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125. 3. Juni 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dlschn. Buchhandel. 6601 behauptet, daß dadurch, daß das Bild seiner Tochter auf dem Umschlag dieser Weberschen Gedichtsammlung erschien, ein be rechtigtes Interesse der Dargestellten verletzt werde. Zum Be weise dafür bezog sich der Kläger auf den Inhalt mehrerer Ge dichte aus dem genannten Buch. Insbesondere wurde von dem Kläger ausgeführt, daß, wenn seine Tochter auch als bekannte Künstlerin der Zeitgeschichte angehört, ihr Bild also nach § 23, Ziffer 1 des Gesetzes vom 9. Januar 1907, betreffend das Urheber recht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, überall verbreitet werden darf, dennoch die vom Beklagten be liebte Art dieser Verbreitung als Reklame auf dem Umschlag des Buches eine Verbreitung darstelle, durch die das berechtigte Interesse der Abgebildeten verletzt werde. Fräulein H. könne als Dame und Künstlerin verlangen, daß ihr Bild nicht als Reklame plakat verwandt wird auf einem Buch, das zum Teil Gedichte anstößigen Inhalts enthalte. Einer derartigen Verbreitung des Bildes seiner Tochter müsse er als Vater ganz entschieden ent gegentreten, wozu er auch auf Grund der §§823 und 826 B.G.B. berechtigt sei. Der Kläger verlangte daher, daß der beklagte Verleger verurteilt werde, die Verbreitung und Schau stellung des Bildes von Fräulein H. auf dem Umschlag des in seinem Verlage erschienenen Buches zu unterlassen, daß ferner die Bilder auf den erschienenen Exemplaren des Buches vernichtet und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreites auf erlegt werden. Von dem Verleger wurde dagegen geltend gemacht, daß Fräulein H. gewerbsmäßige Tänzerin sei und für die Repro duktion ihres Bildes ein Entgelt erhalten habe. Er (der Verleger) habe weiter nichts getan, als im Handel befindliche und mit dem Bilde des Fräulein H. versehene Postkarten gekauft und diese auf das Buch aufgeklebt. Da die Karten durch den Kauf sein Eigen- tum geworden seien, so habe er damit auch machen können, was er wolle. Außerdem könne auch Fräulein H. durch den Inhalt des Buches nicht verletzt werden, da es ganz offensichtlich sei, daß sich dieser nicht auf ihre Person beziehe, daß vielmehr ihr Bild in keinerlei Beziehung zu dem Buche stehe, außerdem sei dieses durchaus anständig und bestehe durchweg aus ernst gemeinten lyrischen Gedichten. Der Verleger machte ferner geltend, daß er keineswegs die Absicht gehabt habe, Fräulein H. in irgend einer Weise zu kränken, und daß, da die Verbreitung der Postkarten mit ihrem Bilde nur den Zweck hatte, für sie Reklame zu machen, dieser Zweck durch die Verbreitung des Bildes auf dem Umschlag ja nur noch gefördert werde. Das Gericht kam trotzdem zu einer Verurteilung des Verlegers. In den Entscheidungsgründen wird zunächst ausgeführt, daß Fräulein H. nicht als eine Person der Zeitgeschichte anzusehen sei, daß demzufolge auch auf ihr Bildnis nicht die im § 23, Ziff. 1 des Gesetzes vom 9. Januar 1907 aufgeführten Aus nahmen von der Regel des Rechts am eigenen Bilde Anwendung finden könnten. Unstreitig sei es dagegen, daß das Porträt des Fräulein H. in den verschiedensten Formen auf Postkarten ver breitet werde, und zwar auf Grund von Verträgen, die der Vater der Dame mit verschiedenen photographischen Firmen abgeschlossen habe. In diesen Verträgen sind aber für die öffentliche Verbreitung vor allen Dingen die Bestimmungen aufgestellt worden, daß das Bild ausschließlich als Ansichtskarte und nur mit dem Namen der Abgebildeten versehen verbreitet werden darf. Außerdem wurde das Recht zur Verbreitung nur den im Vertrage genannten Firmen erteilt. Dem beklagten Verleger steht natürlich wie jedem anderen das Recht zu, sich Postkarten mit dem Bilde des Fräulein H. zu kaufen und sie eventuell durch Kauf, Tausch usw. weiter zu verbreiten. Der Verleger ist jedoch darüber hinausgegangen. Er hat die von ihm gekauften rechtmäßig hergestellten Postkarten mit dem Bilde des Fräulein H. derartig beschnitten, daß der Name fortfiel und hat dann diese Karten auf den Deckel des Weberschen Buches aufgeklebt. Dadurch ist, wie von dem Gericht ausdrücklich hervorgehoben wird, den Ansichts karten zunächst ihr Charakter als Ansichtskarte genommen worden und sie sind zum Teil eines Buchinhalts geworden. Ein Recht des Fräulein H. wurde schon insofern verletzt, als ihr Bild in einer nicht genehmigten Form zur Verbreitung gelangte. Außer dem fehlt aber auch auf den aufgeklebten Bildern der Name des Fräulein H. Wie in dem Urteil betont wird, ist dieser letzte Punkt, abgesehen von den vertraglichen Abmachungen für die ab- Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. gebildete Person schon deshalb von erheblichem Interesse, als da durch der Anschein erweckt wird, als ob sie sich als Modell für Ansichtskarten benutzen ließe. Die Verbreitung des Bildes in der vorliegenden Form ist aber als rechtswidrig anzusehen, selbst wenn Fräulein H. dafür, daß sie sich auf Ansichtskarten abbilden ließ, ein Entgelt erhielt, denn dieses Entgelt war nicht für eine derartige Form der Ver breitung bestimmt. Auch wenn man annehmen wollte, daß Fräulein H. der Zeitgeschichte angehöre und demzufolge ihr Bildnis auch ohne ihre Erlaubnis verbreitet werden könnte, so muß doch berücksichtigt werden, daß auch die Bildnisse von Per sonen der Zeitgeschichte nur dann ohne Einwilligung des Ab gebildeten verbreitet werden dürfen, wenn dadurch ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten nicht verletzt wird. Das Gericht hat nun angenommen, daß dies im vorliegenden Falle zutreffen würde. »Die Anbringung des Bildes auf dem Umschlag eines Buches hat den Zweck, die Verbreitung des Buches zu fördern, dient also der Reklame für das Buch. Es steht aber außer Zweifel, daß die Benutzung des Porträts auch einer in der Öffentlichkeit stehenden Person zum Zwecke der Reklame für einen der betreffenden Person selbst fremden Zweck einen Eingriff in das persönliche Recht des Betreffenden darstellt, ganz besonders in einem Falle wie dem vorliegenden, wo es sich um eine öffentlich auftretende Künstlerin handelt und die Annahme nahe liegt, daß sie für die Hergabe ihres Bildes als Reklamemittel ein Entgelt erhalten habe Ein solcher Verdacht ist auch geeignet, das Ansehen der Bühnen- künstlerin zu schädigen.« Von einer Erörterung der Frage, ob die Verbindung des Bildes des Fräulein H. mit dem Weberschen Buche wegen des Inhalts desselben speziell für diese etwas Kränkendes hat, wurde vom Gericht abgesehen; ebenso ließ man es dahingestellt, ob für ein junges Mädchen eine Identifizierung mit dem Begriff »Carmen«, wie er sich aus dem Schicksal der Heldin der bekannten Oper herausgebildet hat, gerade recht schmeichelhaft ist. Nachdem das Gericht die Rechtswidrigkeit der Verbreitung oes erwähnten Bildes auf dem Umschlag des Buches als erwiesen angesehen hat, wurde, wie schon bemerkt, dem Klageantrag entsprechend der Verleger verurteilt, das Bild von den Büchern, die zur Verbreitung bestimmt sind, zu entfernen. Wenn auch die besonderen Verhältnisse in diesem Falle eine Verurteilung rechtfertigen, so geht m. E. das Urteil doch zu weit wenn es den Satz aufstellt, daß die Benutzung des Porträts auch einer in der Öffentlichkeit stehenden Person zum Zwecke der Reklame für einen der betreffenden Person selbst fremden Zweck ein Ein griff in das persönliche berechtigte Interesse des Betreffenden darstelle. Wenn man das Recht am eigenen Bilde so weit aus dehnen will, so bleibt nur in äußerst seltenen Fällen die Möglichkeit, Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte zu veröffentlichen, obgleich zweifellos die Allgemeinheit ein gewisses publizistisches Anrecht an der freien Darstellung solcher Personen besitzt. Dies entspricht, wie in der Begründung des Gesetzes aus drücklich hervorgehoben wird, den natürlichen Bedingungen sozialen und geschichtlichen Lebens und wird auch in jenen Ländern ohne weiteres anerkannt, in denen Rechtswissenschaft und Recht sprechung zu gunsten des Abgebildeten ein Recht des Widerspruchs gegen eine Veröffentlichung des Bildes entwickelt haben. Die Ausdehnung des berechtigten Interesses im Sinne der oben zitierten Ausführungen des Urteils geht zweifellos weit über das Ziel hinaus. Wer in der Öffentlichkeit steht, muß sich eben gefallen lassen, daß auch sein Bild dem großen Publikum be kannt wird, vor Beleidigungen natürlich muß der Abgebildete geschützt werden. Aber die Benutzung eines Bildnisses zur Reklame ist, wenn man berücksichtigt, daß der Begriff selbst außerordentlich weitgehend aufgefaßt wird, noch keineswegs eine Beleidigung. Zu bemerken ist übrigens auch, daß der Ausdruck »Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte« im weitesten Sinne zu verstehen ist und sich keineswegs nur auf Personen erstrecken soll, die infolge ihrer Stellung, ihrer Tätigkeit oder ihrer Schick sale zu den geschichtlichen Erscheinungen gehören. Die einengende Auffassung des Begriffs »Zeitgeschichte« widerspricht den Ausführungen der Begründung des Gesetzes, in der ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß die Veröffentlichung der Bildnisse von Personen, die in Kunst oder Wissenschaft ein 865