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5898 Börsenblatt f. d- Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 111 18 Mai 1910. Hörden, und zwar nicht bloß der staatlichen, sondern auch der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, z. B. der kirchlichen. Gemeint sind nicht bloß Akte der Staatshoheit, sondern auch rein oerwaltungstechnische Bekanntmachungen, z. B> Stellenausschreibnngen, Verpachtungen usw. Die Be gründung zum Urheberrechtsgesetz wollte auch den Abdruck solcher amtlichen Erlasse freigeben, die nicht für die Öffent lichkeit bestimmt sind, denn solcher Abdruck könne dadurch, daß der Veröffcntltchung eine Verletzung der Amtspflicht oder Zuwiderhandlung gegen allgemeine Strafoorschristen zugrunde liege, nicht zu einem Nachdtuck werden. Mit Recht bemerkt dazu Dernburg (Das Bürgerliche Recht, Bd. 6 S. 175), die Gestattung des Abdrucks habe ihren Grund in dem all gemeinen staatlichen Interesse an der Veröffentlichung und dem möglichst umfassenden Bekanntwerden des amtlichen Erlöstes, und dieses Interesse fehle bei Schriftstücken, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien. Die in neuerer Zeit wiederholt vorgekommene unbesugte Veröffentlichung ge heimer Erlasse kann deshalb auch wegen Nachdrucks bestraft werden. Entscheidungen sind die Urteile der Gerichte und Verwaltungsgerichte nebst ihren Begründungen. Die Freiheit bezieht sich nur auf die Texte der Gesetze usw. Ausgenommen sind einerseits die von Privatpersonen vorgenommenen Sammlungen, die nach bestimmten Gesichts punkten geordnet sind und auf einer Auswahl und Sichtung beruhen, wie z. B. die Sammlungen der Gesetze und Ver ordnungen von Grotesend, Weißler; ferner die Sammlungen gerichtlicher Entscheidungen, da nur solche Urteile aus genommen werden, die ein allgemeineres Interesse haben und neue Gesichtspunkte enthalten, die Urteile selbst auch für den Druck umgearbeitet werden. Geschützt sind auch solche Auszüge aus Urteilen, die sich als wissenschaftliche Ausarbeitungen im Sinne des ß 18 Absatz 2 darftcllen. Andrerseits sind ausgenommen die Bearbeitungen, Kom mentare Erläuterungen, Zusätze, Register usw. Die Freigabe hat nur Bedeutung für das Urheberrecht, aus anderen Rechlsgriinden kann der Nachdruck unzulässig sein. Hier kommt für Verordnungen, Erlasse und Bekannt machungen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909 in Betracht, nämlich dessen 88 3, 4, 13 und 5 Absatz 2. Bekanntlich geben die Behörden ihre Be kanntmachungen bestimmten von ihnen ausgesuchten Zeitungen, den sogenannten amtlichen Organen, zur Veröffentlichung! diese Zeitungen erlangen dadurch beim Publikum eine ge wisse Wertschätzung. Wenn nun in einem Blatte amtliche Bekanntmachungen abgedruckt werden, ohne daß dieses Blatt von den Behörden einen Auftrag hat oder mit ihnen in einem Vertragsverhältnis steht, so wird dadurch das Publikum irregesührt, es liegt eine Veranstaltung im Sinne des K 5 Absatz 2 des Wettbewerbsgesetzss vor, die nach 8 3 einen Anspruch auf Unterlassung, nach Z 13 einen Anspruch auf Schadenersatz begründet und nach 8 4 strafrechtlich ver folgt werden kann. Nur dann ist der Abdruck zulässig, wenn kenntlich gemacht ivird, daß die Bekanntmachungen usw. aus den amtlichen Blättern entnommen sind. b) Andere zum amtlichen Gebrauche hergestellte amtliche Schriften. Was zunächst den Ausdruck Schriften betrifft, so will nach dem Gutachten der preußischen Literarischen Sachverständigen-Kammer vom 23. September 1904 (Daude S. 139) das neue Gesetz ebenso wie in tz 43 das alte darunter nicht nur die Schriftwerke im engeren Sinne (Z 1 Ziff. 1), sondern auch die in Z 1 Ziff. 8 für schutzfähig erklärten Abbildungen wissenschaftlicher oder tech nischer Art begreifen, zumal bekanntlich gerade Pläne, Karten und andere Zeichnungen wissenschaftlicher oder technischer Art sehr häufig von amtlichen Stellen zum amtlichen Gebrauche hergestellt werden. Was heißt nun aber -zum amtlichen Gebrauch her gestellte amtliche« Schriften? Hierfür sind die verschiedensten Erklärungen versucht worden, ohne daß man zu einem be friedigenden Ergebitis gekommen ist. Ein Gutachten des preußischen Sachoerständigen-Vereins hat eine von der Gencralvcrwaltung der königlich preußischen Museen heraus gegebene Beschreibung ihrer Kunstschätze für geschützt erklärt, weil nur solche Publikationen frei seien, die zu den der be treffenden Behörde kraft ihres Amtes obliegenden Pflichten gehörten, nicht aber solche, die die Behörde nur aus Anlaß ihres Amtes erlasse Dagegen wendet mit Recht Dernburg <a a. O. S. 176 Anm. 4) ein, auch wenn der Museums- direktion durch den Minister oder sogar durch ein Gesetz die Veröffentlichung der Beschreibung ihrer Kunstschätze auf erlegt wäre, ließe sie sich nicht als gemeinfrei er achten. Bei der Beratung des neuen Gesetzes wurde von einem Regierungsvertreter bemerkt, der tz 16 wolle nicht den Kreis der durch das alte Gesetz sreigegebenen Schriften erweitern, es sollten deshalb diejenigen Schriften, die von einer Behörde herausgegeben worden sind, die sich aber wie wissenschaftliche Werke nicht lediglich an die Adresse einer Behörde wenden, sondern auch an das Publikum, nach wie vor geschützt sein. In einem Gutachten ist denn auch die von der deutschen Heeresverwaltung herausgegebene Rang- und Quartierliste für geschützt erklärt. Der Entwurf zu dem neuen Gesetz hatte bei Z 16 noch eine Vorschrift, daß der Abdruck unzu lässig ist, wenn die Schriften mit dein Verbot des Nachdrucks versehen sind. Die Reichstagskommission strich dies, denn solche Schriften seien im Interesse der Allgemeinheit ange- fcrtigt, sie müßten deshalb auch ohne Beschränkung der All gemeinheit zugänglich gemacht und ihr überlassen werden. Dernburg (a. a. O. S. 176 Anm. 6) zweifelt mit Recht daran, daß diese Begründung zwingend ist; er nieint, Veröffentlichungen, die amtlich seitens der Behörden zum Zweck der Belehrung des Publikums oder einzelner Kreise desselben geschähen, seien nicht hierher zu zählen. Der Wort laut des Gesetzes bietet dafür aber keinen Anhalt, im Gegen teil, gerade im Interesse der möglichst weiten Verbreitung der Gesetze usw. im Publikum und zu dessen Belehrung (im weiteren Sinne) ist die Freigabe erfolgt. Das oben er wähnte Gutachten vom 23. September 1904 sührt bezüglich eines Lehrmittelverzeichnisses aus, dasselbe sei allerdings im Aufträge des Ministeriums ausgestellt und zunächst zur Ver teilung an die höheren Lehranstalten usw. bestimmt, bei der Herausgabe sei aber zugleich in Aussicht genommen, die ein zelnen Hefte auch einem weiteren Interessentenkreise zugänglich zu machen, und deshalb sei dem Verleger die Ermächtigung erteilt worden, über die amtliche Auflage hinaus weitere Exem plare auf eigene Rechnung zu drucken und diese auf Ver langen auch an das interessierte Publikum zu einem bestimmten Preise abzugebsn; damit sei den schutzsähigen Teilen des Verzeichnisses die Eigenschaft von lediglich znm amtlichen Gebrauch hergestellten amtlichen Schriften genommen, der Nachdruck sei unzulässig. Im großen und ganzen gehen die Ansichten dahin, daß diejenigen amtlichen Schriften nicht unter den tz 16 fallen und geschützt sind, die nicht ausschließlich zum amtlichen Gebrauch, sondern auch für das Publikum bestimmt sind. Wie stimmt das aber mit dem Zweck des Z 16 überein? Die Freigabe ist doch deshalb erfolgt, damit die Gesetze usw. unter dem Publikum eine möglichst weite Verbreitung finden, sie sind ebenfalls nicht ausschließlich zum amtlichen Gebrauch bestimmt, während aus demselben Grunde die »andern amtlichen Schriften« nicht frei sein sollen. Das ist ein Widerspruch, der sich nicht lösen läßt. In eine Vorschrift, welche die für das Publikum bestimmten amtlichen Schriften, wie Gesetze usw., sreigibt, durften nicht als gleichstehend die