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pilr 288, 12. Dezember 19'k. Redaktioneller Teil. Erwarten wir dies und erleben wir es so, dann haben wir aber auch unsrerseits alle Veranlassung, entgegenkommendes Ver ständnis mit gleichem Verständnis zu beantworten, das heißt: alle irgend entbehrlichen Leute dem Hilfsdienst zur Ver fügung zu stellen und uns in jedem einzelnen Falle genau zu prüfen, ob und wieweit wir einzelne Arbeitskräfte in unseren buchgcwerblichen Betrieben, von höherer vaterländischer Warte betrachtet, wirklich zur Ausrechterhaltung unserer Aufgaben brau chen und welche nicht unbedingt erforderlich sind. Diese sollten wir ohne Zögern hergeben und damit auch an unserm Teile dazu beitragen, daß Granaten und Brot in höchster Fülle hergestellt werden können und nur eben der geistige und literarische Ausbau des Ganzen, für den wir mit verantwortlich sind, so aufrechter« halten bleibt, daß er nach Friedensschlutz mit voller Kraft wieder wirken und schaffen kann und daß er während des Krieges mit halber Kraft das Notwendige leistet. vr. Alexander Elster. II. Im großen und ganzen deckt sich die Auffassung des Herrn Iir. Elster über die Bedeutung und die Wirlnng des Gesetzes über den vaterländischen Hilfsdienst auf den Buchhandel mit den kurzen Bemerkungen, die wir dem Abdruck des Entwurfs in Nr. 274 mit aus den Weg gaben. Dagegen findet sich insofern ein Widerspruch in den beiden Auslassungen, als wir die Meinung vertreten haben, daß es dem Buchhandel an genügendem Personal zurAufrechterhaltung seinerBetriebe fehle,während aus den Schlußaussührungen vr. E's der Eindruck gewonnen werden könnte, als verfüge der Buchhandel noch über entbehrliche Kräfte, die unter Umständen zum vaterländischen Hilfsdienst im engeren Sinne herangezogen werden könnten. Wir möchten darauf kurz eingehen, nicht ohne vorauszuschicken, daß auch uns nichts als so wichtig und notwendig erscheint wie das, was den Interessen der Allgemeinheit, des großen deutschen Vaterlandes dient. Nur wird man sich klar darüber sein müssen, worin diese Interessen bestehen und was ein jeder zu ihrer Förderung bei tragen kann. Steht darüber auch in letzter Instanz den leitenden Stellen, in deren Händen zur Zeit das Geschick des deutschen Volkes liegt, die Entscheidung zu, so handeln doch die Berufs stände nur in Ausübung ihrer vaterländischen Pflicht, wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen ihr Urteil darüber abgeben, wie sie glauben, dem Vaterlande am besten nützen zu können. Denn wenn wir den Geist des Gesetzes recht verstehen, so wird es in der Hauptsache darauf ankommen, die rechten Männer an den rechten Platz, d. h. dahin zu stellen, wo sie ihre Kräfte am zweck mäßigsten im Dienste des Vaterlandes verwerten können Auf die Wichtigkeit des Buchhandels für die Versorgung der Truppen mit geistiger Nahrung brauchen wir nicht näher einzu gehen: die zahlreichen Zuschriften aus dem Felde wie das Be dürfnis der Daheimgebliebenen, sich mit den geistigen Schätzen unseres Volkes zu beschäftigen, sind die beste Antwort auf die Frage, ob ein Interesse an der Erhaltung des Buchhandels wäh rend des Krieges bestehe. Trügen nicht alle Zeichen, so können wir in diesem Jahre auf ein gutes Weihnachtsgeschäft rechnen, das insofern auch einen Segen für unser Volk bedeuten würde, als die dadurch ausgestreute Saat in manchen Herzen aufgehen und ein gutes Buch doch weit reichere Frucht für das ganze Leben tragen kann als irgend ein anderes der bisher üblichen Weih nachtsgeschenke. Leider ist jedoch zu befürchten, daß zahlreiche Betriebe den Anforderungen zur Weihnachtszeit nicht entsprechen können, da es, abgesehen von den Schwierigkeiten der Beförde rung der Sendungen infolge der Verkehrseinschränkungen, an ausreichendem Personal fehlt. Einige Buchhandlungen haben ganz schließen müssen, weil die Besitzer im Felde stehen und keine Vertreter finden konnten, während andere der Obhut von Frauen anvertraut werden mußten, über deren aufopferndes Wirken während des Krieges einmal bei anderer Gelegenheit gesprochen werden soll. Ausgediente Veteranen des Buchhandels, die sich längst zur wohlverdienten Ruhe gesetzt hatten, haben wiedkr ihren Platz hinter dem Ladentische eingenommen und schaffen wie in ihren bestenMannesjahren,unterstützt von dem klcinenRest Dienstuntauglicher und den weiblichen Hilfskräften, die es leider , oft nicht als ihre Ausgabe ansehen, himmlische Rosen ins irdische Leben zu flechten, und voraussichtlich in diesem Blatte keinen Frauenlob finden werden. So erfährt jeder am eigenen Leibe, wie es um den Arbeitsmarkt im Buchhandel bestellt ist, und wer es nicht weiß, kann es aus den Angebotenen Stellen im Börsenblatt oder in der Expedition dieses Blattes erfahren. Um zu zeigen, wer sich gegenwärtig für -befähigt hält, buch händlerische Arbeiten zu verrichten, und um auch den Humor in dieser ernsten Zeit zu seinem Rechte kommen zu lassen, drucken wir nachstehend zwei Bewerbungsschreiben ab, die einer großen Buchhandlung der Provinz Sachsen kürzlich auf die von ihr aus geschriebene Stelle eines Verlagsexpedienten zugingen: Reflektiere cventl. auf die ausgeschriebene Gehilsenstelle. Bin 54 I. led. engl. 1,57 in groß, jedoch schwerhörig. War 12 I. bei der Eisenbahn Schreiber. Gelernter Buchhändler; betreibe Col- portagebuchhandel. Betreffs Gehalts erwarte Vorschläge. Bezugnehmend auf Ihr wert. Inserat, erlaube mir Ihnen ineine Dienste anzubieten. Bin verh. 48 Jahr alt, von Beruf Kellner. Antritt kann sofort erfolgen. Nur gute Zeugnitze stehen mir zur Seite. An ein pünktliches, zuverlässiges Arbeiten bin ich gewöhnt. War 15 Sommer in W .... in Stellung. Die Gehaltsfrage stelle Ihne» anheim, denn ich weiß ja nicht, was Sie für diesen Posten auswerscn. Ihren wert. Bescheid entgegen sehend ufw. Wie der Krieg auf einzelne Betriebe eingewirkt hat, geht ans ! der nachstehenden vergleichenden Tabelle über die Zusammen- - setzung des Personals der Firmen K. F. Koehler und F. Volckmar ^ vor Kriegsausbruch und im Dezeniber 1916 hervor, die uns auf ! unsere Bitte in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt j wurde. Die Zahlen sind dadurch gewonnen worden, daß der ! Durchschnitt aus den beiderseitigen Prozentsätzen eingesetzt - wurde. Die Schwankung des Zahlen-Verhältnisses selbst zwi- - schen der Gesamt-Zahl des Personals vor Kriegsausbruch und ! jetzt ist inbeiden Geschäften so gering, daß sie in Prozentsätzen , gar nicht zum Ausdruck kommen könnte: Bor dem Kriege Dezember 1916 7° Gehilfen und Kontoristinnen 64 34,5 Mädchen 40,5 Jugendliche Arbeiter 11,5 12 Markthelfer 19 13 100 °/o too »/« Bei derBedeutungLeipzigs als Kommissionsplatzes ist beson ders zu berücksichtigen, daß jede Stockung oder Einschränkung der Betriebe ihre Wirkung auf den gesamten Buchhandel äußert und auch diejenigen Geschäfte in Mitleidenschaft zieht, die von sich aus in der Lage wären, durchzuhalten. Auch ist es ganz selbstverständ lich, daß bei weiterer Entziehung männlicher Arbeitskräfte mit einer Stillegung aller größeren Betriebe und der Entlassung des gesamten Personals gerechnet werden müßte, da Hilfskräfte ohne i jede Anleitung durch geschultes Personal dem bekannten Messer ohne Klinge gleichen, dem der Stiel fehlt. Gewiß sind auch im Buch handel die Wirkungen des Krieges auf die einzelnen Geschäfte verschieden:Firmen mit vorzugsweise älteremPersonal sind gün stiger gestellt als solche, die ihre Angestellten schon bei Kriegsaus- I bruch verloren haben und heute fast ausschließlich auf Lehrlinge und weibliche Hilfskräfte angewiesen sind. Auch die unmittelbar nach Kriegsausbruch getroffenen Maßnahmen einzelner Firmen sind nicht ohne Einwirkung auf ihren Personalbestand gewesen. Alles in allem verfügt Wohl kein Geschäft über entbehrliches Personal, dagegen müssen zahlreiche Betriebe außerordent liche Anstrengungen machen, um einen einigermaßen geordneten Geschäftsgang aufrecht zu erhalten, umsomehr, als zwar die Umsätze in den meisten Geschäften zurückgegangen sind, die Ar beit aber zufolge der Bevorzugung billiger Literatur erheblich ge wachsen ist. Diese Mitteilung ist — ein charakteristisches Zeichen für die Eig nung des Bewerbers als Expedienten — auf einen Btlchcrzettel ge schrieben und mit 3 Pfg. frankiert. Iö07