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X- 194, 22. August 1931. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. Die deutsche Regierung hat für die Führung der Verhand lung eine sehr geschickte Form gewählt. Sie hat nämlich dem sogenannten »Grünen Verein«, das ist der Deutsche Verein sür den Schutz des gewerblichen Eigentums, dem hervorragende Juristen angehören und in welchem alle am Urheberrecht inter essierten Gruppen, so auch der Börsenverein der Deutschen Buch händler, durch Delegierte vertreten sind, die Führung der Ver handlungen überlassen. Aber der maßgebende Regierungsver treter nimmt an jeder Sitzung teil, verfolgt mit Aufmerksamkeit die Diskussion, erteilt bereitwillig auf jede Frage Antwort und macht sich auf diese Weise ein genaues Bild von den theoretischen und praktischen Anschauungen wie von den Widersprüchen der Sachkenner. Vier bedeutende Mitglieder des »Grünen Vereins« — ür. Elster und die Rechtsanwälte Goldbaum, Hosfmaun, Marwitz — haben, nachdem bis zum Jahre 1929 die Erörte rungen und Besprechungen etwas ungeordnet durcheinander ge gangen waren, selbständige Entwürfe zu einer Neuregelung des Urheberrechts versaßt, in manchen Punkten übereinstimmend, in vielen voneinander stark abweichend. Und der Vorsitzende des Vereins, Herr Mintz, hat in Gemeinschaft mit seinem Mit arbeiter Herrn vr. von Moser der guten Sache dadurch außer ordentlich genützt, daß er eine im Druck vorliegende synoptische Übersicht des bestehenden Gesetzes und der vier neuen Entwürfe gemacht hat und dabei nicht etwa die einzelnen Paragraphen schematisch gegenübergestellt hat, sondern, gleichgültig in welcher Reihenfolge sie später erscheinen werden, die gesamte Materie in große, geistig zusammengehaltene Kapitel geordnet hat. So haben wir bei jeder Sitzung dieses Buch vor uns und sehen ständig bei jeder Frage, die erörtert wird, wie sich die vier vor züglichen Juristen zu jedem Punkte geäußert haben, wir dis kutieren darüber und einigen uns schließlich entweder dahin, daß wir die bestehende Fassung sür die beste halten oder eine der vier Fassungen annehmen, oder eine ganz neue Fassung aus der Diskussion schassen. Was dabei herauskommt, sind zwar nur Anregungen; aber es bedarf keines Wortes, daß in den Protokollen dieser Verhandlungen schon alles niedergelegt ist und schon alles durch Spruch und Widerspruch geklärt ist, was die interessierten Fachkreise, die Autoren, die Verleger, die Juri sten, die Richter aus ihren Überlegungen und Erfahrungen zu jedem Punkt zu sagen haben. Die Regierung hat sich ganz freie Hand Vorbehalten; aber sie wird aus diesen Verhandlungen den Vorteil ziehen, daß sie, wenn sie an die Formulierung des neuen Gesetzes voraussichtlich im Herbst dieses Jahres Herangehen wird, etwas organisch in der Öffentlichkeit Geborenes zustande bringen kann und nicht etwas in der abgeschlossenen Luft eines Ministeriums Gezeugtes. Wir an der Materie Interessierten dagegen haben den großen Vorteil, daß wir uns in einem solch mehr privaten Kreise viel offenherziger aussprechen können als wenn wir auf dem Boden einer Regierungsstelle und bei dieser zu Gast versammelt wären. Heute, wo ich diesen Bericht gebe, sind unsere Verhand lungen im »Grünen Verein« endlich nach mehr als 4 Jahren abgeschlossen. Zwar ist in manchen wichtigen Fragen eine starke Spaltung der Meinungen zutage getreten; aber es ist doch schon im Fluß der Verhandlungen eine große Reihe grundsätzlicher Gedanken klargestellt, die man, wie aus allen meinen Dar legungen hervorgeht, zwar nur als Wünsche bezeichnen kann, die aber sicher bei der Formulierung des kommenden Gesetzes Beachtung finden werden. Ich will hier — mit Genehmigung des Präsidenten des Grünen Vereins — einige der interessan testen aus den vertraulichen Verhandlungen aufzählen: Das Urheberrecht wird bisher in Deutschland durch zwei voneinander getrennte Gesetze gewahrt, von denen das eine die Werke der Literatur und der Musik schützt, das andere die Werke der Kunst und Photographie. Wir haben uns dahin geeinigt, daß es besser ist, die Gesamtmaterie in einem einzigen Gesetze zu verarbeiten, dagegen die Photographie einem besonderen Ge setz zu überweisen. Wie Ihnen bekannt sein wird, wird die Photographie in Deutschland 19 Jahre lang nach ihrem Er scheinen geschützt. Wir sind der Meinung, daß diese Schutz dauer für die Photographie genügt und daß der in anderen Ländern wesentlich längere Schutz photographischer Produkte der 758 Herstellung illustrierter Bücher und den damit zusammenhängen den geistigen Bedürfnissen nicht zuträglich ist und daß das Wesen der Photographie nicht verglichen werden kann mit dem Wesen der originalen geistigen Schöpfung. Ist diese Frage von großer praktischer Bedeutung, so ist eine andere grundlegende Frage sehr umstritten, obwohl sie haupt sächlich theoretischen Charakter hat. Bisher ist nach deutschen: Gesetz das Urheberrecht unbeschränkt übertragbar. Die Majori tät des Grünen Vereins hat sich dafür entschieden, daß das Ur heberrecht deshalb nicht übertragbar sei, weil es von der Person des Urhebers untrennbar sei; übertragbar seien nur — im ganzen oder geteilt in einzelne Befugnisse — die Rechte, das Werk wirtschaftlich auszunutzen. Wir bedauern diese überspitzte Formulierung, weil sie geeignet ist, in den Kreisen der Autoren und Verleger, die nicht die Gründe dieser Theorie kenne», Ver wirrung zu stiften und hoffen, daß die Regierung bei der Fassung des Gesetzes diese theoretische Definition zugunsten der bis herigen gesunden Praxis des Begriffs und der Übertragbarkeit des Urheberrechts beiseite lassen wird. Was den Beginn des Urheberschutzes anlangt, so soll in dem neuen Gesetz festgelegt werden, daß ein Werl schon in seinen ursprünglichsten Anfängen als Skizze, Schema, Szenarium ge schützt sein soll und daß der Schutz also nicht erst mit der vollen deten Formgebung des Werkes beginnt. Der 8 12 unseres bestehenden Gesetzes zählt die einzelnen Befugnisse des Urhebers aus (wie z. B. das Recht der Über setzung, das Recht zur mechanischen Wiedergabe, das Recht, eine Erzählung in dramatische Form zu bringen usw.); hinzugesetzt soll werden als ausschließliches Recht des Urhebers die Ver breitung und Vorführung seines Werkes durch Rundfunk, Bild sunk, Tonfilm, Sprechsilm und ähnliche technische Einrichtungen. Umstritten ist die Frage, inwieweit auch Preislisten und geschäftliche Kataloge Urheberschutz genießen können. Im all gemeinen hat der Grüne Verein einen solchen Schutz verneint, sondern die Frage des Schutzes von Preislisten und Katalogen abhängig gemacht von der Frage des unlauteren Wettbewerbs. Aber es ist anerkannt worden, daß es auch besondere Fälle gibt, in denen man von einem urheberrechtlichen Schutz eines Kata- loges oder einer Preisliste sprechen kann. Die Regierung ist aufgefordert worden, bei der Abfassung des Gesetzes diese Mög lichkeiten zu klären. Me Partei der Autoren hat den Wunsch gehabt, daß jede Übertragung eines Rechtes spezialisiert werden soll auf einen bestimmten Zweck und daß der Erwerber des Rechts, also der Verleger, das Recht nur für den im voraus bei der Übertragung festgelegten Zweck verwenden dars. Eine solche Einengung der Rechte des Verlegers, die sogenannte Zwecktheorie, ist aber ab gelehnt worden. Von großer Bedeutung ist die Frage, inwieweit einem Autor durch Vertrag schon das Recht an seiner künftigen Pro duktion abgekaust werden kann. Wir haben uns dafür entschie den, daß eine solche Verfügung über noch gar nicht entstandene Werke zwar aus praktischen Gründen nicht ausgeschlossen werden kann, daß aber Sicherungen geschaffen werden müssen, um die Freiheit des Autors nicht sür alle Zukunft zu binden. Ein stark bestrittener Punkt ist auch die Frage, ob zur Gültigkeit einer Verfügung über das Urheberrecht oder einzelner urheberrechtlicher Befugnisse die schriftliche Vertragssorm not wendig ist. Wir haben anerkannt, daß es zwar für die Be teiligten vorteilhaft und wünschenswert ist, wenn die Form des schriftlichen Vertrages zur Vermeidung aller Mißverständnisse gewählt wird, aber wir haben es abgelehnt, die schriftliche Form zur unbedingten Voraussetzung der Rechtsgültigkeit zu machen. Nach wie vor soll der Grundsatz gelten, daß jeder Aus länder, der sein Werk zum ersten Mal in Deutschland erscheinen läßt, denselben Rechtsschutz genießen soll wie ein Deutscher; aber wir haben sür die Zukunft eine sehr wichtige neue Bestimmung eingeschaltet: nämlich daß ausgenommen von diesem Schutz An gehörige solcher Lander sein sollen, die deutschen Reichsange hörigen Nicht denselben Schutz gewähren, wenn sie ihre Werke im Ausland erscheinen lassen. Gezielt ist bei dieser neuen Be-