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^ 18, 2S, Januar 1904. Nichtamtlicher Teil. 757 Nichtamtlicher Teil Die fiskalischen Erschwerungen in Italien bei Ausfuhr und Einfuhr alter Vücher.*) Von Leo S. Olschki-Florenz. Auf dem vor einiger Zeit in Florenz abgehaltenen Bibliographen - Kongreß wurden viele mehr oder minder wichtige Vorschläge gemacht, erörtert und angenommen. Die Zeit wird lehren, ob diese Zusammenkünfte etwas mehr als platonische Akademien sind. Dieser Kongreß war der sechste seit Begründung der italienischen Bibliographischen Gesell schaft. Wir wollen hoffen, daß die Ergebnisse augenfälliger und greifbarer sein werden, als die der vorhergegangenen, die wir, aufrichtig gesagt, nicht kennen und kennen zu lernen uns vergeblich bemüht haben. Wir hätten dem Kongreß gern die schweren Plackereien, die bei der Ausfuhr von alten Büchern obwalten, auf Grund unsrer im Beruf gesammelten Erfahrungen bekannt gegeben, doch als der ehrenwerte Herr Morelli Gualtierotti bei Übernahme des Vorsitzes in seiner Dank- und Begrüßungsrede nicht nur mit sichtlicher Genug tuung sich rühmte, seinerseits mit allen Kräften zum Verbot der Ausfuhr von antiken Gegenständen und zur Einführung einer Taxe für Ausfuhr-Erlaubnis beigetragen zu haben, sondern diesem parlamentarischen Erfolg sogar auch seine Wahl zum Präsidenten des Kongresses zuschrieb, hielten wir für besser, diese Frage nicht aufs Tapet zu bringen, um nicht unangenehme Diskussionen aufkommen zu lassen. Was wir damals unterließen, möge uns gestattet sein in diesen Spalten zu erörtern. Vor allen Dingen müssen wir erklären, daß wir grund sätzlich Gegner jeder Beschränkung und jeden Verbots der Ausfuhr non Kunstgegenständen sind. Die Kunst kennt keine Landesgrenzeu, und ein Freund der Kulturausbreitung wird dem nicht widersprechen. Wenn die andern Staaten das von Italien gegebene Beispiel nachahmen sollten, müßten sie alle geradezu mit einer chinesischen Mauer um geben werden. Man kann doch unmöglich objektiv behaupten, daß es auf der Welt nur die eine italienische Kunst gebe und daß diejenige der andern Länder nur in zweiter Linie in Be tracht komme. Wohl ist die alte Kunst Italiens herrlich, doch nicht minder auch diejenige Deutschlands, Frankreichs, Hollands usw., von denen sich zahlreiche Zeugen in den großen öffentlichen und privaten Galerien Italiens finden. Wenn die Auswanderung der Bilder oder Skulpturen eine Abnahme der Anzahl der Reisenden in Italien befürchten läßt, — und dies scheint ein zumindest ebenso starkes Motiv der Einschränkung zu sein wie der Patriotismus —, so muß entgegengehalten werden, daß Italien immer seinen Zauber auf die Gemüter der Fremden ausüben wird, weil es in allen seinen Winkeln an Museen, Galerien und Monumenten unerschöpflich reich ist, weil ferner im Ausland überall eine Stadt der andern ähnelt, während in Italien jede Stadt ihren eigentümlichen Charakter ausweist, und weil endlich weder die Sonne, noch der Himmel, noch auch die Vegetation selbst nicht um die Milliarden eines Morgan, Carnegie, Vanderbilt usw. exportiert werden können. Es wäre unnütz, hier noch des länger» eine Frage zu erörtern, die seit geraumer Zeit ein Gegenstand lebhafter Debatten in Galerien, in den Kreisen der Altertumsforscher, Händler und — Gerichte ist, zumal es schwer fallen würde, neue Gründe anzuführen; aber wenn es für das Verbot der llvo L. Olseddi», Ottodre—Uoveindre 1903. Börsenblatt sür ben deutschen Buchhandel. 71. Jahrgang. Ausfuhr von Bildern und Bildhauerwerken auch noch so schwache Gründe gäbe, so meinen wir, daß solche vollends nicht bestehen, was Auswanderung von Druckwerken oder Stichen anlangt. — Die lex Laeea betrifft einzig und allein Kunstwerke des Pinsels und des Meißels von höchstem Wert oder von ganz besonderer Bedeutung, einer bestimmten Gattung oder Schule und gleichsam Unica ihrer Art, doch keineswegs Reproduktionswerke, seien es Bücher, seien es Stiche. Man könnte höchstens noch die mit wertvollen Miniaturen geschmückten Codices in das Gesetz einbeziehen. Die Buchdruckerkunst wurde von Deutschen nach Italien eingeführt, ein deutscher Drucker, Johann Numeister aus Köln, druckte die erste Ausgabe von Dante; er tat es indes nicht nur für Italien, sondern für die ganze Welt, und zahlreiche deutsche Buchdrucker des 15. Jahrhunderts, die die neue Kunst in Italien ausübten, trugen nicht wenig zum Reichtum und Ruhm dieses Landes bei. Daß die Ausgaben für die ganze Welt bestimmt waren, geht aus dem Geist der Kunst selbst, aus der mehr oder minder großen Anzahl der Exemplare hervor. Es kommt hinzu, daß äußerst viele Aus gaben den Gönnern und Pflegern der Wissenschaften, der Literatur und der Künste in fernen Ländern gewidmet waren, und jetzt will man einen glauben machen, daß es Patriotis mus sei, die Auswanderung solcher Ausgaben zu hemmen! Von unserm Standpunkt aus ist dies platterdings un patriotisch. Der Ruhm eines Landes beruht in der Aus breitung und Anerkennung der Geisteswerke seiner Landes kinder. Welchen Nachteil hat Italien davon, daß es seinen größten Dichter in den fernsten Ländern der Welt verehrt weiß, wo zur Verehrung und zum Studium des Begründers des italienischen Schrifttums gelehrte Gesellschaften errichtet und Spezialbibliotheken gebildet werden, in denen sich die geistige Bewegung von sechs und mehr Jahrhunderten wider spiegelt? Sicherlich keinen, wohl aber geistigen und mate riellen Vorteil. Und doch hörte man im bibliographischen Kongreß beini Vorschlag zur Errichtung einer Dante-Bibliothek in Ravenna sagen, daß die Erhaltung von Seltenheiten der Dante-Literatur für Italien nicht nur eine Dankesschuld gegenüber dem gött lichen Dichter, sondern auch eine patriotische Pflicht wäre! Der Vorschlag wurde einhellig angenommen, und nun warten wir nur, daß er in die Tat umgesetzt wird, die, wenn sie der Begeisterung der Versammlung gleich käme, ganz wunder bar sein müßte. Der Vorschlag wurde von einer gebildeten und reichen Edeldame gemacht, von der im übrigen keine Taten der Freigebigkeit erwartet werden, wie sie Carnegie leistet, der, ohne ein Wort zu verlieren, geschweige denn Vor schläge zu machen, Millionen hergibt, doch -gni si parrL !.-> tun nobilitaäe«! *) Wir kommen nun zu den fiskalischen, mit der Ausfuhr- alter Bücher verbundenen Plackereien, die unter dem Bei stand der italienischen bibliograpbischen Gesellschaft herange reift sind. Sobald man Kunstwerke von nicht mehr lebenden oder antiken Urhebern ins Ausland versenden will, ist der Absender verpflichtet, diese Werke der Galerie vorzulegen, um eine Ausfuhrerlaubnis zu erhalten, wofür eine Gebühr von 6 Prozent vom Werte zu entrichten ist. Wir lesen ini Verordnungsblatt des Post- und Telegraphenministeriums Nr. XXX vom 26. Juli 1902, Seite 965, unter Z 509: »Unter Kunstgegenständen sind .... mit Miniaturen geschmückte Codices, Zeichnungen, Stiche, seltne und mit *) -Hier wird dein Adel ersichtlich werden» (Dante). SS