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237, 10. Oktober 1912. Nichtamtlicher Teil. »Die Lage sür das Berlagsgeschäft wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Auf der einen Seite rufen die Sortimenter energisch nach einem erhöhten Rabatt, während aus der anderen Seite die Produktionskosten durch die Erhöhung der Druck- und Buch- bindcrpreise und durch die Anforderungen der Autoren, — cs werden manchmal phantastische Summen gefordert gestiegen sind. Wie in anderen Erwerbsgebieten zeigt sich also auch im VcrlagSbuchhandel, daß der Umsatz zwar größer wird, das, aber die Unternchmergcwinne geringer werden. Wenn sicher einige gut fundierte Verleger auch noch Gewinne aus ihren Verlags- geschästen ziehen, die der aufgewcndeten Arbeit und dem Risiko entsprechen, so muss man doch scststellcn, daß die Mehrzahl der Verleger mindestens ebenso unter dem Kamps »ins Dasein zu leiden hat wie das Sortiment und daß der Konkurrenzkampf der Verleger untereinander mindestens ebenso groß ist wie der unter den Sortimentern.« Erfreuliche Fortschritte macht die Bildung von Interessen- tengruppen innerhalb des Verlegervereins, die die Behandlung aller Spezialfragen zu übernehmen haben, die der Verleger- verein als solcher wegen der Verschiedenheit der in ihm ver tretenen Interessen zu bearbeiten nicht imstande ist. Es bleibt mir nur noch übrig, Ihnen mit einigen Morten über die Tätigkeit Ihres Vorstandes Bericht zu er statten, soweit Sie dies meinen vorherigen Ausführungen nicht bereits entnehmen konnten. Wir haben eine Reihe von Um läufen erledigt und im Laufe dieses Geschäftsjahres 3 Vor stands-Sitzungen abgehalten. Die eine in Cöthen am 5. Febr. dieses Jahres dauerte einen ganzen Tag und beschäftigte sich mit der ersten Lesung des Satzungsentwurfes und außerdem mit der beabsichtigten Streichung des Verbandes aus dem Ver eins-Register. Die zweite Vorstands-Sitzung in Leipzig am 3. Mai 1912 erledigte die zweite Lesung des Sayungsentwurss und legte unsere Stellung zu den Tagesordnungen der Oster- mest-Versammlungcn fest. Die dritte Vorstands-Sitzung haben wir gestern abgehalten. Sie finden ans der Tagesordnung den Antrag, den Be schluß auf Streichung des Verbandes aus dem Vereinsregister wieder rückgängig zu machen. Es hat sich nämlich heraus- gcstellt, daß es verhältnismäßig leicht ist, einen Verein ein tragen zu lassen, daß es aber außerordentlich schwierig ist, eine solche Eintragung wieder löschen zu lassen. Es be darf dazu der vollständigen Liquidation des Verbandes, die sich mehrere Jahre hinzieht und zu der Liquidatoren bestellt werden müssen. Es müßte also der Verband aufgelöst und dann wieder neugegründet werden. Da ist es denn bei weitem einfacher, die kleine Unbequemlichkeit zu tragen, die mit der Anzeige eines Wechsels in den Vorstandsämtern verbunden ist. Ein anderer Grund lag ja eigentlich nicht für die Streichung aus dem Vereinsregister vor. Der Vorstand bittet Sie also, seinem Anträge nachher zuzustimmen. Es wird sie gewundert haben, den Entwurf einer neuen Satzung mit der Einladung zur heutigen Verbandsversamm lung vorgelegt erhalten zu haben. Den äußeren Anlaß zu einer Satzungsänderung hat ein Schreiben des Kaiserlichen Postamtes zu Halle gegeben, demzufolge die Auslieferung der Postsendungen an den neuen Vorsitzenden den Satzungen des Verbandes nach auf Schwierigkeiten stieß. Als ich mir nun daraufhin die Satzungen näher ansah, bemerkte ich in ihnen manche Unklarheit, ja sogar einige direkte Widersprüche, und es erschien mir darum ratsam, die ganzen Satzungen einer zeitgemäßen Revision zu unterziehen. Ich habe mir zu diesem Zwecke alle erreichbaren Satzungen der vom Börsenvcrein anerkannten Kreis- und Ortsvcreine beschafft und diese Punkt für Punkt gründlich durchgcarbcitet. Alles das, war mir für unsere speziellen Verhältnisse brauch bar erschien, habe ich aus diesen anderen Satznngen übernom men, aber auch sonst versucht, unsere Satzung klarer zu dis ponieren und stilistisch zu verbessern. Mein Bestreben ging dahin, unsere Satzung zu einer mustergültigen zu machen,! denn die Satzung ist das wichtigste Werkzeug für eine ge deihliche Vereinsarbeit. Wie ich schon bemerkte, ist der Ent wurf vom Vorstände in zwei Lesungen gründlich durchge- arbeileti außerdem haben sich unser Ehrenvorsitzender sowohl wie der Syndikus des Börsenvereins und der Registerrichter in ausführlichen Gutachten darüber geäußert. Wir legen Ihnen, meine verehrten Herren Kollegen, diese Satzung heute zur Annahme vor und hoffen, daß sie Ihren Beifall findet. Ich bin nunmehr am Schlüsse meines Geschäftsberichtes angelangt, und es bleibt mir nur noch übrig, im Namen des Vorstandes allen den Mitgliedern, die uns durch Auskünfte und Mitteilungen unsere Arbeit erleichtert haben, unseren herzlichen Dank auszusprechen. Ich schließe mit der nochmali gen Mahnung: Seien Sie in der Verfolgung der uns gestellten Aufgaben einig, und suchen Sie nach einem immer festeren Zusammenschlüsse innerhalb der Kollegenschast Ihres Platzes! Denken Sie in erster Linie immer daran, daß das Gefühl der Zusammengehörigkeit der Berufsgenossen untereinander und nicht das der Abneigung gegen den Konkurrenten Ihr Han deln bestimmen sollte! Kleine Mitteilungen. Die Jagd »ach deutschen Büchern in Ungarn. (Vgl. Nr. 228 u. 234.j -- Von einem angesehenen Berliner Verlagsbuchhändler geht uns das nachstehende Schreiben zu: Herr B. Keren czi in Miskolc hat Unrecht, wenn er behauptet, daß die der »Schlesi schen Zeitung« entnommene und in Nr. 228 des Börsenblatts ver- öfsentlichtc Mitteilung aus tendenziöser Entstellung beruhe. Im Gegenteil. Aus meiner diesjährigen Reise durch das ganze Un garn, die das herrliche Siebenbürgen und das Banat in sich schloß, habe ich seststellen können, baß die amtlichen Organe heute mehr als je alles tun, um dem deutschen Buchhandel und den deutschen Bü chern das Leben zu erschweren. Es ist ja allgemein bekannt, daß das Buch »Götzendämmerung« von Adam Müller-Guttenbrunn in Ungarn verboten wurde. Wenn die ungarische Regierung einen solchen Schritt sür notwendig hielt, so ist das eine interne An gelegenheit Ungarns und wirft nur ein eigentümliches Licht aus die gerade von Herrn Ferenczi betonte »vollständige Preßfreiheit«. Es gibt Madjaren genug, die heute schon zugeben, daß das Verbot des Buches »Götzendämmerung« kein sehr kluger Streich der Regie rung war. Daß aber die amtlichen Organe in schärfster Weise gegen die Verbreitung dieses Buches Vorgehen, daß verschiedene Persönlichkeiten wegen Verbreitung dieses Buches zuGesäng „ iS verurteilt wurden, kann man kaum mit dem Gesetz über die völlige Preßfreiheit in Einklang bringen. I» Ungar» ist es erlaubt, in ungarischer Sprache in der schärfsten Weise gegen die Einrichtungen des Staates vorzugehen, nur wenn ein so einsichtsvoller, aufrichti ger Freund des UngarlandeS wie Adam Müller-Guttenbrunn ein mal die Wahrheit sagt, der ungarischen Regierung vorhält, welchen Kultursaktor die Deutschen in Ungarn bilden, und wie gerade die ungarländischeu Deutschen das festeste Rückgrat des ungarischen Staates sind, dann greift die ungarische Regierung mit Feuer und Schwert ein, weil ein Schriftsteller es fllr sciue Pflicht hielt, alles das auszusprcchen, was die Millionen von deutschen Ungarn längst fühlen, daß sie nämlich überall als Bürger zweiter Klasse tu Ungarn behandelt werden. Der Haß gegen die Ausbreitung deutscher Bücher, besonders solcher, die innerhalb Ungarns hergestellt sind, geht so weit, daß ein Zollbeamter mir beim Biederbetrcten des UngarlandeS einen deutsch-ungarischen Kalender längere Zeit vor enthielt, bis ich sehr energisch wurde und ihm klar machte, daß deutsche Bücher bekanntlich zollfrei seien. Veranlaßt hat ihn zu diesem merkwürdigen Vorgehen ein Gedicht von Adam Müller- Guttenbrunn, das in diesem Kalender abgedruckt war. Im übrigen sollte doch Herr Ferenczi wissen, daß die Haus suchungen nach dem Buche Adam Müller-Guttenbrunns zu hundcr» teil zählen, daß diese Haussuchungen auch von behördlichen Organen unter Assistenz von Polizei und Gendarmerie vorgenommen wur den. Man läßt eben in Ungarn viel leichter eine» Verbrecher an Gut und Geld laufen als einen Prcßvcrbrcchcr. Die Mitteilungen der »Schlesischen Zeitung« kann ich nur bestätigen. Glaubt Herr Ferenczi, sic noch weiter bestreiten zu müssen, so bleibt nichts übrig, als einmal die Vorfälle mit Namen und Ort genau zu be- 1585»