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1814 Nichtamtlicher Theil. JZ IN, 15. Mai. das wir einer schönen Zukunft cntgegcnreifen scheu. Der Biblio thekar des Fürsten v. Fürstender g in Donaueschingen, Hr. Barack, war es, der frischen Muthes es unternahm, an seine Bcrufsgenossen die Aufforderung zur Neugründung der Straßburger Sammlung durch freiwillige Beisteuern ergehen zu lassen. Die Aufforderung fand freudigen Wiederhall, und im Verein mit vaterländisch gesinn ten Buchhändlern bildete sich ein Comitö, dessen unermüdet thätiger Geschäftsführer Hr. Barack wurde. Der erste, der entscheidende Schritt war damit gethan. Indessen sollte — wir glauben dies, wie gern wir möchten, nicht mit Stillschweigen übergehen zu dürfen — dem Unternehmen der Widerstand nicht fehlen. Um eines scherzen den Wortes zu gedenken, mochte hie und da vielleicht widerstreben, daß die neue Sammlung in Donaueschingen „ entspringen" sollte. Es regle sich der Wetteifer der Buchhändler, die nähere Rechte auf das Unternehmen zu besitzen glaubten. Es wurden Bedenken laut, ob dem Beginn des Sammelverfahrens nicht planmäßige Erörterun gen vorausgehen sollten, um der neuen Schöpfung die systematische Entwicklung und Durchbildung von vornherein zu sichern. Der Er folg hat zu Gunsten des Unternehmens gesprochen, und mit dem hervortrctendcn Erfolg ist iinmer mehr der Widerstand geschwun den, dessen Fortdauer das Gelingen der nationalen Angelegenheit ernstlich bedrohen konnte. Welchen rühmenswerthen Antheil die Buchhändler an dem Gründungswerke genommen, darüber haben die Blätter wiederholt berichtet. Auch über die lebendige Mitwir kung des Auslandes, fremder Regierungen, fremder gelehrten Ge sellschaften und Körperschaften, sind vielfach Mittheilungen in die Oeffcntlichkcit gelangt. Daß England, Dank namentlich der Für sorge unseres Landsmannes Trübncr, die regste Betheiligung gezeigt, darf als eine bedeutsame Thatsache von erfreulichem Werth gelten. Hervorgehoben zu werden verdient vor allem die Thätigkeit der kai serlichen Regierung, welche dem Unternehmen von Anbeginn mit vcrständnißvollcr Auffassung entgegen kam, die ihm unausgesetzt offenen Sinn wie offene Hand bewahrte und bewahrt. Hr. v. Möller hat aufs neue das warme Verständniß für die Pflege geisti ger Interessen bekundet, durch das er in Cöln und Cassel sich so warme Anerkennung gewonnen. In neuester Zeit ist durch eine Frage einiger Staub ratffgewir- belt worden, die wohl schlimmer aussieht, als sie in Wirklichkeit ist. Die die Straßburger Bibliothek bildenden Sammlungen waren städtisches oder unter städtischer Verwaltung stehendes Eigenthum, die zu Grunde gegangene Sammlung war eine städtische. Die kai serliche Regierung hat der Stadt auch für den widerfahrenen Ver lust Entschädigung gewährt. Den Lehrzwecken der französischen Akademie diente eine eigene kleine Sammlung, die unversehrt in deutsche Hände überging, und den Grundstock der kaiserlichen Samm lung ausmacht. Von selbst ergab sich beim Beginn des Sammel- verfahrens die Frage: wie es mit der rechtlichen Bestimmung der neu zu gründenden Sammlung gehalten werden solle, und von selbst ergab sich die Antwort, daß sie der künftigen Hochschule zu bestimmen sei. Dem Wesen deutscher Hochschulen entsprechend, genügen für sie nicht Fachsammlungen, und wenn sie die vortrefflichsten wären — die Gesammtheit der Wissenschaften, der unsere Hochschulen gewid met, muß auch in ihren Büchersammlungen zu Ausdruck und Dar stellung gelangen. Wenn der fortwährend wachsende Umfang der Wissenschaften bievölligc Verwirklichung dieser Bestimmung derSamm- lungen mehr und mehr unerreichbar werden läßt, wie auch trotz aller Anstrengungen und Aufwendungen die Vertretung der gesammten Wissenschaft auf unfern Hochschulen mehr und mehr zur Unmöglich keit wird , führt dies nur mit um so zwingenderer Gewalt zur Zu sammenfassung und Zusammenhaltung der vorhandenen Mittel hin. Zwei Sammlungen von gleichem Werth und gleicher Vollständigkeit neben einander bestehen zu lassen, wäre wohl selbst bei noch so reichlichen Mitteln nicht möglich und auch, wenn möglich, nicht nöthig. Zwei verschiedene Sammlungen in rechter Erfassung ihrer verschiedenen Aufgaben neben einander bestehen zu lassen, ist dage gen vom hohern Standpunkt aus nicht bloß wünschenswcrth, sondern unentbehrlich. Die Bestrebungen für Ncugründung der städtischen Sammlung mögen darum ihrer selbst wegen, nicht allein weil sie das Wiedererwachen der SelbstthLtigkeit bekunden, willkommen sein. Täuschen wir uns nicht, wird inan von selbst zu einer gewissen Selbstbeschränkung kommen. Der treffliche praktische Sinn, der schon zu französischen Zeiten die Elsäßer zur Anlegung von Volksbiblio- lheken leitete, sollte er sich nicht in ihnen regenund sic darauf denken lassen, die neue städtische Sammlung für die niedern Bildungszwecke der Bevölkerung von Straßburg wie der Umwohnerschaft verwend- und verwerthbar zu machen? Bei rechter Erfassung ihrer verschie denen Aufgaben können die kaiserliche und die städtische Sammlung neben einander gedeihen, und sie werden, wie wir hoffen, neben ein ander gedeihen zum'Wohlc des gemeinsamen Ganzen. Die Bestimmung der kaiserlichen Sammlung für die neue Hochschule hat ihr manche Gunst gewonnen — war doch die Theil- nahme für diese von Anbeginn sehr groß, sehr lebhaft. Mit der Aufgabe sind aber auch Anforderungen, Ansprüche, Erwartungen gewachsen, und cs ziemt ein Wort über das rechte Maß der lctzeren zu sagen. Hie und da werden Zwcifelsstimmen laut, die den Erfolg der Neugründung in Frage ziehen; hie und da wieder scheint das Werk bereits als vollendet zu gelten. Seit der am Goethe-Jubel- tag im August vorigen Jahrs erfolgten amtlichen Neugründung der Sammlung sind wesentliche, sehr erfreuliche Vorschritte geschehen, von allen Seiten sind Beiträge zugeflossen, ihnen hat manche Er werbung von Werth und Bedeutung zugesellt werden können: die Namen Vangcrow, Böcking, Heitz haben guten Klang. Wie wäre aber eine fertige Sammlung zu schaffen möglich gewesen! Selbst bei den günstigsten äußeren Bedingungen kann dies getrost als Un möglichkeit bezeichnet werden, geschweige bei den mannigfachen Schwierigkeiten, welche die außergewöhnliche Lage bereitet. Wir wollen hier nur die Schwierigkeiten anführen, welche die Unterbringung der neuen Sammlung mit sich brachte. Die Räum lichkeiten im früheren kaiserlichen Schloß am Münstcrplatze, die bis zur Herstellung eines eigenen Sammlungsgebäudes gewonnen wur den, gehen auch heut ihrer vollständigen Einrichtung erst noch ent gegen. Der Rechenschaftsbericht wird einmal singen und sagen können, welche Mühe es war, die werdende Sammlung zu gründen! Eine Sammlung, die im Laufe des Jahres die 200,000 erreichen soll, ist indessen, wie auf der Hand liegt, über bloße Anfänge hin aus. Neben guten Grundlagen bietet sic fertige und nahezu fertige Theile. Und wenn, wie bei jedem Bau, die unfertigen Thcilc die Blicke zumeist auf sich ziehen, darf dies das Urtheil nicht beirren. Mit dem nun gegebenen Zusammenwirken aller berufenen Kräfte, mit dem nun erfolgten Eintritt in geregelte Verhältnisse sicht sich das Werk von selbst in zunehmender Geschwindigkeit gefördert. Das bekannte „ Nicht da " kann vielleicht im Anfänge fast stereotyp zu sein scheinen, es wird bald seltener oder nur so selten, will sagen häufig werden, wie bei den meisten andern Sammlungen. Das Unmögliche sollte und konnte nicht geleistet werden; ob das Mög liche geleistet wurde, das ist die Frage, deren Entscheidung dem billigen Sinn kaum zweifelhaft sein kann. Die Zweifelsstimmen lassen sich freilich auch vernehmen, als ob der Erfolg der Neugründung gegenüber dem Werth der zu Grunde gegangenen Sammlungen überall fraglich erscheinen müsse. Der Werth dieser Sammlungen ist weder in Abrede zu stellen, noch zu unterschätzen. Unersetzlich wie einmal Einzelheiten sind, wird die neue Sammlung in der einen oder andern Beziehung wahrscheinlich immer hinter der früheren zurückstehen. Die Abwägung von Ge winn und Verlust ist jedoch zur Zeit nicht möglich, und da sie nicht möglich, sollte richtigcrwcise das Verlorene nicht auf Kosten des