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Nr. 45. Deutschen Deiche zahlen für jedes Exemplar 30 MarS bez. N des Dörsenvereins die viergejpaltene Petitzeile oder deren 3r36 Mark jährlich. Nach dem Ausland erfolgt Lieferung N Daum 15 Pf..'/«6.13.50 M..'/26.2s M..'/. 6.50 Nl.. sür Nicht-»5 über Leipzig oder dur^ Kreuzband, an Nichtmitglieder in N Mitglieder 40 Pf.. 32 M.. 60 M.. 100 NI. — Deilagen werden WlAMüMLMrstMereMöÄ'SeUAeW'wHMM^u Leipzig, Donnerstag den 24. Februar 1916. 83. Jahrgang. Redaktioneller Teil. Llrheberrechtseintragsrolle. Leipzig. In der hier geführten Eintragsrolle ist heute folgender Eintrag bewirkt worden: Nr. 494. Die Firma Max Brockhaus in Leipzig meldet an, daß Herr Sigwart Botho Philipp August Graf zu Eulen burg, geboren am 10. Januar 1864 zu München, gestorben am 2. Juni 1915 zu Jaslo, Urheber des musikalischen Teiles der im Jahre 1915 unter dem Titel: Die Lieder des Euripides, eine Mär aus Alt-Hellas von Ernst Wildenbruch, in Musik gesetzt von Botho Sig wart, drei Aufzüge, in ihrem Verlage Pseudonym erschienenen Oper sei. Tag der Anmeldung: 26. Januar 1916. Leipzig, am 17. Februar 1916. Der Rat der Stadt Leipzig als Kurator der Eintragsrolle, vr. Dittrich. lDeutschcr Neichsanzeiger Nr. 48 vom 22. Februar tglv.j Gustav Falke. Erinnerungen an seine Stuttgarter Zeit als Buchhändler. In allen Blättern erhebt sich jetzt herbe Klage, daß der Dichter Gustav Falke gestorben ist und dem deutschen Volke damit einer der feinsinnigsten Lyriker entrissen wurde, den es je gehabt hat. In mehr oder weniger langen Aussätzen wird über seinen Lebensgang berichtet und dabet auch auf »Die Stadt mit den goldenen Türmen«, seine Lebensbeschreibung, ver wiesen. Dieses Buch ist aber nur wie Goethes Lebens beschreibung Wahrheit und Dichtung in schöner Mischung. Namentlich geht der Dichter darin merkwürdigerweise über seine Tätigkeit als Buchhändler in Stuttgart schnell hinweg. Da findet es vielleicht den Beifall mancher Freunde und Ver ehrer des Dichters und ebenso auch den mancher Berufs genossen, wenn ich hier einige Erinnerungen an ihn und diese Zeit festhalte. Falke war einige Jahre, bis 1877, in Stuttgart. Gewöhnlich heißt es jetzt in den Nachrufen nur, daß Gustav Falke beim Sohn des Dichters Beithold Auerbach, der damals Inhaber einer Stuttgarter Verlags- buchhandlung war, arbeitete. Das ist aber nicht ganz richtig, denn dies war nur verhältnismäßig kurze Zeit der Fall, und vorher, über ein Jahr, war er als Gehilfe in H. Lindemanns Buchhandlung tätig. Es ist nicht zu be zweifeln, daß diese ansehnliche Sortimentsbuchhandlung dem Dichter allerlei Anregungen bot, aber richtig ist es auch, daß er schon damals mehr Dichter als Geschäftsmann war. Der damalige Inhaber der Firma, der vor einigen Jahren ver storbene Kommerzienrat H. Kurtz, hat sich bei aller Anerkennung der Persönlichkeit Falles auch manchmal in diesem Sinne ausgesprochen. Falke war schon damals Dichiernatur auch insofern, als er den Verkehr mit heiteren Berufsgenossen über alles liebte. Es war ihm Bedürfnis, mit solchen zusammen- zusttzen und allerhand Zeit- und Streitfragen in anregenden Wortgefechten zu behandeln. So war es für ihn auch selbst verständlich, daß er sich dem damaligen Kreis der Siuitgarter Buchhandlungsgehilsen, der sich »Ulk» nannte, anschloß und daß er bald einer seiner Führer wurde. Dies aber vornehm lich auch um deswillen, weil er zugleich die Eigenschaften besaß, Freunde an sich zu ziehen und sie zu frohem und ernstem Tun mit sich fortzureißen, Menschen aus sich heraus gehen zu lassen, die sonst still ihren Weg zu nehmen pflegen. Das war wenigstens damals der Fäll. Eine Reihe junger Buch händler, von denen manche später noch als Inhaber größerer Firmen oder wichtiger Stellungen bekannt wurden, fanden sich in dieser Zeit in Stuttgart beisammen und waren eifrig darauf bedacht, die Ziele des »Ulk» zu fördern: Hebung der Geselligkeit und Förderung der Freundschaft unter dem Jungbuchhandel Stuttgarts. Wichtig war dabet, daß Falke damals schon einen Stamm trefflicher Berufsgenossen vorfand, die, älter als er und selbst geistig über das Mittelmaß hinausragend, ihn verstanden und auch nach mancher Seite hin auf ihn einwirkten. Ich nenne hier nur Julius Oskar Galler (Mitinhaber der Firma Sülze L Galler), der später Reichstagsabgeordneter für den Wahlbezirk Freudenstadt wurde, voll von Witz, Schärfe und sprühendem Humor, den 1913 gestorbenen Oswald Hermann, Prokuristen der Firma Gustav Weise, das Urbild eines Schwaben, der selbst gar manches feinsinnige Lied dem Kreis der Stuttgarter Berufsgenossen gespendet hat, ferner den vom Schicksal von Leipzig nach Stuttgart geworfenen biederen Sachsen Leonhardt, »Made« genannt, der Redaktionssekretär von »Über Land und Meer war und ebenfalls manch trefflichen Vers gedichtet hat, Paul Wagner, den Geschäftsführer der damals verwaisten Firma Ferdinand Enke, einen vortrefflichen Redner, sowie Kalten- böck, den jetzigen Schriftleiter des «Guten Kamerad« und des »Kränzchen«. Politisch standen diese, wie damals ein Großteil Stuttgarts und Schwabens überhaupt, fast alle aus Seilen der Demokratie. Da war es kein Wunder, daß auch Gustav Falke von diesem demokratischen Geist angehaucht wurde. Ich besitze noch ein von ihm selbst geschriebenes Zeugnis hierfür, ein Gedicht »Am Tag von Sedan«, das er uns in einem Garten Degerlochs, oberhalb Stuttgarts, vorlas, wohin am 2. September 1876, an dem nachmittags die Läden geschlossen waren, ein froher Kreis von Bcrussgenossen gewandert war. Ach, dieses Gedicht hätte ebensogut von Herwegh oder irgend einem anderen Demokraten sein können, denn es ist sehr rot gefärbt. In seinen Gesammelten Werken wird man es vergeblich suchen, der Dichter wird es, wenn er überhaupt eine Abschrift davon zurückbehalten hat, längst als mißratenes Kind seiner Muse in die tiefste Hölle verstoßen haben. Denn unser Falke war alles, nur kein Politiker, keiner, der je ernstlich die Neigung verspürt hätte, sich in den Zank des Tages zu mischen. Wir nannten ihn allgemein nur »Phantast«, und ein Phantast war er auch in vollem Sinne des Wortes, sorglos wie ein Kind dohinlebend, unbekümmert um dar Hab und Gut und um das Morgen, das Urbild eines deutschen Dich- ters. Wenn auch sein erster Band Gedichte — gleichfalls die Tat eines Freundes aus der Siuitgarter Zeit, Retnhold 20b