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Zs/ 268, 17. November 1908. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 13197 hin erwähnten 30 000 Frcs. für den ersten Abdruck in der^Zeit- schrist, so ergibt sich eine Summe von rund 100 000 Frcs. als Einkommen für einen einzigen Roman; das ist ein ganz schönes Vermögen. Behandelt der Stofs dieses Romans nun noch ein Thema, das sich leicht dramatisieren läßt, und hat man das Glück einen Theaterdirektor und die geeigneten Darsteller dafür zu finden, so läßt sich dieses Vermögen, wenn eine gewisse Anzahl von Ausführungen erreicht wird, — und »17n vivorcs« erreichte deren ungefähr 120 — leicht noch verdoppeln. Aber alle diese Schriststellerhonorare werden in Schatten gestellt durch die Ein nahmen, wie sie z. B. Edmond Rostand mit seinen Dramen er zielt hat. Sein bestes Werk, »Oz-rano cko Lergerao«, kostet in der Buchausgabe 3 Frcs. 50 Cts. und ist in ungefähr 325 000 Exem plaren verbreitet, von denen der Autor allermindestens 1 Fr. pro Exemplar Honorar bezog. Außerdem hat das Stück an einem einzigen Theater in Paris schon nahe an 1000 Ausführungen er lebt <um ganz genau zu sein: 980) und alle vor ziemlich ausver kauftem Hause. Ungefähr das gleiche gilt vom »Liglon«, einem Stück und einem Buch, das, wenn es auch ganz bedeutend hinter dem »Lz-rano« zurückbleibt, nach Angabe seines Verlegers doch eine Auflage von 238 000 Exemplaren erreicht haben soll. Die Zahl der Theateraufsührungen geht ebenfalls in die Hunderte. Darin sind noch nicht mitgerechnet die vielen Aufführungen in der Provinz und in: Auslande, ferner die Übersetzungsrechte, das Honorar für die jetzt so beliebten billigen Volksausgaben und alles was das geistige Eigentum sonst noch betrifft. Rechnen wir alle diese Beträge zusammen, für die allerdings auch keine an nähernde Schätzung erlaubt ist, so dürfte sich zeigen, daß das an und für sich schon sehr hohe Honorar für die Buchausgabe der Summe für die Theatertantiömen und anderen Einnahmen gar nicht in die Nähe kommt. Und weiter wird sich zeigen, daß das Dichter- und Schriststellerelend in Frankreich, wenigstens bei denen, die »etwas können», gar nicht so groß ist, sondern daß unter Umständen das Bücherschreiben zu einem ganz lukra tiven Berus werden kann. Wie groß mag nun anderseits der Verdienst des Verlegers an den Büchern dieser Autoren sein? Ob groß oder klein, in jedem Falle ist er ganz bedeutend geringer als der der Autoren. Das geht aus folgender sehr einfachen Rechnung hervor! Es liegt auf der Hand, daß die Bestellungen, um eine Auflage von, sagen wir, 70 000 Exemplaren unterbringen zu können, von so ziemlich allen Sortimentern recht umfangreich sein müssen und es auch sind, denn der direkte Vertrieb des Verlegers bei diesen Büchern ist gleich Null. Für diese größeren Bestellungen beanspruchen die Sortimenter auch einen entsprechend höheren Rabatt, zum mindesten, d. h. von drei Exemplaren an, 33 Prozent; was zu 25 oder 30 Prozent ausgeliefert wird, geht an kleine, unbekannte Firmen und ist verschwindend gering. Ein guter Teil der Sorti menter, die aber zusammen den größeren Teil der Auflage be ziehen, erhalten nun, bei einzelnen Verlegern von 100, bei anderen schon von 50 Exemplaren an, volle 40 Prozent Rabatt. Der Laden preis des Buches beträgt 3 Frcs. 50 Cts., davon ab 40 Prozent, bleiben also 2 Frcs. 10 Cts. netto. Wenn nun der Autor im Durchschnitt einen Franc pro Exemplar seines Werkes Honorar bezieht <und solche Honorare kommen vor!), so bleibt dem Ver leger noch 1 Frcs. 10 Cts. Wie groß von dieser Summe der reine Verdienst des Verlegers noch sein kann, der für 1 Fr. 10 Cts. das Buch drucken, anständig ausstatten, alle Geschäftsspesen, großen Zinsverlust, Risiko und nicht zuletzt auch Verlust durch Konkurse tragen mutz, kann sich jeder Fachmann ja ungefähr ausrechnen. Immerhin geht das noch an bei Autoren, die es verstehen ihre Bücher in gewissen Grenzen zu halten <300—400 Seiten), aber es gibt auch solche, die kein Ende finden können und die dadurch die Herstellungskosten des Verlegers ganz bedeutend verteuern. So kenne ich einen Roman, dessen Autor ebenfalls ein Honorar von 1 Fr. pro Exemplar bezog, der aber bei gleichem Preise von 3 Frcs. 50 Cts. einen Ilmsang von 638 Seiten hatte, also fast Börsenblatt sür den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang. das Doppelte des gewöhnlichen, und dabei eben erst die Auflage von 30 000 Exemplaren überschritten hat. i Was sollte der Ver- leger machen? Der Roman bildete den Schluß einer vielbändigen Serie; ihn in zwei Bänden ausgeben, von denen dann jeder 3 Frcs. 50 Cts. kosten sollte, konnte er nicht, weil das Buch dann unfehlbar nicht gelaust worden wäre, denn der Franzose hängt vielleicht noch mehr als andere Leute an seinen Gewohnheiten und somit auch an seinem alten Bücherpreise von 3 Frcs. 50 Cts.; zu etwaigen Streichungen war der Autor ebensowenig zu be wegen wie zu einer Reduktion des Honorars, und hätte man ver sucht, dem Sortimenter den Rabatt zu kürzen, so hätte dies aus den Absatz des Buches den denkbar schlechtesten Einfluß aus geübt und dem Verleger vielleicht einen noch größeren Verlust gebracht, als ohnehin zu befürchten war. Es blieb dem Ver leger nichts andres übrig, als den Roman zu den genannten Bedingungen anzunehmen; doch dürste er bei diesem Geschäst weder einen großen noch einen kleinen, sondern sehr wahrscheinlich gar keinen Verdienst gehabt haben. Ich will damit keineswegs sagen, daß die Werke dieser Autoren oder Honorare in solcher Höhe sür den französischen Berlagsbuch- handel ein Unglück seien, — durchaus nicht; denn abgesehen davon, daß ein glänzender Name dem betreffenden Verlagshause einen gewissen Anstrich gibt, zieht er auch jüngere Kräfte heran, die sich dann wenigstens vorläufig mit einem geringeren Honorar be gnügen müssen; ferner ist eins gegen zehn zu wetten, daß das betreffende Buch auch wirklich in der erforderlichen Weise geht. Aber man kann sich auch bei solchen Werken verrechnen; also ohne Risiko ist die Sache durchaus nicht, und das Risiko ist um so größer, als es sich hier um sehr hohe Beträge handelt und ein Mißerfolg dann um so empfindlicher wäre. Dies ist auch der Grund dafür, weshalb die Verleger größere Rabattforderungen als 40 Prozent selbst bei Bestellungen von 500 und 1000 Exemplaren auf diese Bücher rundweg ablehnen, weil sie sich dann ins eigene Fleisch schneiden würden, während sonst Rabatte von 50 und sogar 60 Prozent im französischen Buchhandel vorkonimen, zwar selten, aber sie kommen doch vor, betressen jedoch bei entsprechend hohe» Bestellungen nur Werke niedriger honorierter Autoren. Dadurch, daß der Verleger dem Autor ein Minimalhonorar garan tieren muß, ob nun sein Buch Absatz findet oder nicht, muß er, der Verleger, sich sagen, daß sein eigener Verdienst erst nach einem Absatz von 25—30 000 Exemplaren beginnen kann, jenachdem die Verträge lauten, und wie schwer es ist, eine solche Auslage, und sogar kleinere, unterzubringen, hat uns jemand aus den Autorenkreisen selbst, nämlich Felix Dahn, gesagt. Ja, ja, »Bücher schreiben ist leicht«... Ein weiteres Beispiel sür große Schriftstellereinkünfte bietet der soeben am 8. November verstorbene Victorien Sardou. Ein zelne seiner Dramen, wie »ilaäaiue 8ans-6sno» und »la losca« sollen ihrem Autor an Honorar und Tantieme bis zu 500 000 Frcs. eingebracht haben. Sardou war ein Schriftsteller von außerordent licher Fruchtbarkeit; er hat sich in so ziemlich allen Arten der Dicht- kunst versucht und fast immer mit sehr großem Erfolge. Der Hauptwert seiner Dichtungen liegt jedoch auf dem Gebiete des historischen Dramas, und diese Arbeiten von Sardou haben seinen Namen auch über die Grenzen seines Vaterlandes hinaus bekannt gemacht. Über die Anfänge dieser langen und wechselvollen Dichter lausbahn erzählt man sich in Paris folgende Geschichte, die zum Teil, vielleichtauch ganz, wahr sein mag. Sardou wurde am5.Sep tember 1831 als Sohn armer Eltern in Paris geboren. Sein Traum war es, Medizin zu studieren; aber nach anderthalbjährigem Studium reichten die Mittel nicht weiter, und so mußte der zu künftige Dichter zunächst sine Stelle in einer Buchhandlung an nehmen und sich dadurch und durch Privatstunden ziemlich kümmer- lich ernähren. In seiner freien Zeit beschäftigte er sich mit der Dichtkunst und reichte im Alter von dreiundzwanzig Jahren dem >719