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shL 194, 22. August 1931. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. k>. Dtschn Buchhandel. stimmung hauptsächlich auf Rußland, das jetzt immer noch schrankenlos die Geisteswerke anderer Nationen in Übersetzungen ausbeutet, ohne den Urheber angemessen zu entschädigen. Zu den wesentlichen allgemeinen Grundsätzen des Urheber rechts gehört es, daß an einem Werke ohne Zustimmung des Autors keine Änderungen vorgenommen werden dürfen. Bei der Beratung des neuen Gesetzes ist man noch weiter gegangen und hat beschlossen, baß, wenn ein Kunstwerk für einen bestimm ten Platz (z. B. an einem Bauwerk oder an einem öffentlichen Wege) geschaffen ist und der Künstler bei der Schaffung seines Werkes gerade diese bestimmte Stelle im Auge gehabt hat, das Werk ohne ganz besonders schwerwiegende Gründe wider den Willen des Urhebers nicht an eine andere Stelle gebracht wer den darf. Kunstwerke (Denkmäler, Architekturen), auch wenn sie ur- - hsberrechtlich geschützt sind, dürfen nach dem deutschen Gesetz von jedermann frei photographiert und abgebildet werden, wenn sie an öffentlichen Plätzen ober Straßen stehen. Die Künstler wünschen, daß diese Bestimmung in Zukunft aufgehoben wird, sodaß jeder, der ein Denkmal oder ein Bauwerk, das an einem öffentlichen Platz oder an einer öffentlichen Straße steht, ab bildet, hierfür die Erlaubnis des Schöpfers einholen muß und ihm etwas dafür bezahlt, vorausgesetzt, daß das Werk noch der Schutzfrist unterliegt. Wir wenden Nichts dagegen ein, daß diesem Wunsche der Künstler nachgegeben wird, vorausgesetzt, daß aus der Abbildung wirklich nur das Kunstwerk selbst zu sehen ist. Da aber auf den meisten solchen Abbildungen die Straßen umgebung oder die Landschaft zu sehen sind und sehr oft die Denkmäler oder Bauten nur ein Stück der Darstellung sind, so wie die Menschen, die auf der Straße gehen, und es doch un möglich ist, das Photographieren der Natur oder der Stadt ansicht zu verbieten oder einzuschränken: glauben wir, daß aus praktischen Gründen dem Wunsch der Künstler nicht nachgegeben werden kann oder er auf ganz klare Fälle der ausschließlichen Wiedergabe des Kunstwerkes beschränkt werden muß. Eine sehr interessante Neuerung ist folgende: es soll nach wie vor jedem Komponisten freistehen, erschienene Gedichte auch lebender oder noch geschützter Schriftsteller zu komponieren, ohne daß der Dichter hiergegen Einspruch erheben kann. Aber in Zukunft soll dann der Dichter am Ertrage der Komposition mit einem Anteil beteiligt werden. Zwei neue Bestimmungen, die für Verleger von großer Bedeutung sind, sind folgende: wer das noch nicht veröffentlichte Manuskript eines lebenden Schriftstellers oder das noch nicht reproduzierte Bild eines lebenden Künstlers besitzt, soll ver pflichtet stin, diesem auf sein Verlangen Zugang zu dem Manu skript oder dem Bilde zu gewähren, damit der Urheber in der Lage ist, es vervielfältigen zu können. Es ist nämlich schon öfters vorgekommen, daß Dichter Manuskripte, die sie ursprünglich nicht veröffentlichen wollten, verschenkt haben, daß diese Manuskripte dann später in andere Hände kamen und als bann schließlich der Dichter, vielleicht inzwischen berühmt, die Idee hatte, sein Werk nun doch zu veröffentlichen, daran dadurch gehindert wurde, daß der Besitzer des Manuskriptes, um ganz allein den Genuß zu haben, die Zugänglichmachung des Manuskriptes verweigerte. Und die zweite sehr wichtige neue Bestimmung ist, daß die Her ausgabe von Briefen eines verstorbenen Verfassers während der Dauer der Schutzfrist nur mit Zustimmung seiner nächsten An gehörigen erfolgen darf. Zu diesen Angehörigen sollen auch in time Freunde gerechnet werden, wenn der Inhalt der Briefe sie betrifft. Unsere Gesetzgebung ist sehr liberal in bezug auf die Ge stattung der Übernahme einzelner Abhandlungen, einzelner Ge dichte, einzelner Musikstücke in Bücher, die zu Unterrichtszwecken dienen. In diesem Gedanken liegt etwas Gesundes, der öffent lichen Volksbildung Dienendes; aber die bisherige Gesetzesfassung ist so, daß es möglich ist, z. B. Liederbücher zusammenzustellen, die ihrem Wesen Nach zwar in der Schule gebraucht werden kön nen, aber so gestaltet sind, daß sie in der Hauptsache für ganz andere Kreise als bequeme Liederbücher dienen und starke Ver breitung finden, ohne daß der Autor und sein Verleger hiervon auch nur einen Pfennig Nutzen haben, während der andere Ver leger, der mit Hilfe des Gesetzes solche Bücher zusammenstellt, ein glänzendes Geschäft dabei macht. Diesem Mißbrauch einer an sich gesunden Bestimmung soll ein Riegel vorgeschoben wer den, indem der Begriff des Schulbuchs schärfer gefaßt wird. Andrerseits haben die Autoren die Forderung gestellt, daß sie auch bei Aufnahme einzelner kleiner Abschnitte in Schullese büchern, die bisher kostenfrei gestattet war, entschädigt werden. Dieser Punkt wird von uns deshalb abgelehnt, weil er die Her ausgabe von Schulbüchern erschwert, verteuert und der Moder nisierung ihres Stoffes entgegenwirkt. Eine Verschärfung haben die Bestimmungen für die bös willigen Nachdrucker erfahren, um deren Treiben wirksamer ver folgen zu können. Wer vorsätzlich nachdruckt, soll im Wieder holungsfall nicht nur mit Geld, sondern auch mit Gefängnis bestraft werden können. Von ganz besonderer Bedeutung für den deutschen Musik verlag ist die Frage der öffentlichen Vorführung der Schall platten. Als im Jahre 1901 unser Gesetz erlassen wurde, war die Schallplatte ein höchst unvollkommenes Instrument, dessen öffentliche Vorführung mehr oder weniger eine Kuriosität war. Infolgedessen hat man damals auf Wunsch der Schallplatten-Jn- dustrie die öffentliche Vorführung von Schallplatten gestattet, ohne daß der Komponist oder der Verleger des Musikstückes eine Genehmigung zu erteilen hatte oder dafür eine Abgabe fordern durfte. Inzwischen ist aber die Schallplatte so vervollkommnet worden, daß heute viele Kinos, Kaffeehäuser, Tanzgesellschaften ihre Musikkapellen abgeschafst haben und statt dessen ihr Publi kum mit Schallplatten unterhalten. Während sie also, wenn sie Musiker spielen lassen, diese bezahlen müssen und außerdem an den Komponisten und an den Verleger eine Abgabe entrichten müssen, sparen sie bei der Schallplatte beides. Der Börsenver ein wünscht also, daß in Zukunft die öffentliche Vorführung einer Schallplatte genau so von einer Erlaubnis und Honorar zahlung abhängig ist wie die öffentliche Vorführung auf irgend einem anderen Wege. Ein ganz neuer Begriff ist das sogenannte vroit moral, über das ja in den letzten Jahren in allen Ländern viel diskutiert worden ist und das besonders aus der Internationalen Konfe renz in Rom 1928 eine große Rolle gespielt hat. Voraussicht lich wird dis Neufassung des deutschen Gesetzes eine ähnliche For mel, wie sie in Rom für das vroit moral gefunden worden ist, übernehmen; diese ausdrückliche Statuierung eines vroit moral bietet zwar in der Form, nicht aber in ihrem Sinn für Deutsch land etwas Neues. Denn schon unsere bestehenden Gesetze schützen den Urheber gegen jede Verunglimpfung seines Werkes, in wel chem Betracht auch immer. Wesentlich aber ist, daß in unseren Beratungen jede Überspitzung des Begriffes des vroit moral dergestalt, daß also auch über die Schutzfrist hinaus öffentliche Kommissionen über die Bearbeitung und Behandlung des Werkes wachen sollen, abgelehnt worden ist. Wie bekannt, sind ja in einigen europäischen Ländern neuerdings sehr weitgehende Ge setze zum Schutz des vroit moral erlassen worden; aber wenn man sogar für Werke nach Ablauf der Schutzfrist öffentlichen Kommissionen die Begutachtung darüber überlassen will, daß das Werk nicht verunziert wird, so kämen wir schließlich auf eine ewige Zensur, also zu einem Zustand, den niemand stärker ver abscheuen kann als gerade der Verlegerstand, der unter Umstän den dann jeder Schikane ausgesetzt wäre. Ein anderer neuer Begriff, der schon in Frankreich Wurzel geschlagen hat, ist jetzt auch von den Künstlern in Deutschland zur Debatte gestellt worden; nämlich das vroit cts suite. Die Künstler wünschen, daß, wenn während der Dauer der Schutzfrist ein Gemälde oder eine Skulptur von einer Hand in die andere geht, jedesmal von dem Verkäufer eine Abgabe an den Schöpfer oder seine Erben gezahlt werden soll. Diese soll entweder bemessen werden vom Verkaufspreis oder von dem Über-Preis, dex vom Verkäufer gegenüber dem Erwerbspreis erzielt worden ist. Glücklicherweise hat dieser Wunsch der Künstler bei unseren Be ratungen keine Majorität gefunden; denn wir halten eine solche Bestimmung für grundsätzlich falsch und auch für praktisch un durchführbar. Die Künstler berufen sich immer auf die gewal tigen Gewinne, die an den Werken von Millct, von Manet, von 7S9