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258, 5. November 1907. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f, d, Dtschn. Buchhandel. 11633 mühungen und tatsächlicher Verluste dazu bereit findet, die Bezahlung einiger verloren gegangenen Lieferungen nach zulassen Rechtsfrage: »Ob die Usance, daß zur Ostermesse 1906, d. i. bis 19. Mai 1906, über Büchersendungen nach buch händlerischem Brauch abzurechnen war, auch für nichtbestellte Büchersendungen gilt?« Wir erteilten, nachdem wir die betreffenden Akten ein gesehen hatten, folgendes Gutachten: Die Frage ist ver schieden zu beantworten, je nachdem der in Betracht kommende Sortimentsbuchhändler allgemein unverlangte Sendungen anzunehmen sich bereit erklärt oder solche sich verbeten hat, was aus dem von dem Börsenverein der Deutschen Buchhändler alljährlich herausgegebenen Buch händleradreßbuch ersichtlich ist. Für den ersteren Fall ist die Frage unbedingt, für den letzteren nur bedingt zu bejahen. Da die Beklagte zu den Firmen gehört, die sich unverlangte Sendungen allgemein verbeten haben, so sind für sie die Vorschriften des Z 12 slivss, e der »Buchhändlerischen Ver kehrsordnung« verbindlich, nach denen man von der Haftung für unverlangte Sendungen nur dann befreit wird, wenn man binnen 4 Wochen nach Eingang der Sendung die Nichtannahme dem Verleger anzeigt. Ist dem Verleger innerhalb der angegebenen Frist diese Anzeige nicht gemacht worden, so werden die betreffenden »unbestellten Bücher sendungen« genau wie bestellte behandelt, d. h- auch über sie muß ordnungsgemäß zur Ostermesse abgerechnet werden. Rechtsfrage: Frage I: Wird allgemein im Verkehr der Mietbüchereien mit dem Publikum die Sitte geübt, daß der Vermieter, wenn das gemietete Buch von dem Mieter so lange Zeit behalten wird, daß die auf diese Zeit ent fallende Gebühr dem Kaufpreis des Buches gleichkommt, annimmt, daß der Mieter das Buch käuflich erwerben will? Unser Gutachten lautete: Diese Frage ist unbedingt zu verneinen. Gründe: Das Buchvermieten und das Buchverkaufen sind Geschäfte wesentlich verschiedener Art, und werden selbst da, wo beide in einer Hand ruhen, als streng getrennte Be triebe geführt. Der Buchvermieter erwirbt seine Bücher, um sie lange zu besitzen und möglichst lange und ununterbrochen zu ver mieten; der Buchverkäufer (Buchhändler) erwirbt sie, um sie möglichst schnell wieder zu verkaufen. Beim Abschluß des Mietvertrags denkt keine der Parteien an einen Kauf. Auch zu irgend einem späteren Zeitpunkt ist ohne weiteres eine Kaufabsicht des Mieters nicht anzunehmen. Die Kaufabsicht muß vielmehr von dem Mieter erst ausdrücklich erklärt werden. Geht das Kaufangebot vom Mieter aus, so steht es im freien Belieben des Vermieters, dasselbe abzulehnen oder nach Einigung über den Kaufpreis, der nicht gerade der Ladenpreis sein muß, sondern je nach den Umständen geringer oder höher sein kann, es anzunehmen. In jedem Falle ist aber der Mieter auch hier ver pflichtet, an den Vermieter die bis zur Einleitung der Kauf verhandlungen aufgelaufene Mietgebühr zu zahlen. Frage II: Ist es Sitte, daß Büchervermieter von dem hohen Anwachsen der Mietgebühr die Mieter in Kenntnis setzen? In den Mietbüchereien ist es nicht Sitte, die Mieter auf das hohe Anwachsen der Mietgebühr aufmerksam zu machen; doch pflegen zumeist die Mielbüchereien in kürzeren oder längeren Zeitabständen bei den Mietern anzufragen, ob sie die gemieteten Bücher noch weiter zu behalten beabsich tigen und ihnen verneinenden Falles anheimzustellen, die Bücher zurückzugeben. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 74. Jahrgang. Diese Anfragen stellen die Vermieter nicht im Interesse der Mieter und auch nicht in der Meinung, damit einer Rechtspflicht zu genügen, sondern lediglich im eigenen Interesse, einmal, um vielleicht vielbegehrte Bücher auch andern Mietlustigen zugänglich machen zu können, und dann, um sowohl mit ihren Büchern wie mit den Mietern die Fühlung nicht zu verlieren. Der Rechnungs- und Wahlausschuß der Korporation hat für 1907 Herrn Otto Radke zum Vorsitzenden, Herrn Beruh. Fahrig zum Schriftführer und Herrn G. Siemens zum Beisitzer gewählt. Die drei Herren haben in der Be stellanstalt die Kaffenrevisionen vorgenommen und dem Vor stand berichtet, daß sie stets die Bücher und Kassenbestände in voller Ordnung gefunden haben. Wir danken den Herren für diese Mühewaltung, die ihnen durch die Bestimmungen für unsre Bestellanstalt auferlegt ist. Der Verein »Krebs« hat Ihren Vorstand in seinen Bestrebungen betreffs der Fortbildungsgelegenheiten für Buch händler in hervorragender Weise unterstützt. Der Vorstand des Krebs hat es auch übernommen, mit unsrer Beihilfe einer Anzahl Berliner Buchhandlungsgehilfen, die die Buhmann- schen Vorlesungen auf der Handelshochschule besuchen wollten, die Hörergebühr zu ersetzen. Der »Krebs« hat ferner einen Fachkursus für Buchhändler veranstaltet, in dem vier Vor lesungen über den Geschäftsverkehr im deutschen Buchhandel von Herrn Heinrich Heise gehalten wurden. Die An meldungen hierzu liefen so zahlreich ein, daß zwei Parallel kurse eingerichtet werden mußten. Unter den angemeldeten 86 Hörern waren meist junge Gehilfen, doch auch 18 Lehr linge. Die Ausführungen des Vortragenden wurden durch Anschauungsmittel unterstützt, da die Firma F. Volckmar eine größere Anzahl bildlicher Darstellungen des Leipziger Kom missions- und Barsortimentsbetriebs dem Vortragenden in dankenswerter Weise überlassen hatte. Eines besonders lebhaften Zuspruchs hatten sich die Vor träge zu erfreuen, die Herr Max Paschke auf Veranlassung des Krebs und mit unsrer Unterstützung über das Thema »Die Tätigkeit des Verlegers bei der Herstellung der Bücher« im Berliner Buchgewerbesaale veranstaltete. Auch hier mußte ein Parallelkursus eingerichtet werden. Ausgezeichnete Dienste leisteten bei diesen Vorträgen die vom Deutschen Buchgewerbe verein und andern zur Verfügung gestellten Anschauungs mittel. Den Abschluß bildete eine Exkursion zur Besichtigung der Buchdruckerei der Firma Georg Reimer in Trebbin, deren Besuch der Besitzer Herr vr. Walter de Gruyter gestattet hatte. Wir sprechen dem Vorstand des Krebs unfern ver bindlichen Dank aus für seine Veranstaltungen, die die buch händlerische Fach- und Weiterbildung bezwecken. Es wird dadurch die in unserm heutigen Geschäftsbetrieb oft mangel hafte Ausbildung des buchhändlerischen Nachwuchses ergänzt, und die jungen Leute werden zu brauchbaren Mitarbeitern erzogen. Der Verein »Krebs« wird am 10. November 1907 das Jubiläum seines fünfzigjährigen Bestehens feiern. An diesem Tage soll eine »Krebs-Jubiläum-Snftung« ins Leben treten, die von Bedeutung sein soll für die allgemeine Weiterbildung wie für die buchhändlerische Fachbildung. Die Wirksamkeit der Stiftung wird nicht auf die Mitglieder des Krebs beschränkt bleiben; jedem Lehrling und jedem Gehilfen im Buchhandel Berlins wird sie offen stehen. Unsere Kor poration hat den Krebs in seinen Bestrebungen seit vielen Jahren gern unterstützt, und sie wird es auch weiter tun. Als Zeichen unserer vollen Übereinstimmung mit diesen Absichten des Krebs hat Ihr Vorstand beschlossen, der 1515