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758 Nichtamtlich« Teil. ^ 18, 23. Januar Igyt. figürlichen Darstellungen versehene Druckwerke und Bücher, Inkunabeln, antike Handschriften .... zu verstehen-. Beim Lesen dieser Bestimmungen müssen sich Jedermann schwere Bedenken aufdrängen. Wer stellt denn den Wert eines Kunstgegenstandes fest, von dem die Gebühr von 6 Prozent bezahlt werden soll? Der Absender oder die Galerie? Und wenn die beiden nicht einig sind? Wie ist die Sache, wenn der Absender den Gegenstand zu einem Preise, der dem Galeriebeamten zu niedrig erscheint, verkauft hat? So könnte man noch manche andre Fragen stellen, denn der Preis eines antiken Gegenstandes ist immer relativ, nie absolut. Kann man ferner verlangen, daß man in der Galerie die Seltenheit, den Wert und Preis von alten Handschriften und Büchern dieser Art kenne? Vermag die Galerie dies alles? Wir haben zu wiederholten Malen wahrgenommen, in welcher ungeheuren Verlegenheit die Beamten der Galerie sich befanden, wenn wir ihnen zur Erlangung einer Aus fuhr-Erlaubnis Handschriften, Bücher mit figürlichen Dar stellungen rc. vorlegten, und wir haben immer die allzu dehnbaren Bestimmungen, die nur Verwirrung, Unsicherheit, zwecklose Unannehmlichkeiten und beträchtlichen Schaden zeitigen, beklagt. Wir brauchen wahrlich keine weitern Be trachtungen in der Sache anzustellen, denn jeder, der den erwähnten Paragraphen liest, erkennt sofort die verschiedenen Unzuträglichkeiten, zu denen er Anlaß geben kann, und die allergrößten Mängel, die man sich denken kann, in einer Ge setzesvorschrift, die klar, genau und bestimmt sein sollte. Doch gehen wir weiter. Können wir schon nicht be haupten, daß man in der Galerie Seltenheit und Wert der Bücher kenne, so können wir dies um so weniger von den Zollbeamten behaupten, die für eigne Rechnung Schwierig keiten schaffen und Schaden verursachen, von denen man sich keinen Begriff machen kann, wenn man sie nicht wie wir in unserm Beruf als Antiquar am eignen Leibe erfahren hat. Ernste und erfahrene Bibliophilen werden sicher mit Er staunen von den wenig erbaulichen Beispielen eines pedan tischen Bureaukratismus, die wir gesammelt haben, Kenntnis nehmen. Es kommt öfters vor, daß wir — in aller Bescheiden heit — als Kenner es nicht für nötig halten, die bei uns von ausländische» Kunden bestellten Bücher der Galerie vor zulegen, weil sie unsers Erachtens nicht zu der Kategorie der in der Gesetzesbestimmung aufgeführten Werke gehören. Da erhalten wir eine Mitteilung des Grenzzollamts, daß eine Büchersendung angehalten worden sei, weil sie nicht von den nötigen Papieren der Galerie ^begleitet sei. Jeder Versuch einer Beweisführung, daß die betreffenden Bücher gewöhnlicher Art seien und der Papiere nicht be dürften, ist vergeblich; das Zollamt sendet das Paket an die Adresse der Galerie, diese gibt ihren Vermerk, daß nichts vorliege, und das Paket geht nun zurück, um weiter befördert zu werden. Alle Spesen gehen zu Lasten des Absenders, und niemand kümmert sich darum, wenn dieser durch solche Weiterungen- und nicht rechtzeitige Lieferung die schwersten Verluste erleidet. Man kann noch von Glück sagen, wenn die Bücher nicht von den weisen italienischen Zollbeamten verunstaltet werden und Unheil angerichtet wird, wie wir das vor Jahren bei einer direkten Sendnng an einen österreichischen Bibliophilen erfahren haben. Die Sendung enthielt herrliche französische Gebetbücher, auf Pergament gedruckt und mit wundervollen Miniaturen geschmückt. Die weisen Zollbeamten haben diese Bücher, die bekanntlich mit einem Kalendarium »ckavaarins babst XXXI ckies» beginnen, für Kalender angesehen und die Titelblätter mit einem Ölstempel gestempelt! So verfuhren auch deutsche Zollbeamte mit alten Spiel karten, Tarok-Karten von Mantegna, bis infolge von Rekla mationen und Verwahrungen seitens der Absender, der Em pfänger und der Presse die betreffenden Regierungen diesem unleidlichen Übelstand Einhalt taten. Aber auch die gesetzlichen Bestimmungen betreffend Einfuhrzoll für Bücher aus dem Ausland nach Italien sind so unklar, daß sie gar oft zu unliebsamen Erörterungen zwischen wirklichen, sachverständigen Bibliophilen und den gelegentlichen Bibliophilen, wie es die Zollbeamten sind, führen. Letztere behalten Recht durch Gewalt, denn wenn die erstern sich weigern, die Zollamtserklärung anzunehmen, d. h. Zoll zu erlegen, so drohen die Beamten, einen Band als »Muster« an das Ministerium zu senden, um eine Ent scheidung herbeizuführen, die aber erst nach Verlauf von drei Monaten erfolgen kann! Die mit Stichen geschmückten Bücher zahlen einen be trächtlichen Zoll, wenn der Text zur Erklärung der Tafeln dient, während sie zollfrei sind, wenn die Tafeln nur den Text illustrieren! Um in dieser Unterscheidung, die für Zoll beamte nicht leicht ist, nicht fehlzugehen, wiegt im Zollamt stets die elftere Meinung vor, und wohl dem, dem es gelingt, sie zur zweiten zu bekehren! Auf die Ausfuhr von seltenen und wertvollen Büchern nach dem Auslande zurückkommend, möchten wir betonen, daß wir uns zum Grundsatz gemacht haben, Werke von Bedeutung vor allem jenen Bibliotheken Italiens anzubieten, die uns gleich sam verpflichtet erscheinen, diese Werke zu erwerben, weil sie dort gewissermaßen ihren natürlichen Platz finden würden, — leider jedoch ohne Erfolg! Wir hielten uns sogar ver pflichtet, diese Seltenheiten den Bibliotheken wieder zuzuführen, selbst unter schweren materiellen Opfern; aber stets ver gebens, so daß es uns an Mut gebricht, die Versuche zu wiederholen. Damit man nicht denke, daß wir grundlose, unkontrollierbare Behauptungen aufstellten, nehmen wir keinen Anstand einige Beispiele anzusühren. Wir besaßen ein prächtiges eigenhändiges Manuskript von Bonavoglia, betitelt »Novumevtam KovWxinin», das von Professor Rostagno in der Zeitschrift »lla lZibliokIia« aus führlich beschrieben und erklärt worden war. Wir hielten uns moralisch verpflichtet, dieses Werk der Bibliothek jener Stadt anzubieten, mit der die Geschichte des Hauses Gonzaga besonders eng verknüpft ist. Wir boten es zum Selbst kostenpreis an, indem wir Zahlung in Jahresraten ge statteten, falls die Gelder nicht sogleich flüssig wären. Unser Antrag wurde der Kommission unterbreitet, die sich, wie uns der königliche Kommissar mitteilte, über den Ankauf in wegwerfenden Ausdrücken äußerte. Weitere Versuche hatten denselben Erfolg, während nur eine kurze Mitteilung an die Nationalbibliothek in Paris genügte, um sie zur Erwerbung des Kodex zum wirklichen Wertpreis zu veranlassen. Wir berichteten dies dem königlichen Kommissar, der es seinerseits für passend hielt, unsre Mitteilung mit einer an den Unter richts-Minister gerichteten Anzeige zu beantworten. Eine andere wichtige Pergamenthandschrift von Cristo- foro Landino wurde zur Prüfung und Ansicht an eine Bibliothek gesandt, die wir für verpflichtet erachteten, das Werk mit schnellem und dankbarem Zugriff zu erwerben. Das Werk wurde lange Zeit in seiner Verpackung zurück- behaltsn, und auf unsre Anfrage, ob wir es als angekauft ansehen dürsten, wurde es uns in demselben verpackten Zu stand, wie wir es gesandt hatten, zurückgeschickt. Eine einfache Beschreibung der Handschrift an die Königliche Bibliothek in Berlin hat den Direktor derselben veranlaßt, den Ankauf sofort zu bewirken. Wir könnten noch zahlreiche andre Beispiele anführen, glauben aber, daß diese schon beredt genug sind, uns einer weitern Mühe zu überheben. Die Beispiele erweisen, daß,