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5010 SörstttöE t. S L-tiq« vuchhMör^ Nichtamtlicher Teil. ^ 93, 23. April 1912 halten werden, bringen einen Neuaufschwung dieser Art der Moderne zu wege. Weniger problematisch wird man den »Veröffent lichungen aus demGebiete derMedizinaloerwaltung« gegenüberstehen, die von jetzt ab von der Ministerial- abteilung des Ministeriums des Innern herausgegeben werden. Es sollen hier wichtige Fragen des Gesundheits wesens erörtert werden, und die Veröffentlichungen sollen als Sammelstelle dienen für das, was auf dem Gebiete der Medizinalverwaltung wissenschaftlich und praktisch ge arbeitet wird. Vor etwa 15 Jahren haben sich die deutschen Zeichner unter dem Einfluß ihrer ausländischen Kollegen entschlossen, ihre Kräfte künftig auch in den Dienst der Reklame und Plakatkunst zu stellen, richtiger gesagt, eine Tätigkeit als standesgemäß zu betrachten, die mancher von ihnen, der Not gehorchend, wohl schon ohne Namensnennung betrieben hatte. Die starke Entwicklung dieses Zweiges der Propaganda hat diesen Entschluß gerechtfertigt, und selbst Geschmacklosigkeiten und Übertreibungen beweisen nur, daß eben noch nicht durch weg Künstler auf diesem Gebiet tätig sind, oder daß der wirtschaftlich abhängige Künstler nicht die Möglichkeit hat, seine Absichten restlos durchzufllhren. Es scheinen mir nun manche Anzeichen darauf hiu- zudeulen, daß der nimmer rastende Handel im Begriff steht, sich auch die Literatur in ähnlicher Weise dienstbar zu machen. Soweit es sich um Stilisierung der Anzeigen und Prospekte handelt, kann man diese Entwicklung nur mit Freude begrüßen, denn gerade die vielfachen Erörterungen der letzten Monate haben bewiesen, wie nötig dem schaffen den Literaten ein Nebeneinkommen ist. Auch gegen die in neuerer Zeit häufigen Ankündigungen in Gedicht- und Novellen form') wird sich mehr ein ästhetischer als ein moralischer Widerspruch regen. Sie haben mit den Erzeugnissen der zeichnenden Kunst das gemeinsam, daß sie wenigstens für den durchschnittlich begabten Leser mit offenem Visier fechten; richtiger gesagt, die Verdutztheit des Lesers, wenn er am Schluffe des Schriftwerks merkt, daß er eingefangen werden sollte, ist wohl der psychologisch sein berechnete Zweck der Übung. Viel bedenklicher aber liegt die Sache da, wo durch ein scheinbar un abhängiges Geistesprodukl das Publikum in irgendeiner Richtung beeinflußt werden soll. Ich habe in den letzten Wochen in den Tageszeitungen nicht weniger als vier Preis ausschreiben gefunden, in denen wissenschaftliche Arbeiten im Dienst einer Privatfirma oder einer wirtschaftlichen Interessen gruppe verlangt wurden. Wir stehen hier sicher am Anfang einer neuen Art von Propaganda, deren Weiterentwicklung man nur mit Sorge verfolgen kann. Der Kampf um die Schillerstiftung in seinen vielen Etappen hat die »Kleiststistung«, die seinerzeit den Anlaß zu all diesen Erörterungen gab, ganz vergessen lassen. Sie hat sich inzwischen endgültig konstituiert, wie folgende Mit teilung beweist: Die Kleiststistung, die zur Erinnerung an Heinrich v. Kleists hundertsten Todestag ins Leben gerufen wurde, hat sich nunmehr als Verein konstituiert und in den Kreisen deutscher Schriftsteller, Künstler und Verleger eine große Anzahl von Mitgliedern gesunden. »> Ältere Berliner Kollegen werden sich einer bescheidenen Vorläuferin dieser Reklameart erinnern, der Sonntagsgedichte der »Golbnen Hundertzehn«. Das war ein Konfektionsgeschäft, das allwöchentlich durch seine Hausdichterin — angeblich eine Berliner Botenfrau — die Weltereignisse der vergangenen acht Tage in Verssorm glossieren ließ, wobei regelmäßig in den Schlußzeilen mit kühnem Übergang gewissermaßen als Fazit der Ereignisse der Erwerb einer Hose oder eines Rockes aus der »Goldnen Hundertzehn« empfohlen wurde. Es steht zu hoffen, daß sich auch die weiteren Kreise des gebil deten deutschen Bürgertums der Kleiststistung anschließen und ihre ideellen Zwecke fördern werden. Dem wesentlichen Grundsatz der Stistung, der darin besteht, ausstrebende dichterische Talente wirtschaftlich eine Zeitlang zu stützen, kann bereits in naher Zu kunft Rechnung getragen werden. Unter Beihilfe hochherziger Spender und mit Unterstützung der Kuczinslhstistung wird die Kleiststistung in der Lage sein, in den nächsten drei Jahren min destens je tausend Mar! zu vergeben. Dis Leitung des Vereins gliedert sich in einen Vorstand, der die geschäftlichen Dinge er ledigt, und in einen von drei zu drei Jahren wechselnden Kunstrat, der über die zu verteilenden Ehrengaben entscheidet. Wenn man bedenkt, daß der Ausruf durch die ganze deutsche Presse gegangen ist, scheint das gerade kein über wältigendes Resultat. Doch hat der Kaiser der Kleiststistung seine Unterstützung zugesagt und angeordnet, daß gewisse Überschüsse der Hostheater ihr zu gute kommen. Aus dem allgemeinen Wirtschaftsleben sei hier als für den Buchhandel von besonderem Interesse der Maßnahmen gegen den Sonderrabatt gedacht. Es heißt da in einer Notiz: Zur Abschaffung der Sonderrabatte in Berlin hat sich auf Veranlassung des Verbandes Berliner Spezialgeichäste eine Ver einigung gebildet, der die maßgebendsten Berliner Detaillisten» organisationen angehören. Um nun die nötigen Unterlagen zur Beseitigung der in den Kreisen des Publikums wie in denen der Geschäftswelt als schädlich empfundenen Sonderrabatte zu er langen, ist seitens dieser Vereinigung eine Umfrage bei den Mit gliedern der ihr angehörenden Organisationen gemacht worden. Erfreulicherweise hat sich aus dem gesammelten Material ergeben, daß eine große Anzahl der angesehensten Firmen grundsätzliche Gegner der Sonderrabatte sind und solche überhaupt nicht ge währen. Eine weitere Gruppe von Firmen hat sich bereit er klärt, nach Ablauf der bestehenden Verträge diese nicht mehr zu erneuern und damit auch in den Kreis derer einzutreten, die sich dem Sond'errabattwesen gegenüber ablehnend verhalten. Die Vereinigung Berliner kaufmännischer Vereine zur Bekämpfung der Sonderrabatte hat daher begründete Aussichten zu der An nahme, daß cs in absehbarer Zeit gelingen wird, in Berlin die Sonderrabatte zu beseitigen. In einem längeren Aussatz »Reklame und Über produktion« in der -Deutschen Tageszeitung« nimmt der bekannte Kulturschriftsteller vr. Heinrich Pudor scharf gegen die heutige Form der Reklame Stellung, deren Ge fahren nach seiner Ansicht vor allem in der Anlockung zum Kauf nicht nötiger oder nicht geeigneter Sachen besteht. Seine Ausführungen schließt er mir folgendem Ausblick: »Wenn es uns dagegen gelingen würde, die Mittel, deren sich der Handel bedient, um das Publikum zum Kausen zu zwingen, also Mode und Reklame zurückzudämmen, so würden wir nicht nur den Konsumenten, sondern auch dem Produzenten, und überdies dem soliden Handel, in erster Linie dem Pro- duktionshandel, nützen. Es würde, kurz gesagt, eine Konsoli dierung von Gewerbe und Handel eintreten und das Handwerk würde wieder zu Recht kommen. Die schrankenlose Gewerbe freiheit hat dem entgegengewirkt, und das neue Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb hat nicht vermocht, jene Mittel des forcierten Handels, in erster Linie das Ausverkausswesen zu beseitigen: die Namen haben sich geändert, aber in der Sache hat der unlautere Wettbewerb selbst noch mehr überhand genommen.« Nach all dem Ernsten noch etwas Heiteres: Ein findiger Kopf ist auf die Idee gekommen, geschäftliche Reklame menschlicher Eitelkeit dienstbar zu machen, wie folgendes Inserat verkündet: Versende Gepäckbeklebezettel der bekanntesten Hotels aller Länder. Geben dem Gepäck sowie dem Träger desselben ein weitgereistes Aussehen. Sortim. M. I, 2 u. 3. Ll. L. Lugsbl, Hamburg, Alter Steinweg 8S. Franz Ledermann.