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oder unter der Erde, in sogenannten Verließen, in welchen schwere Verbrecher auf moderndem Stroh liegend, mit Ketten an den Händen oder Füßen an die Wand gefesselt waren. Hier überließ man die Gefangenen, ohne Rücksicht auf Schuld oder Unschuld, ihrem Elende. Auf Schonung der Gesundheit nahm inan keine Rücksicht und ebensowenig übte man Menschlichkeit. In Zittau benutzte man hauptsächlich hierzu einige Gefängnisse im Rathhause, den Schieferthurm und den Schuldthurm in der Nähe der Hofstatt, den böhmischen Thurm, in welchem 1613 mehr als 40 Seifhennersdorfer wegen Ungehorsam und Muthwillen gefangen saßen, und die Bastei Speiviel oder Speisidel, jetzt Thurm des Stadtbades, in dem man 1517 einen Leipaer, Namens Rückert, „der Zittauer Feind," verderben, d. h. verhungern ließ. Mit Gefängniß im böhmischen Thurme wurden 1537 auch eine Anzahl Schmiede wegen Widersetzlichkeit bestraft, weil sie einen Knaben wendischer Abkunst nicht als Lehrling in die Innung aufnehmen wollten. Am ge furchtesten waren die Gefängnisse „die Gans" und „der Wolf." Das Stock haus oder die Frohnveste, jedenfalls die alte Zittauer Judenburg, hat seinen Namen von den bereits oben erwähnten Baumklötzern, an die man die Ver brecher init Ketten anschloß, damit sie nicht entfliehen könnten. — Auch in Görlitz kommt schon in alter Zeit ein Gefängniß unter dem Namen Frohn veste oder Büttelei vor. Es befand sich in einem Hinterhause am Fischmarkte und wird wiederholt in den Rathsrechnungen vom Jahre 1377 an erwähnt, 1391 unter dem Namen „Stock." Bei diesem Gefängnisse befand sich auch bis zum Jahre 1601 die Scharfrichterei. Schwerere Verbrecher wurden zur Strafe nach Dresden abgeführt, z. B. 1688 eine Anzahl aufrührerische Zittauer Tuchknappen. Sie kamen „aus den Bau," d. h. sie wurden bei dem Festungsbau verwendet. Auch Hausarrest kam mitunter vor, z. B. 1540 bei einer Frau in Zittau, welche in betrügerischer Weise Wucher getrieben hatte. Anton Kießling, welcher im Kretscham zu Kleinschönau den dortigen Schulmeister erschossen hatte, wurde 1671 zu lebenslänglichem Stubenarrest verurtheilt. Ein Zittauer Rathsherr erhielt 1585 wegen Ehebruch, nachdem er vorher im böhmischen Thurme gefangen gehalten worden war, auf ein Jahr Stubenarrest, auch mußte er 200 Schock Geldstrafe zahlen. Mitunter suchte nian sich der Gefangenen in ganz eigenthümlicher Weise zu entledigen. Als z. B. 1572 ani 19. März 56 schlesische Diebe über Zittau auf die Galeeren nach Venedig transportirt wurden, benutzte man die" Gelegenheit und ließ von Zittau zwei, von Görlitz sechs, und von Grafen stein fünf Verbrecher mit abführen. Nicht selten wnrde im Gegensätze zur Gefängnißstrafe auch auf Ver weisung aus dem Lande oder aus dem Weichbilde der Stadt erkannt. Der Verbrecher wurde „in die Acht" erklärt. Diese Strafe traf nach erfolgtem Staupenschlage, der gewöhnlich, wie schon früher erwähnt, unter Läutnng des Henkerglöckchens vom Büttel vollzogen wurde, hauptsächlich diebische und liederliche Personen, mitunter sogar Bürger und Meister. Gelang es einein solchen Verbannten beim Einzuge eines Fürsten sich mit einzuschleichen, so hatte die Verweisung keine Geltung mehr. Ein Oberamtsgutachten wegen Verwandlung der Verweisung in Geldstrafe erschien den 19. August 1711.