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^>7 87, 21. März 1916. Redaktioneller Teil. Stellenvermittlung wird dahingehend beantwortet, daß hierüber nur eine Hauptversammlung beschließen könne. 6. Es fand dann noch eine Besprechung über Bezug von Büchern zu »antiquarischer Verwertung« statt, wobei die Aus führungen des Schriftführers im Börsenblatt als richtig aner kannt wurden. Die sehr zu wünschende Erhaltung des Herrn Geh.-Rat Siegismund im Vorstände, trotz abgelauscner Amtszeit, hat zu ausführlichen Korrespondenzen des Vorstandes mit dem Verband der Kreis- und Ortsvcreine, dem Wahlausschuß und den Ham burger Vereine» geführt. Nach den uns zugegangenen Nach richten sind vom Wahlausschuß diesen Wünschen entsprechende Be schlüsse gefaßt worden. Von einer Änderung der Satzungen des Verbandes der Kreis- und Ortsvereine, die von diesem vorbereitet werden sollte, haben wir abgeraten, bis die Gründung des Sortimenter-Ver eins von der Hauptversammlung des Börsenvereins genehmigt wird, da sonst leicht eine abermalige Abänderung sich daraus er geben könnte. Die Sitzung des Börsenvereinsvorstaudes in Leipzig, die sich mit Gründung des Sortimenter-Vereins befaßte und zu der auch unser Vorsitzender zugezogen war, hat bekanntlich noch keine Übereinstimmung der Ansichten ergeben, so Laß unser Vor schlag durchaus zweckmäßig sein dürfte. Die Aufforderung zum Beitritt in den Sortimentervcrei» haben wir durch ein Anschrcibcn an unsere Mitglieder unterstützt. Anmeldungen aus unserm Verbände sind bisher 88 erfolgt, bei unserer Mitglicdcrzahl eine gewiß beachtenswerte Beteiligung, Wenn man die reinen Verleger ausschaltet. Aus den im Börsenblatt bekanntgegebenen Verhandlungen der O.-M.-Hauptversammlung haben Sie erfahren, daß die Schlußsteinlegung der Deutschen Bücherei stattgefundcn hat, und daß die Übernahme der gesamten Bibliographie durch den Bör senverein vom 1. Januar d. I. ab beschlossen worden ist. Hier durch ist eine Tat vollbracht, die in ihrer Art einzig in der ganzen Welt dasteht und nicht nur unserm Stande, sondern auch dem ge samten deutschen Vaterlands zum Ruhm gereichen muß, zumal sie sich inmitten eines Weltkrieges vollzog, der an das deutsche Volk die größten Anforderungen nach jeder Richtung hin stellt. Der Schlußsteinlcgung wie der Hauptversammlung wohnten die von Ihnen abgeordneten beiden Vorstandsmitglieder bei, die auch Gelegenheit hatten, mit in die Debatte einzugreifen. Die Or. Lehmannschen Anträge wurden auf der O.-M.- Versnmmlung für undurchführbar erklärt, aber einer nochmaligen Besprechung in der Herbftversammlung Vorbehalten. Die dann später bei der Goslarer Delegiertenversammlung stattsindende Aussprache kam ebenfalls zu dem Resultat, datz die meisten Anträge undurchführbar seien, das wenige Gute aber, was sie enthalten, entsprechend abgeändert werden müsse. Unterdessen sind auch diese abgeändcrten Anträge vom Vor stande des Börsenvereins abgclehnt worden. Als Hauptfrucht der Goslarer Delegiertenversammlung ist die Gründung eines Sortimenterbundes hervorgegangen, dem die Aufgabe zufallen soll, eine reine Vertretung des Sortimenter- standcs zu sein, und der als Gegengewicht gegen den Verleger- Verein gelten soll, d. h. als eine vom Börsenverein anerkannte Institution. Der gewählte Name »Buchhändler-Gilde« hat nach träglich Anstoß erregt, weil dieser Name voraussetze, daß der ge samte legitime Buchhandel einbegriffen sei, während tatsächlich nur ein Zweig desselben hierunter zusammengefaßt werden solle. Es ist beabsichtigt, einen Geschäftsführer und einen Syndikus anzustellen, die ständig für die Vereinsinteresfen zu wirken haben. Anmeldungen sind unterdessen über 800 erfolgt, und die kon stituierende Versammlung zur O.-M. wird sich nun mit der defi nitiven Gründung, seinen Satzungen und mit der Anerkennung seitens des Börsenvcreins zu beschäftigen haben. Ob der neuge- schasfene Verein, der zwar nicht als Kanrpfverein an sich gedacht ist, der aber, durch die Verhältnisse gedrängt, Wohl kaum ganz davon wird absehcn können, alle die auf ihn gesetzten Hoffnungen verwirklichen kann, muß einstweilen dahingestellt bleiben. Es wird hauptsächlich darauf ankommen, die geeigneten Männer an seine Spitze zu stellen, die es verstehen, ihn mit feinem Takt, ob jektiver Urteilskraft und fachmännischem Verständnis zu leiten, damit die Grenzen, die dem einzelnen Berufszwcigc innerhalb des Gesamt-Buchhandels gezogen sind, nicht überschritten wer den. Soll das Wohl des Ganzen nicht geschädigt, vor allem aber kein direkter Gegensatz zum Verlage geschaffen werden, so muß Sorge getragen werden, bestehende Interessengegensätze auszu gleichen. Gelingt es, diese schwierige Aufgabe zu lösen, dann kann Wohl auch von seiten des Verlags diese Neugründung mit Freuden begrüßt werden. Sobald aber die Leitung in falsche Hände gerät oder Heißsporne und einseitige Interessen vertre tende Männer an seine Spitze treten, dürste leicht das Gegen teil von dem cintreten, was wir alle erhoffen, und eine ernste Ge fahr für den Buchhandel heraufbeschworen werden. Hoffen wir, daß die Optimisten recht behalten zum Segen unseres Standes! Die vom Buchhandel angeregte Bücherwoche ist durch unge schickte Inszenierung seitens dem Buchhandel fernstehender Per sönlichkeiten vollständig verunglückt und hat nur ganz wenigen Kollegen einen kleinen Nutzen gebracht. In der Hauptsache hat das Publikum die Gelegenheit benutzt, einen Teil der in seinem Besitz befindlichen alten Schmöker abzustotzen, und zwar schmerz- los. Zu einer neuen Reichsbuchwochc soll es im Mai kommen. Eines uns von der vorigen Hauptversammlung gewordenen Auftrags, des Ankaufs von Kriegsanleihe, hat sich der Ausschuß leider nicht in vollem Umfange entledigen können. Wie die von uns befragten Bankiers einstimmig erklärten, habe eine Lombar dierung von Wertpapieren nur dann Zweck, wenn die Einlösung in kurzer Frist erfolgen könne, was bei uns nicht möglich ge wesen wäre. Mit dem Verkauf alter Staatspapiere zum Erwerb von Kriegsanleihe sei aber dem Staate nicht gedient und anderer seits auch nicht dem Verbände, der einen bedeutenden Kapital verlust dabei erleiden würde. Wir haben daher nur aus flüssigen Mitteln für 400 »/k angekauft. Sollte die Hauptversammlung un seren Entschluß nicht billigen, so findet sich noch bei nächster Kriegs anleihe Gelegenheit, das Versäumte nachzuholen, obwohl der Vor stand von diesem unter den obwaltenden Umständen für unfern Verband zu kostspieligen und vollständig zwecklosen Unternehmen nur abraten kann. Auf Wunsch eines Mitgliedes haben wir einem Lehrer- seminar mitgeteilt, daß auf Zeitschriften kein Rabatt gewährt werden dürfe, soweit nicht ein Vermchrungsetat von mindestens 10 000 .,kk jährlich der betreffenden Anstalt zur Verfügung stünde. Das Weihnachtsgeschäft scheint nach allem, was wir darüber von Kollegen gehört haben, im allgemeinen erheblich besser als im vorigen Jahre gewesen zu sein, ja es soll teilweise an das letzte Friedensjahr hcrangereicht haben. Diese erfreuliche Tatsache be zeugt, daß das Wirtschaftsleben unseres Vaterlandes, trotz aller Bedrängnis, ungeachtet der Verteuerung von Lebensmitteln und Produktionskosten, der Abschlietzung vom Auslande usw., doch im zweiten Kriegsjahre einen Schritt zum besseren getan hat, ja alle mit der Fabrikation und dem Handel von Kriegsbedarfsartikcln beschäftigten Firmen haben sogar eine enorme Steigerung ihres Einkommens zu verzeichnen. Viel schwieriger dagegen ist z. B. in unserem Bcrufsstande die Stellung des Verlagsbuchhandels, besonders des wissenschaftlichen Verlags. Der Absatz nach dem Auslande ist völlig unterbunden, Universitäten und Hochschulen sind leer, selbst die Obcrklassen der höheren Knabenschulen sind nur schwach besetzt. Bei Schulbüchern wird seitens der Lehrer bei der Anschaffung neuer Lehrbücher die weitestgehende Nachsicht geübt. Dagegen sind die Kosten für Papier, Buchbinder, Bedarfs artikel itsw. enorm gestiegen. Wegen Papiermangels wird dem nächst der Umsang der Zeitungen und Zeitschriften erheblich ein geschränkt werden müssen. Leider ist noch keine Aussicht, daß der Krieg zu Ende geht, da unsere Gegner sich noch nicht für besieg! erklären wollen, Wohl auch nicht dürfen, da sie bisher keine Er folge irgendwelcher Art aufzuweisen haben und weil die Fric- densbcdingungen unter diesen Umständen so ungünstig für sie aus- fallen dürften, daß die betreffenden Regierungen Kopf und Kragen riskieren. Endlich aber wird ihnen doch wohl die Erkenntnis ausgehen, Laß es nur noch schlimmer für sie werden wird, so daß wir hoffen dürfen, im nächsten Jahre Frieden feiern zu können. L01