gott die Gnade und vom gnädigen Herrn die Macht habe, das Ding eröffnen könne. Mit erhobenem Stabe wandte sich nun der Richter gegen die Sonne und sprach: „So hege ich denn hier ein recht Geding von unseres lieben Herr Gotts wegen, von wegen unseres gnädigsten Herrn Markgrafen (von Brandenburg, der damals in dein Besitz der Oberlausitz war) und auch von Gerichts wegen. Ich verbiete alles, was ich verbieten soll, und erlaube alles, was ich erlauben soll- Ich verbiete unziemliche Worte und überflüssige Rede, und zeige den Schöppen an, daß ich dieses verboten habe. Ich frage, ob ich dies Geding so gehegt habe, daß ich uns einen Frieden wirken mag?" u. s. w. und so folgten noch eine Menge Fragen, welche bei allerlei möglichen Unfällen, z. B. wenn ein Gewitter auszöge oder eine Feuersbrunst ausbräche, die Giltig keit des Gerichts im Voraus feststellen sollten. Darauf konnten die Klagen angebracht werden, was gewöhnlich durch einen Vorsprech oder Anwalt in Gegenwart des Klägers geschah. In der Beweisführung war das Rechts verfahren jener Zeit in Vergleich mit unseren Begriffen und der gegenwärtigen Erfahrung und Bildung schwach und ungenügend, weswegen auch sehr viele Eide gefordert und geleistet wurden; auch Vergleiche waren beliebte Auskunfts inittel. Glaubte man der Thatsache gewiß zu sein, so faßte der Richter den ttt-rtrm ommiE zusammen, legte ihn den Schöppen vor und fragte: Was darum Recht sei? Die Schöppen legten nun ihre Mäntel ab, besprachen sich unter einander und konnten auch den „Umstand", d. h. die umherstehenden Leute, besonders alte Personen befragen; kurz, auf alle Weise sich bemühen, das Recht zu finden. Ein Schöppe sprach endlich im Namen der übrigen das Recht aus und der Richter verkündete das Urtheil mit denselben Worten den Parteien und dem Umstande. Wie mühselig auch diese Rechtsfindung sein mußte, so war doch das gesprochene Urtheil unantastbar und unerschütterlich, und selbst der Landesherr durfte daran nicht das Mindeste ändern. Geschlossen wurde die Sitzung mit ähnlichen Formalitäten, wie sie eröffnet worden war." Als aber das Ansehen der Kaiser in Deutschland sank, als die einzelnen Landesfürsten zu immer größerer Macht gelangten, da versuchten letztere vor allen die Gerichtsbarkeit in ihren Ländern auszuüben. Die freien Volksgerichte, die nur den Kaiser über sich erkannten, verschwanden